222 VIII. Herakles der Satyr und Dreifufsräuber.
zurückgelassene und dnnn von Apollon aufgenommene Keule
läfst keinen Zweifel — also in beiden Fällen wird ein bekannter
Vorgang der heroischen Mythologie in der Weise parodirt, dafs
der Held zu einer satyresken Figur wirdJ)
Die lange Reihe von Darstellungen des Dreifufsraubes,
denen hier eine so wichtige hinzugefügt werden kann, ist in
neuester Zeit nach den verschiedenen Rücksichten auf Material,
Stil und Gruppirung mit erschöpfender Gelehrsamkeit behandelt
worden. Aufser den aus dem Alterthume erwähnten Denk-
mälern und den archaischen Reliefs kennen wir über sechzig
Thongefäfse älteren und jüngeren Stils, welche denselben Gegen-
stand darstellen. Jedes Denkmal, welches diesen Vorrath ver-
mehrt, erregt von Neuem das Verlangen, in den Sinn dieser
Kampfsage einzudringen, welche von epischen Dichtern behandelt
worden ist, aher abgesondert von dem Cyklus der Herakles-
thaten. In der uns erhaltenen Litteratur wird sie nur so ge-
legentlich erwähnt, dafs wir ohne Hülfe der Denkmälerkunde
gar keine Ahnung davon haben würden, wie diese Sage, so
weit Hellenen wohnten, zu den allerbekanntesten gehörte und
zu den Lieblingsgegenständen der bildenden Kunst.")
Auf den zu Grunde liegenden Sinn der Sage hinzuleiten
sind die Denkmäler niclit geeignet, da sie sich begnügen, in
kurzer Bildsprache den thatsächlichen Gegenstand darzustellen.
Wichtiger sind zu dem Zwecke die von Pausanias aufbewahrten
örtlichen Ueberlieferungen, die Volkslegenden, in welche jener
Streit verwoben ist oder mit denen er eine innere Verwandt-
schaft hat. Die einfachste Dreifufslegende, von welcher das
Verständnifs dieses Sagenkreises ausgehen mufs, ist die, welche
dem megarischen Tripodiskos den Narnen gab. Koroibos hat
sich nach Tödtung der Poine in Delphi sühnen lassen und
kehrt von dort nach Argos zurück. Pythia entläfst ihn aber
nicht anders in die Heimath, als dafs er einen Dreifufs zu
tragen erhält, welchen er nicht niedersetzen darf, bis derselbe
von selbst entgleitend den Boden berührt. Wie Koroibos die
Geraneia hinansteigt, fällt der Dreifufs von seiner Schulter und
L Ueber die satyrisirten Hidas, Marsyas siehe Welcker, Nachtrag zur
Trilogie S. 301. Silen mit Petasos und Kerykeion: Athenaeus V 198,a.
Silenopappos vor der Sphinx: Mus. Borb. XII 9. Jahn S. 294.
s) Welcker, Der Dreifufsraub des Herakles, im dritten Theile der
„Alten Denkmäier" S. 208.
zurückgelassene und dnnn von Apollon aufgenommene Keule
läfst keinen Zweifel — also in beiden Fällen wird ein bekannter
Vorgang der heroischen Mythologie in der Weise parodirt, dafs
der Held zu einer satyresken Figur wirdJ)
Die lange Reihe von Darstellungen des Dreifufsraubes,
denen hier eine so wichtige hinzugefügt werden kann, ist in
neuester Zeit nach den verschiedenen Rücksichten auf Material,
Stil und Gruppirung mit erschöpfender Gelehrsamkeit behandelt
worden. Aufser den aus dem Alterthume erwähnten Denk-
mälern und den archaischen Reliefs kennen wir über sechzig
Thongefäfse älteren und jüngeren Stils, welche denselben Gegen-
stand darstellen. Jedes Denkmal, welches diesen Vorrath ver-
mehrt, erregt von Neuem das Verlangen, in den Sinn dieser
Kampfsage einzudringen, welche von epischen Dichtern behandelt
worden ist, aher abgesondert von dem Cyklus der Herakles-
thaten. In der uns erhaltenen Litteratur wird sie nur so ge-
legentlich erwähnt, dafs wir ohne Hülfe der Denkmälerkunde
gar keine Ahnung davon haben würden, wie diese Sage, so
weit Hellenen wohnten, zu den allerbekanntesten gehörte und
zu den Lieblingsgegenständen der bildenden Kunst.")
Auf den zu Grunde liegenden Sinn der Sage hinzuleiten
sind die Denkmäler niclit geeignet, da sie sich begnügen, in
kurzer Bildsprache den thatsächlichen Gegenstand darzustellen.
Wichtiger sind zu dem Zwecke die von Pausanias aufbewahrten
örtlichen Ueberlieferungen, die Volkslegenden, in welche jener
Streit verwoben ist oder mit denen er eine innere Verwandt-
schaft hat. Die einfachste Dreifufslegende, von welcher das
Verständnifs dieses Sagenkreises ausgehen mufs, ist die, welche
dem megarischen Tripodiskos den Narnen gab. Koroibos hat
sich nach Tödtung der Poine in Delphi sühnen lassen und
kehrt von dort nach Argos zurück. Pythia entläfst ihn aber
nicht anders in die Heimath, als dafs er einen Dreifufs zu
tragen erhält, welchen er nicht niedersetzen darf, bis derselbe
von selbst entgleitend den Boden berührt. Wie Koroibos die
Geraneia hinansteigt, fällt der Dreifufs von seiner Schulter und
L Ueber die satyrisirten Hidas, Marsyas siehe Welcker, Nachtrag zur
Trilogie S. 301. Silen mit Petasos und Kerykeion: Athenaeus V 198,a.
Silenopappos vor der Sphinx: Mus. Borb. XII 9. Jahn S. 294.
s) Welcker, Der Dreifufsraub des Herakles, im dritten Theile der
„Alten Denkmäier" S. 208.