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auf, gewöhnlich Elephantiasis genannt; er be-
steht ähnlich wie der weiße Aussatz ans Flecken
und Flechtmälern, zu denen bald im Gesicht und
an den Gliedern Knoten und Knollen hinzn-
kommen, anfänglich so groß wie Linsen, später
wie Tauben- und Hühnereier, durch welche all-
mählich selbst die Gelenks und sogar der untere
Kiefer ans der natürlichen Lage gerückt werden.
Zwischen den Knoten bilden sich starke Ver-
tiefungen und später Risse, die in eiternde Ge-
schwüre übergehen. Indessen wird das Gesicht
aufgedunsen und wie mit Talg überzogen, der
Blick starr, die Oeffnnng der Augenlider rund,
letztere abwärts gebogen, die Augen unaufhör-
lich triefend, die Stimme schwach und die Rede
unverständlich, wenn nicht völlige Stummheit
eintritt. Dazu kommen der höchste Grad von
Trübsinn und Melancholie, häufige Schlaflosig-
keit und, wenn Schlaf eintritt, schwere, schreck-
liche Träume. Während dabei die Ehlust immer-
fort groß ist, wird durch den faulen, stinkenden
Atem jede Speise vor ihrem Genüsse ekelhaft
und ungenießbar. Allmählich geht dann unter
großen Schinerzen die Zerstörung des Organis-
mus so weit, daß dis äußeren Gelenke an
Händen und Füßen und zuletzt diese selbst ab-
faulen und wegfallen, wenn nicht der Tod, was
jedoch meistens geschieht, diesem Zustande zuvor-
kommt. Der Kranke stirbt gewöhnlich au Aus-
zehrung und Erstickung. Bisweilen wirst sich
das Nebel allein auf die Füße; diese schwellen
dann zu außerordentlicher Dicke an, werden hart,
prall und schuppenartig und widerstehen jedem
Fiugerdrucke. Im übrigen fühlt sich aber der
Kranke in diesem Zustande wohl und kann in
demselben noch über 20 Jahre leben. — Als
Ursachen des Aussatzes betrachtet man
hauptsächlich marines und feuchtes Küsteuklima,
wie er denn auch wirklich in warmen Küsten-
gegenden mehr als anderwärts vorkommt, so-
dann Fischnahrung, schlechte, fettige und tranige
Speisen, unreine, nasse Kleidung und unreinliche
Lebensweise. Sichere Mittel dagegen
hat die Heilkunde bis jetzt nicht ausfindig zu
machen gewußt.
Eine Heilung gab es fast nie; die meisten
Kranken siechten elend dahin, oft jahrelang, bis
sie am ganzen Körper bei lebendigem Leibs ver-
faulten. Das Furchtbarste aber war die große
Gefahr der Ansteckung. Schon der bloße
Atem der Aussätzigen, ja das Anrühren eines
Gegenstandes, den der Kranke in Händen gehabt
hatte, galt als ansteckend. Darum und weil die
Staaten damals noch keine Ahnung von einer
Sanitätspolizei hatten, blieb nichts anderes
übrig, als nach mosaischem Vorbild (Levit.
Kap. 13) diese Unglücklichen strengstens von der
übrigen Gesellschaft abzusondern, und so ent-
standen die noch heute dem Namen nach be-
kannten „Leprosen- oder Siechenhüuser". An-
fangs waren die Aussätzigen in eigenen Hütten,
die außerhalb der Ortschaften auf freiem Felde
aufgeschlngen wurden, untergebracht, welche nach
dem Tode der Kranken niedergsbrannt wurden.
Später erbaute man au deren Stelle die !
„Siechenhäuser", welche mit Mauern und eigenem I
Friedhof umgeben waren. An bestimmten Tagen
dursten die am wenigsten Angesteckten davon in
dis Ortschaften kommen, mußten aber mit einer
Klapper ein Zeichen geben, sobald sie in die
Nähe eines gesunden Menschen kamen, damit
dieser auswich; sie durften in keine Stube
treten, aus keinem öffentlichen Brunnen trinken,
ja nicht einmal das Seil von Ziehbrunnen be-
rühren und an laufenden Wassern sich nicht
waschen; wollten sie etwas kaufen, so mußten
sie mit einem langen Stock von weitem darauf
hindeuten, ohne es zu berühren.
