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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0044

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28

Korrespondenzen.

5 Weimar, Ende Januar. (Permanente Kunst-
ausstellung.) Indem ich Ihnen zum ersten Male über
hiesige Kunstzustände berichte, muß ich bemerken, daß es
gerade im jetzigen Augenblicke ziemlich still im Bereich der
Kunst hergeht. Auch die „Permanente Kunstausstellung"
hat in diesem Momente wenig Neues gebracht, so daß Sie
sich nicht wundern dürfen, wenn mein Bericht ebenso^mager
und öde erscheint wie die Ausstellungsräume, I Dennoch
giebt es einige bcmcrkenswcrthe Bilder darin. „Erasmus
von Rotterdam in Frobens Druckerei in Basel", Oelbild
von James Marshal, einem jungen in Antwerpen ge-
bildeten Maler, der jetzt hier lebt, ist in der Weise der
alten Niederländer gemalt und macht bei glänzender saf-
tiger Färbung und korrekter Zeichnung, wobei sich kecke
Pinselführung verräth, einen recht angenehmen Eindruck.
Die Köpfe der beiden Alten sind voll Leben, doch stört
die Lichtvertheilung an der Nase des Erasmus. — We-
niger gut ist ein kleineres Bild von demselben, „eine silberne
Hochzeit". Der Beschauer fragt sich, wo die Hochzeit ist,
wenn er einen Mann mit ergrautem Haupte einen Blumen-
strauß in der Hand gleichgültig vor einem weiblichen Bild-
niß stehen sieht, welches über cineni aufgekramten Schranke
hängt. Zerstreut umherliegende Kleidungsstücke können
auch nicht dazu beitragen, die „silberne Hochzeit" zu er-
rathen^s— „Ulrich von Hutten wird von Zwingli nach
Ufenau gebracht", von Martersteig ließe sich als Illu-
stration in einer Beschreibung von Huttens Leben bei
einer solchen Auffassung und Behandlung mit in den Kauf
nehmen; als Staffeleigemälde macht es aber mehr Ansprüche
als es Gehalt hat. — Drei größere Zeichnungen (Cartons)
von demselben Künstler bringen Schilderungen aus dem
Leben Savonarola's: „Savonarola predigt im Klostergarten
zu St. Marco in Florenz", „Letzte Unterredung vor der
Hinrichtung zwischen Savonarola und seinen Leidensgefährten
Domenico da Pcscia und Silvestro Maruffi im großen
Rathhaussaal zu Florenz" und „Savonarola verweigert
Lorenzo von Medicis die Absolution". Die zuletzt ge-
nannte Zeichnung ist voll Wahrheit und ernster Wirkung,
schön gruppirt und sorgfältig in der Behandlung. We-
niger gut ist schon die „letzte Unterredung", auch sieht man
keinen großen Rathhaussaal, sondern nur den Winkel eines
kleinen mit dürftigen verschrumpften gothischen Fenstern.
Die „Predigt" hat nur wenig Schönes und dieses allein
in der Gesammtanordnung, sonst zeigt sich eine so flüchtige,
zum Theil rohe Behandlung, die ebenso anspruchsvoll ist,
als sie Häßliches giebt. —

Unter den Landschaften erwähne ich zunächst die
von Nießeu: „Aus der römischen Campagna", „Insel im
adriatischcu Meer", „Sonnenuntergang im Sabinergebirge",
„Mondesaufgang bei Arricia" und „Aus Val Mugnone
bei Florenz". Sic sind sehr glücklich in der Färbung und
Wiedergabe der Gesammtwirkung, wenn auch hier und
da ein wenig Uebertreibuna unterläuft. Schlimmer ist,
daß außerdem eine theilweise flache Behandlung auftritt,
die unbefriedigt läßt. — Ein „Studienkopf" von demselben
zeigt eine schöne Zeichnung, scclenvollen Ausdruck und
prächtige tiefe Färbung, erinnert aber weniger an die
Venezianer, denen Nicßcn sonst folgt. — Das alte Thor
in Wisby, Gothland, Schweden" von Graf Rosen ist
eine entsprechende, in gewandter Technik ausgeführte Aqua-
relle, die durch eine lebendige Staffage (Jagdauszug) noch
Leben gewinnt. Daneben eine „Studie, neapolitanische
Pifferari", von demselben. Eine „Klosterruine in Wisby"
von eben demselben bleibt weit hinter dem erstgenannten
Bilde zurück. —

