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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 15.1897

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Beck, Paul A.: Schwäbische Biographien: Sebastian Sailer (mit dessen Bildnis) ...
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https://doi.org/10.11588/diglit.18487#0010

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ausschließlich geschrieben und gedichtet hat,
zur Beurteilung von Ss. humoristischen
Gebilden, sowohl der prosaische» wie der
poetischen, reckt notwendig und nächste Vor-
aussetzung. Das Gehaltvolle der S.schen
Stücke im einzelnen nachzuweisen, würde
hier zu weit führen; wir rufen aber dem
Zweifler, wenn er sich das erforderliche
allgemeine Verständnis verschafft hat und
nicht etwa mit einer gewissen Voreingenom-
menheit oder gar mit einem Degont an die
Sache herangeht, bloß zu: tolle, le§e!
Nm nur eine Probe zu geben: Wie tref-
fend hat gerade S. in seiner von Maisch-
ten ebenfalls angeführten, aber ziemlich
absprechend behandelten „Schultheißenwahl
zu Limmelsdorf", in welcher er das verzopfte
schwäbiscke Herkommen, namentlich das
„Vetterleswesen" und die Kirchtums-
interessen geißelt, das Verhalten seines
eigenen geistlichen Standes, speziell das
eines Landpfarrers (eines „HairleS") zu
seinen Pfarrkindern und Bauern vor-
zeichnet! Allerdings hat S. in seiner
„derben, groben Sprach", die aber auch
zuweilen „zu zarten Schiefern brach", die
schwachen Seiten von Land und Leuten
aufs Korn genommen, dabei aber auch
ihre gmen Eigenschaften, ihre Treue und
Glauben, ihre Gutberzigkeit und Redlich-
keit durchschauen lassen und dieselben in
Wahrheit gezeichnet, wie sie in der da-
maligen Abgeschiedenheit waren, leibten
und lebten, dachten, sannen und sprachen,
sich keineswegs, wie Maischten irriger-
weise behauptet, auf A e u ß erli chk ei te u
beschränkt, ist vielmehr ziemlich auf ihr
Innenleben eingegangen. Daß die Dialekt-
sprache, zumal die an sich schon überaus
derbe schwäbische Mundart, der derbsten
eine, nicht zur besonderen ästhetischen und
künstlerischen Entwicklung und ebenso der
schwäbiscke Banerncharakter an sich seiner
harten, groben Züge halber nicht zur
salonmäßigen Zeichnung, wenn anders
solche einigermaßen treu sein soll, geschaffen
ist und jedenfalls diesbezügliche Ansprüche
bei weitem nicht so hoch, wie von Maischten
geschehen, gestellt werden dürfen und auch
A n m erkn ng. Vorstehendes Bildnis ist nach
den, uns ans A. Hotders empfehlenswerter
„Gesch. der schwcib. Dialektdichtnng n." fHeil-
bron», Verlag von Max Kielinann, 1896) gefl.
zur Verfügung gestellten Cliche wicdergegeben.

die Zeit, in welche diese Dichtungen fielen,
mit in Betracht zu ziehen ist, liegt ans
der Hand. Ein Kenner des schwäbischen
Dialekts, Professor H. Fischer, hält eine
Verwendung desselben zu Jdeendichtungen,
zum Sinngedicht, oder zum Ausdruck
weicher lyrischer Empfindung überhaupt
für ausgeschlossen, vielmehr daS Schwäbische
mehr für volkstümliche komische, vor-
nehmlick für satirische Dichtung geeignet.
Auch A. Holder bezweifelt in seiner
gelungenen „Geschichte der schwäbischen
Dialektdicbtung ,w.", ob die von F. ver-
fochtenen Anschauungen und Gesichts-
punkte glückverheißend für die schwäbisch-
mundartlicke Dichtung seien: „die Wege
der noch zu erwanendcn Dialektlitteratur
können und dürfen nicht diejenigen der
neuesten schriftdentschen Tendenz- und Mode-
litteratur sein. Zwischen beiden muß sich
die Kluft eher erweitern als verengern,
wenn die Schwaben — die alten bleiben
wollen" ! In der That ist die schwäbische
Mundart zu breit, z» voll, zu „maulig"
— wenn wir uns so ansdrücken dürfen
um feinere Gefühle in Lyrik oder gar
in Epik zur Geltung zu bringen; und
wirkt in der einen oder anderen Anwendung
nicht selten abstoßend und widerlich. Von
Heruntersehen oder Mißachtung des Bauern-
standes ist bei S., so entfernt er auch
von Sentimentalität, idyllische» oder gar
Rousseauschen Anschauungen war, keine
Spur. Im Gegenteil lieble er, selbst ans dem
Volke hcrvorgegangcn und lange Jahre
mitten auf dem Lande lebend, seine Bauern
und Tagwerker, lernte Freud und Leid der-
selben bis ans den Grund kennen und teilte
diese auck treu und redlich mit ihm. Nichts
liegt ihm ferner, als seine Stammesgenossen
schlecht behandeln zu wollen, vielmehr will
er — abgesehen von der unter den
Schwaben eingewurzelten traditionellen
Selbstverhöhnungssucht, auf welche wir
unten noch zu sprechen komme» werden
— denselben einen Spiegel ihrer Fehler
und Schwächen, einen wahren „Schwaben-
spiegel" Vorhalten, um sie damit zu bessern
und aus einen andern Weg zu leiten, wo-
bei er nicht selten noch eine „kurze, gesunde
Moral von der Geschickte" dreingiebt.
Gelegentlich hebt er auch die ruhmvolle
Vergangenheit der Schwaben als einst der
vordersten bei der NeichSsturmfahne hervor
 
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