Da diese Unglücklichen so viel als tot
galten, bemühte sich die Kirche, ihnen
dieses harte Los soviel als möglich zu
versüßen und zu erleichtern und die not-
wendige Ausschließung aus der mensch-
lichen Gesellschaft ihnen als heilsame Buße
beizubringen.
Die Ausschließung aus d er
menschlichen Gesellschaft geschah nute r
rührenden Zeremonien, in denen
Hoffnung und Trauer zugleich sich aus-
drückten. Die Priester mußten ihnen die
Ausschließung ankündigen, trösteten und
ermahnten, geduldig zu sein, da ja nur
die Krankheit der Seele das größte Uebel
sei und die Krankheit des Leibes nicht von
der Gemeinschaft der Heiligen ansschließe,
wenn sie auch dem Leibe nach von der Ge-
meinschaft mit den Menschen ausgeschlossen
seien. War einer angesteckt, so wurde er
an dem festgesetzte» Tage von dem Priester
svieser mußte ihn, wenn sich 'auch sonst
niemand mehr in seine Nähe wagte, als wie
einen Gesunden behandeln) zur Kirche ge-
leitet. In den ältesten Zeiten las man eine
Totenmesse über ihn, bei welcher der Kranke
wie ein Toter auf der Bahre lag. Dann
empfing er die Kommunion, es wurden
die für seinen Gebrauch bestimmten Geräte,
das Kleid, die Handschuhe, sein Schüsselchen
und der Broisack gesegnet. (Forts, folgt.)
Aloinere Mitteilungen.
Ein unbekannter oberschwäbischer
Maler. Im Schloß zu Wolfegg, im Kunstsaal,
befindet sich ein Bild ans der schwäbischen Schule,
die heiligen drei Könige von „Michel Maier
von S u lb a ch", dessen Namen uns bis jetzt nie
aufgestoßen ist. Man wird in demselben wohl
einen einheimischen Maler zu suchen haben und
wird das Sulbach wohl der Weiler Sulpach
in der Gemeinde Baindt oder (Vorder-)S o lb ach
in der Gemeinde Eschach oder (Hinter-)Solbach
in der Gemeinde Grünkraut sein? -ck.
Stuttgart, Buchdruckerei der Akt.-Ges. „Deutsches AolkSblatt".
auf, gewöhnlich Elephantiasis genannt; er be-
steht ähnlich wie der weiße Aussatz ans Flecken
und Flechtmälern, zu denen bald im Gesicht und
an den Gliedern Knoten und Knollen hinzn-
kommen, anfänglich so groß wie Linsen, später
wie Tauben- und Hühnereier, durch welche all-
mählich selbst die Gelenks und sogar der untere
Kiefer ans der natürlichen Lage gerückt werden.
Zwischen den Knoten bilden sich starke Ver-
tiefungen und später Risse, die in eiternde Ge-
schwüre übergehen. Indessen wird das Gesicht
aufgedunsen und wie mit Talg überzogen, der
Blick starr, die Oeffnnng der Augenlider rund,
letztere abwärts gebogen, die Augen unaufhör-
lich triefend, die Stimme schwach und die Rede
unverständlich, wenn nicht völlige Stummheit
eintritt. Dazu kommen der höchste Grad von
Trübsinn und Melancholie, häufige Schlaflosig-
keit und, wenn Schlaf eintritt, schwere, schreck-
liche Träume. Während dabei die Ehlust immer-
fort groß ist, wird durch den faulen, stinkenden
Atem jede Speise vor ihrem Genüsse ekelhaft
und ungenießbar. Allmählich geht dann unter
großen Schinerzen die Zerstörung des Organis-
mus so weit, daß dis äußeren Gelenke an
Händen und Füßen und zuletzt diese selbst ab-
faulen und wegfallen, wenn nicht der Tod, was
jedoch meistens geschieht, diesem Zustande zuvor-
kommt. Der Kranke stirbt gewöhnlich au Aus-
zehrung und Erstickung. Bisweilen wirst sich
das Nebel allein auf die Füße; diese schwellen
dann zu außerordentlicher Dicke an, werden hart,
prall und schuppenartig und widerstehen jedem
Fiugerdrucke. Im übrigen fühlt sich aber der
Kranke in diesem Zustande wohl und kann in
demselben noch über 20 Jahre leben. — Als
Ursachen des Aussatzes betrachtet man
hauptsächlich marines und feuchtes Küsteuklima,
wie er denn auch wirklich in warmen Küsten-
gegenden mehr als anderwärts vorkommt, so-
dann Fischnahrung, schlechte, fettige und tranige
Speisen, unreine, nasse Kleidung und unreinliche
Lebensweise. Sichere Mittel dagegen
hat die Heilkunde bis jetzt nicht ausfindig zu
machen gewußt.