Außerdem sind zahlreiche photographische Nachbildungen
der Gemälde und Zeichnungen von G u f f e n s, v a n S w c rt s,
Kaulbach, Pilot! u. a. ausgestellt; auch zwei Bildner-
wcrke: Gypsstatuctte nach Rietsch el's „Kolossalstatuc des
Luther" vonDonndorf. Kraft und Muth durch Gottes-

glauben prägen sich darin in bemerkbarer Weise aus; daß
der Sckmler dem Lehrer im Nachbilde keine Schande machen
würde, war zn erwarten. — Das Modell eines „Fischerkna-
ben" von Tannrath aus Weimar, jetzt in Berlin, ist eine
liebliche schön bewegte Knabengestalt, die mit Aufmerk-
samkeit den günstigen Zeitpunkt abwartet, das Netz nach
den durch Flötenspiel gelockten Fischen auszuwerfen.

t München, Mitte Januar. (Ausstellung des
Kunstvereins.) Nachdem Ihr Referent das Vcrzeichniß
der seit 8 Wochen im Kunstverein zur Ausstellung gekom-
menen Kunstwerke überblickt, beschleicht ihn das unbehag-
liche Gefühl, daß er auch beim besten Willen, dem ein-
zelnen gerecht zu werden, vielseitig Anstoß erregen werde.
Ist schon der bezeichnete Zeitraum ein ziemlich bedeutender,
so wird ihm das Geschäft der Kritik noch überdies durch
den Andrang der Aussteller wesentlich erschwert, welcher
die letzte Zeit vor dem Abschluß des Vercinsjahres kenn-
zeichnet und der sich dann noch mehr zn steigern pflegt,
wenn die Bereinsbehörden noch über größere Summen
für den Zweck des Ankaufs zu verfügen haben. Ich muß
mich deshalb heute thunlichster Kürze befleißen und oft da
mit einer bloßen Erwähnung begnügen, wo ich gern nä-
her cingegangen wäre.

Von den historischen Gemälden wurde Muhr's „Hiob
und seine Freunde" bereits von einem andern Mitarbeiter
in diesen Blättern unter Hinweisung auf das ungewöhn-
liche Verdienst dieses ausgezeichneten Werkes für die histo-
rische Kunst der Gegenwart besprochen. Ich darf mich
somit darauf beschränken, jenem llrthcile in seinem vollen
Umfange beizutreten. — Berdelle's „Jahreszeiten", vier
Gemälde mit lebensgroßen allegorischen Figuren, haben
viel von sich sprechen machen. Erinnert auch die Auffassung
ziemlich an jene Periode der Kunst, welche man mit dem
Ausdruck „Zopf" zn charakterisiren pflegt, läßt auch die
Zeichnung in Einzelheiten Manches zu wünschen übrig,
stößt man auch hie und da ans unleugbar Unschönes —
ich erinnere nur an die Draperie des „Winters" — so wäre
es doch im höchsten Grade ungerecht, zu verkennen, daß ein
edles Streben aus diesen Kompositionen spricht, daß einzelne
Gruppen, so namentlich „der Winter", mit dem feinsten
Sinne für Sckönheit der Linien aufgebaut sind, aber auch
in Beziehung auf Farbe Treffliches geleistet ist.

Im Gebiet des Genre begegnen wir einem Meister-
werke L- v. Hagn's, „die Toilette, einem Kabinetsbildchcn
ersten Ranges; anspruchslos in der Komposition, schlagend
in der Wirkung, wunderbar fein in der Farbe. Es zeigt
uns, was im kleinsten Raume und mit den scheinbar ein-
fachsten Mitteln ein wahrer Künstler zu schaffen vermag.
— R. S- Zimmermann brachte in seinen „Neckereien"
einen Bauernburschen, der bei seinem ersten unglücklichen
Rasir-Versuche von Mädchen belauscht wird. Hier wie
in seinem „Italienischen Knaben" freuen wir uns der schö-
nen Farbe und des delikaten Vortrags dieses trefflichen
Künstlers. — Neureuth er, der geistreiche Illustrator der
deutschen Dichter, hat sich Uhland's „Bauernregel" zum
Vorwurfe erkoren und die Naivetät des reizendes Ge-
dichts reizend wiedergegeben; er dichtete in Formen und
Farben, wie jener in Worten. In derselben Weise be-
handelte er G. Heine's „Im Mai." — Den „Mittag in der
Erndte" von Theod. Schütz habe ich bereits früher ge-
legentlich meiner Atelier-Wanderungen, wenn auch nur
kurz, besprochen. Ich möchte mein Urtheil über dieses an
Figuren und Sachen überreiche Bild in den Worten zu-
sammenfasscn, daß man vor demselben den Menschen Schütz
lieber gewinnt als den Künstler. Man freut sich der in-
nigen Liebe, mit der sein Herz an jedem Apfel, Blatt
und GräSchen, als an dem Werke seines gütigen Schöpfers,
hängt, aber man wünscht, daß der Künstler sich dazu hätte
entschließen können, Nebensachen unterzuordnen, und den
 
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