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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0043

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27

Will also der genannte Verein Großes und Nationales
schaffen und wirken, so sei er vor Allem selbst durchdrungen
von einem freien nationalen Genius, der in der künst-
lerischen Verherrlichung des Volkes und seiner Geschichte
seine wahre Aufgabe erkennt, und strebe rücksichts- und
voruriheilslos danach, durch die künstlerische sichtbare
Darstellung der Idee ihr beglückendes Reich immer weiter
auszubreiten.

Diese Zwecke wird der Verein weiter erreichen, also
die Historienmalerei in Deutschland fördern, nicht nur durch
öftere Versammlungen in verschiedenen Großstädten Deutsch-
lands, um so das Interesse und die Sachkenntniß selbst
immer weiter auszubreiten, immer allgemeinere Theil-
nahme zu erwecken und immer mehr Mitglieder heranzu-
zicben, sondern auch dadurch, daß er sich bestrebe, durch die
Presse den Kunstsinn im Allgemeinen zu erwecken, wach
zu erhalten und ans das Höhere, Ideelle hinzulenken. Die
Versammlungen des deutschen historischen Kunstvereins
müßten sich zu der Bedeutung aufschwingcn etwa wie die
Versammlungen der Naturforscher in Deutschland und wie
die politischen Meetings in England. Die Angelegenheit
des deutschen historischen Kunstvereines muß daher eine
allgemeine nationale werden und der freien Kritik und
Diskussion in Rede und Schrift vollen Spielraum lassen.

Was die durch den Verein hcrvorzurnfcnden Werke
betrifft, so muß er seine Aufmerksamkeit hauptsächlich auf
solche Darstellungen richten, in denen an dem wahrhaft
Epischen und Ethischen festgehalten wird, mithin also eines-
theils das Kulturhistorische, anderntheils die universale und
rationelle Bedeutung des Nationalen, Germanischen, Volks-
thümlichen den Ausschlag giebt. Es versteht sich ferner
von selbst, daß alle und jede Vorwürfe ausgeschlossen bleiben,
die nicht an sich weltgeschichtlich und zugleich künstlerisch
„historisch" bedeutsam, also auch historisch episch sind. So
muß die Kritik einen „Kaiser Rudolph, der nach Speyer
zum Sterben reitet" geradehin als einen Unsinn bezeichnen,
da hierbei alle jene absolut nothwcudigen Momente und
Bedingungen vollständig verläugnet werden. In diesem
Vorwurfe ist platterdings nichts „Historisches" in der kul-
turgeschichtlichen wie in der künstlerischen Bedeutung des
Worts, nichts nationcll und volksthümlich Erhabenes und
Erhebendes. Wenn der Verein fernerhin solche abge-
schmackte Vorwürfe erwählt, vielleicht durch eine lächerliche
Künstlerlaune dazu veranlaßt, so wird er sich sehr bald
in Mißkredit bringen und die Theilnehmer verscheuchen.
Ueberhaupt, wir wiederholen es aus vollster Ueberzeugung,
wird die ganze Sache nicht in der von uns klar, frei und
ehrlich auseinandergesetztcn Art aufgefaßt, gehandhabt und
durchgeführt, so prophezeien wir dem ganzen Verein ein
baldiges Ende. Versteht man nicht, diese ganze hochwich-
tige Sache, eine Ehrensache der deutschen Kunst und des
deutschen Volkes, in ihrer wahren rationellen und univer-
sellen, in ihrer ethischen und volksthümlichen Bedeutung
aufzufasseu und kraft dieser Auffassung zu leiten und durch-
zuführen, so ist sie, wie so Vieles in Deutschland, ein
todtgebornes Kind. Sagte doch Gras Baudissin selbst:
„Von dem heute zu fassenden Beschlüsse hängt das, Fort-

bestehen und Gedeihen unseres Vereines ab." — Derglei-
chen Aeußerungen sind immer schon höchst ominös und
tragen den Todeskcim des Zweifels in sich.

ES ist also nothwendig, daß man bei und in einem
„Verein zur Hebung und Förderung der deutschen histo-
riscken Kunst" alle lokalen, privaten, gouvernementalen
oder irgendwie partikularistischen Interessen fallen lasse,
da sie nur hindernd wirken können; nothwendig ist es, daß
man jede Spaltung unter sich in Künstler und Nichtkünst-
ler, in Kunstgelehrte uud Kunstfreunde vermeide, daß Alle
vielmehr als Deutsche wie als Kunstjünger, welche
der Idee des Schönen huldigen, durch diese Idee und
durch ihr germanisches Bewußtsein zu einem geschlossenen,
lebendigen, sich stets verjüngenden Ganzen sich vereinigen;
nothwendig ist cs, daß man die ganze gebildete deutsche
Welt für das schöne, große, deutsche Werk begeistere in
Rede und Schrift, durch öffentliche Versammlungen wie
durch öffentliche Ausstellungen der bereits erworbenen, auf
Geheiß uud Kosten des Vereins ansgeführten Gemälde;
nothwendig ist es vor Allem, daß man Männer an die
Spitze des ganzen Unternehmens aus freier Wahl er-
wähle, die von einer freien, deutschen, nationellen
Gesinnung beseelt, von der Klarheit und Macht der Idee
des Schönen durchdrungen sind und den Freimnth und
die Energie besitzen, welche erforderlich sind, um dieser
Idee und Gesinnung Gestalt zu geben.

Es ist hier nicht der Ort, Statuten für einen solchen
Verein zu geben, der durchaus ein solcher sein muß, wenn
er so, d. h. Tüchtiges, Bleibendes, Großes, Deutsches, Uni-
verselles, wirken soll und will, noch auf alle einzelucn Mo-
dalitäten einzugehen, die Ausstellungen, ein zu gründendes
„historisches Museum" u. s. f. betreffend. Vor Allem ist
eine freie, wahrhaft kritische Aussprache nöthig und die
Beschaffung recht reicher Mittel, an denen es die Deut-
schen nicht werden fehlen lassen, wenn die Sache erst ~
deutsch gemeint.und zur Ehre deutscher Kunst betrieben
wird; vollkommen überflüssig, ist eS aber, nach allem Ge-
sagten noch auscinandcrsctzen zu wollen, wie mächtig ein
solcher Verein zur Hebung der Historienmalerei in Deutsch-
land beitragen und welche großen und mannigfachen Bor-
thcilc die gcsammte Kunst- und Künstlerwelt aus einem
solchen Unternehmen ziehen würde."

Dies also sind Ansichten, wie sic im Jahre 1850 mit
Beziehung auf die „Verbindung" durch „die Dioskuren" aus-
gesprochen wurden. Man wird uns also nicht den Vorwurf
machen können, daß wir von vorn herein feindlich gegen die
„Verbindung" als solche aufgetreten sind oder daß wir uns
auch nur wenig dafür intcrcssirt hätten. Wo ein Interesse,
wie es sich für die höchste» Zwecke und Aufgaben der Kunst
in den obigen Worten bekundet, nicht mit dem Interesse
harmonirt, das man für eine Verbindung hegt, welches
jene Zwecke zu realisiren sich vorgesctzt, so dürfte der Vor-
wurf schwerlich auf Seite derjenigen fallen, welche für jene
hohen und wahren Zwecke der Kunst im edelsten Sinne
des Worts begeistert sind, sondern auf Seite der Ver-
bindung, die zur Realisation derselben sich als unfähig
gezeigt hat. (Fortsetzung folgt.)
 
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