Eine Heilung gab es fast nie; die meisten
Kranken siechten elend dahin, oft jahrelang, bis
sie am ganzen Körper bei lebendigem Leibs ver-
faulten. Das Furchtbarste aber war die große
Gefahr der Ansteckung. Schon der bloße
Atem der Aussätzigen, ja das Anrühren eines
Gegenstandes, den der Kranke in Händen gehabt
hatte, galt als ansteckend. Darum und weil die
Staaten damals noch keine Ahnung von einer
Sanitätspolizei hatten, blieb nichts anderes
übrig, als nach mosaischem Vorbild (Levit.
Kap. 13) diese Unglücklichen strengstens von der
übrigen Gesellschaft abzusondern, und so ent-
standen die noch heute dem Namen nach be-
kannten „Leprosen- oder Siechenhüuser". An-
fangs waren die Aussätzigen in eigenen Hütten,
die außerhalb der Ortschaften auf freiem Felde
aufgeschlngen wurden, untergebracht, welche nach
dem Tode der Kranken niedergsbrannt wurden.
Später erbaute man au deren Stelle die !
„Siechenhäuser", welche mit Mauern und eigenem I
Friedhof umgeben waren. An bestimmten Tagen
dursten die am wenigsten Angesteckten davon in
dis Ortschaften kommen, mußten aber mit einer
Klapper ein Zeichen geben, sobald sie in die
Nähe eines gesunden Menschen kamen, damit
dieser auswich; sie durften in keine Stube
treten, aus keinem öffentlichen Brunnen trinken,
ja nicht einmal das Seil von Ziehbrunnen be-
rühren und an laufenden Wassern sich nicht
waschen; wollten sie etwas kaufen, so mußten
sie mit einem langen Stock von weitem darauf
hindeuten, ohne es zu berühren.
Da diese Unglücklichen so viel als tot
galten, bemühte sich die Kirche, ihnen
dieses harte Los soviel als möglich zu
versüßen und zu erleichtern und die not-
wendige Ausschließung aus der mensch-
lichen Gesellschaft ihnen als heilsame Buße
beizubringen.
Die Ausschließung aus d er
menschlichen Gesellschaft geschah nute r
rührenden Zeremonien, in denen
Hoffnung und Trauer zugleich sich aus-
drückten. Die Priester mußten ihnen die
Ausschließung ankündigen, trösteten und
ermahnten, geduldig zu sein, da ja nur
die Krankheit der Seele das größte Uebel
sei und die Krankheit des Leibes nicht von
der Gemeinschaft der Heiligen ansschließe,
wenn sie auch dem Leibe nach von der Ge-
meinschaft mit den Menschen ausgeschlossen
seien. War einer angesteckt, so wurde er
an dem festgesetzte» Tage von dem Priester
svieser mußte ihn, wenn sich 'auch sonst
niemand mehr in seine Nähe wagte, als wie
einen Gesunden behandeln) zur Kirche ge-
leitet. In den ältesten Zeiten las man eine
Totenmesse über ihn, bei welcher der Kranke
wie ein Toter auf der Bahre lag. Dann
empfing er die Kommunion, es wurden
die für seinen Gebrauch bestimmten Geräte,
das Kleid, die Handschuhe, sein Schüsselchen
und der Broisack gesegnet. (Forts, folgt.)
Aloinere Mitteilungen.
Ein unbekannter oberschwäbischer
Maler. Im Schloß zu Wolfegg, im Kunstsaal,
befindet sich ein Bild ans der schwäbischen Schule,
die heiligen drei Könige von „Michel Maier
von S u lb a ch", dessen Namen uns bis jetzt nie
aufgestoßen ist. Man wird in demselben wohl
einen einheimischen Maler zu suchen haben und
wird das Sulbach wohl der Weiler Sulpach
in der Gemeinde Baindt oder (Vorder-)S o lb ach
in der Gemeinde Eschach oder (Hinter-)Solbach
in der Gemeinde Grünkraut sein? -ck.
Stuttgart, Buchdruckerei der Akt.-Ges. „Deutsches AolkSblatt".