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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 22.1904

DOI Artikel:
Graf, Philipp: Geschichte der Pfarrei Orsenhausen OA. Laupheim, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18334#0195

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fast erdruckt wurden. Zum Glück waren die
Herren mit Lebensmitteln überflüssig versehen
und die Gemeinen nahmen sich die ungebetene
Mühe, unsere schon halb leeren Ställe zu durch-
suchen und Boschen, Schweins und Schafe zu
einem Nachtschmause abzuholen. Auch mir wurde
ein Schwein geraubt; die Wache des Generals
wollte deshalb nicht helfen, weil ihm nur die
vordere Tür und nicht die Hintere zur Bewachung
angewiesen wäre. Ein von der Tafel hinweg
vom General beorderter Offizier half denn doch
redlich, daH mir nicht mehreres gestohlen wurde.
Dieser Abend und Nacht war überhaupt fürs ganze
Ort der verderblichste — denn nun wurde alles,
was noch verborgen und vergraben war, aufge-
funden und geraubt. Mir wurde, obenbemerktes
Schwein ausgenommen, ungeachtet das Haus so
voll Franzosen war, daß wir alle ins Schloß
ziehen mußten, nichts genommen, ja der Mägde
Kammer nicht einmal geöffnet. Die größte Not
hatte ich mit Aufsuchen der Boten, deren der
General eine große Menge forderte. Auch der
Koch genierte mich sehr, denn ich mnßte ihm für
seine Kocherei fünf große Taler geben. Diese
Operation hätte er am Morgen wiederholt, hätte
ich nicht Miene gemacht, als wollte ich mich da-
rüber beim General beschweren.

Obgleich in der Nacht schon alles in unruhiger
Bewegung war, so geschah doch der Aufbruch erst
am andern Tag gegen Mittag. Der ganze linke
Flügel der französischen Armee, dessen komman-
dierender General S t. Susanne lang in Burg-
rieden lag, zog hier durch. Die Kavallerie war
zahlreich, aber ungleich stärker die Infanterie.
Der Zug ging nach Schwendi, Wain und Balz-
heim, doch blieben ihre letzten Vorposten bei den
Bäumen im Schafhaufer Oefch. Mein General
blieb zu meinem Trost und nötiger Sicherheit so
lang in meinem Hause, bis beinahe der letzte
Mann seiner fürchterlichen Truppen vorüber war.

In dieser ganzen angstvollen Zeit waren unser
gnädiger Herr, der Herr Pfarrer von Bußmanns-
hausen und ich, soviel und oft es die Umstände
erlaubten, beisammen, um einander zu beraten und
aufzumuntern; auch war der Herr Pfarrer von
Burgrieden verkleidet als Flüchtling im Schloß,
wo er in beständiger, eben nicht sehr angenehmer
Gesellschaft der Frau des Doktor Kieninger nud
ihrer zu muntern Kinder bei 14 Tage zubrachte.
Die Kirche blieb immer geschlossen und es wurde
nie Gottesdienst gehalten; wir waren auch so
glücklich, daß nie in selbe eingebrochen wurde.

Jetzt waren wir von den Feinden frei, aber
nicht frei von der Furcht, so lange wir ihre Ve-
detten uns so nahe sahen; bald wurden wir durch
die zu voreilige Nachricht erschreckt, daß sie wieder
vorrücken würden. Dieser im Grunde nur blinde
Lärm bestimmte unsern gnädigen Herrn plötzlich
einzupacken und über Ulm nach Bechtolsheim ab-
zureisen. Se. Exzellenz hatten die Gnade, nuch
mich dahin einzuladen. Da ich mich aber nicht
soweit von meiner Pfarrei entfernen wollte^ so
ersuchten sie nuch, im Schloß zu bleiben und da
in seinem Namen die kaiserlichen Offiziere zu be-
dienen. Ich erhielt eins Vollmacht zu diesem
Ende Viktualien herbeizuschaffen. Auch wurden
mir zur Beihilfe gegeben: Der alte und junge
Jäger, der Bürgermeister Jos. F. und feine beiden

Brüder und Jos. Auer. Meine Aussichten waren
eben nicht die fröhlichsten — ich war allein in
meinem Ort (der Pfarrer von Bußmannshausen
war auch mit abgereist), der zwischen den fran-
zösischen und kaiserlichen Vorposten lag, die ein-
ander beständig neckten. Endlich kamen letztere
an einem Abend in großer Anzahl mit Kanonen
und warfen die feindlichen Vorposten bis Schaf-
Haufen zurück. Das Feuer hielt bis uachts 10 Uhr
an, dies hatte nun die lästige Folge für uns,
daß wir oft an einem Tage bei 700 Kaiserliche
speisen mußten; sie kamen oft zehn bis zwölf
Mann hoch, um den Bürgermeister im Schloß
aufzusuchen und Billette von ihm zu fordern.
Waren sie einmal da, so wollten sie mit Gewalt
Brot, Branntwein, Fleisch :c. haben. . . . Den
16. Juni 1800 rückte der Geueral Kray mit
der ganzen Macht von Ulm heran. Schon in
der Nacht um 12 Uhr kam unvermutet der Erz-
herzog Ferdinand mit seinem Stab im Schloß an.

^ Ich hatte die Gnade, Se. kaiserliche Hoheit und
den Prinzen von Lothringen am Morgen früh
mit Kaffee zu bedienen. Bis 8 Uhr war auch
Kray hier und wnrde das große Kriegstheater
vor unsern Augen eröffnet. Mehrere Regimenter
wurden auf unferm Oefch in Schlachtordnung
gestellt; der Angriff geschah schnell und mutig,
die Kanonen machten eine feierliche, aber auch
fürchterliche Musik. Dem Erzherzog wnrde gleich
Anfangs das Pferd unterm Leib erschossen, sein
Adjutant kam mit vielen anderen blessiert zurück.^)
Auf dieses setzte sich auch der kommandierende
General, der bis jetzt stumm im oberen Zimmer
des Schlosses zugesehen hatte, wieder zn Pferd
und in wenigen Stunden sahen wir weder Fran-
zosen noch Kaiserliche mehr bei uns. Nun
konnten wir wieder ruhen, was wir sehr nötig
hatten; denn von nachts 12 Uhr bis mittags
mnßten wir alle Kräfte anstrengen, um nach Ver-
mögen die hungrigen und durstigen Offiziere vom
Höchsten bis zum Niedersten zu speisen und zu
tränken. Die ersten Stabsoffiziere baten um
Labung, ganze Haufen von Geineinen wurden mit
Reissuppen gestärkt und selbst die auf Vorposten
stehenden mußten versorgt werden. Dies letzte
kam uns jetzt und die vorigen Tage umso härter
an, weil ich, da der Bürgermeister mit seinen
Brüdern uns verlassen, fremde Leute bitten mußte,
um Speisen auszutragen. Gegen Abend, da wir
uns schon mit der Hoffnung von allem Kriegs-
übel befreit zn sein, trösteten, sahen wir schon
wieder die kaiserlichen Bagagewägen zurückkehren
und bald sahen wir den General der übereil-
ten Retirade, die unserem bis jetzt geschonten
Oesche äußerst verderblich war. Am Morgen war
alles still, man sah weder Freund noch Feind,
niemand wußte, was zu fürchten oder zu hoffen
war. Um näher belehrt zu werden, ging ich
nach Lanpheim zu Baron v. Melden nud als
ich wieder nach Hause wollte, kam mir die halbe
Gemeinde flüchtig mit der traurigen Nachricht
entgegen, daß beide Parteien in unserem Orte
aufeinander gestoßen und wütend gegeneinander
kämpften. Da es wieder ruhiger ward, kehrte ich

') S. darüber auch „Gefechte i. I. 180V im
Oberamtsbezirk Laupheim" im „D.-A." IX, 1891,
Beil, S. 48, Red,
 
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