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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0095

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Maaße gemessen, bleiben die Gemälde — wir sprechen
cS unbedenklich und unbedingt aus — zum größten Theil
unterhalb ihrer Aufgabe. Es ist nicht unsere Absicht, hier
in eine detaillirte Beschreibung ciuzugeheu, die den Cha-
rakter der Darstellung doch nicht anschaulich machen kann,
sondern bemerke» nur, daß das Portrait der Königin in
Rücksicht auf königliche Haltung nnd schöne Malerei das
bedeutendere von beiden ist; obgleich es uns auch wieder
unbegreiflich scheint, wie Winterhalter bei der entschieden
hervortretenden Tendenz, die hohe Frau jünger darzustelle»
alS sic ist — beiläufig eine wenig Takt beweisende Schmei-
chelei, da eine Königin kein Alter wie eine andere Frau hat
— doch wieder in kleinliche Natnrnachahmnng von Zu-
fälligkeiten der Haut u. s. f. gerathen konnte, die der
„Königin" gegenüber als abgeschmackt nnd nnkünstlcrisch
bezeichnet werden muß. — Noch viel weniger ist die Dar-
stellung des Königs gelungen zu nennen. Natürliche Würde
nnd Hoheit erscheint hier aus dem Bilde als Steifheit,
welche besonders durch die Bewegungslosigkeit des rechten
Arms, der sich mit dem Koniinandostab aus den Tisch
stützt, im Verein mit den faltcnloscn Beinkleidern bewirkt
wird. Die Blicke beider Portraits sind nnstät, die des

Königs namentlich etwas bllnzend nnd spitzig in der Auf-
fassung. Die Mvdellirung ist sehr flach, daö Inkarnat
todt, ja beim Portrait des Königs fast an's Lehmige
streifend. Beiden fehlt überhaupt die eigentliche persön-
liche Lebendigkeit. Wenn man neben diese beiden, in
Rücksicht ans Arrangement sehr gewandten und pracht-
voll durchgeführten Portraits, ein paar bescheidene Por-
traits eines alten guten Italieners, z. B. einen Senator
von Tizian oder Tintoretto stellte, wie würde die
ganze Pracht Winterhalters in Nichts zerfallen, nämlich
es würden nur die Stoffe nnd die lokalen Umgebungen
übrig bleiben. Denn das eben ist das wahrhaft Große
an den Bildnissen der alten Meister, daß man bei ihnen
nur die persönliche Charakteristik, das Antlitz nnd die
Haltung der Figur, in ihrer ganz konkreten und doch so
künstlerisch bedeutungsvollen Wahrheit erblickt nnd erst,
wenn man sich hieran gesättigt, zur Erkcnntniß der Mei-
sterschaft gelangt, mit welcher sie die Stoffe und alles
Uebrige behandelten. Bei Winterhalter ist es grade umge-
kehrt. Man bewundert das Exterieur aber von Innen
dringt nichts heraus, weil er nichts hincinznlegen ver-
standen hat. * M. Sr.

Kunstgeschichte und Antiquitäten.

Aeber Winckelmann

wurde in dem Cyklns des sogenannte» „Wiffenschaftlichen Vereins"
vom Prof. Dr. Friederichs ein Bortrag gehalten, der nach
den vorliegenden Berichten viel Interessantes darbot. Wir ent-
nehmen daher denselben Folgendes:

Winckelmann, der Verfasser der Kunstgeschichte, so begann
der Redner, steht am Anfänge einer neuen kulturgeschichtlichen
Entwicklung. Das Streben nach lebendiger Aneignung des klas-
sischen Geistes, das Goethe, Lcssing, Thorwaldsen und Schinkel
theilen, findet in ihm den ersten Ausdruck. Die mit ihm be-
ginnende Geistesrichtung ist ein zweites Wiederaufleben des Alter-
thums, wesentlich verschieden von dem ersten zur Reformations-
zeit. Denn damals beschäftigte man sich, in Deutschland wenigstens
nur mit Sprache und Literatur, durch Winckelmann aber kam
in erster Linie die Kunst wieder zur Geltung. Dadurch wird
daö Studium des Alterthums allscitiger und auch für Nichtge-
lchrtc zugänglicher, zugleich wird cs durch die Anschauung der
Kunstwerke lebendiger. Das bloße Bllcherstudium gericth leicht
in Gefahr, zu verknöchern und trocken zu werden. So erging
cs dem klassischen Studium der Resormationszcit. Die Schuld
davon lag aber nicht allein in der gedachten Beschränkung, sondern
in der damaligen Auffassung des Alterthums überhaupt. Die
Deutschen hatten von den Italienern die Reproduktion der klas-
sischen Form als Bildungsideal überkommen. Sie gingen aber
weiter und machten die klassischen Studien dem Verständniß der
Bibel dienstbar. Es kam daher damals nicht auf selbstständige
umfassende Erforschung des Alterthums, seines Denkens und
Lebens, sondern nur auf fornicllen Gewinn, auf Fertigkeit in
den Sprachen au. Daher wollte Luther des Aristoteles Ethik
und Metaphysik von der Universität verbannen, Rhetorik, Poetik
und Logik dagegen zur Uebuug im guten Reden und Predigen
beibehalten. Bei dem zweiten Aufleben des Alterthums vertiefte
man sich in die Sache. Während die klassische Philologie der
Reformation eine jetzt vergessene, meist ungünstig beurtheilte
lateinische Poesie zur Folge hatte, entstand aus der mit Winckel-
manu begonnenen Richtung ein Werk wie Gocthe's Jphigenia.
Der Redner bemerkte, daß diese neue Richtung einen Bruch
zwischen klassischer, humanistischer Bildung und Christenthum
veranlaßt habe, der noch jetzt nicht ganz wieder geheilt ist. Die
Hauptträger der klassischen Studien der Reformation seien po-
sitive Christen gewesen, die tonaugcbcndcu Meister der zweiten
Periode dagegen nicht, ein Umstand, der auch für Winckelmann
von Bedeutung sei. Hr. F. glaubte aber nicht, hieraus auf einen
prineipiellen Gegensatz zwischen humanistischer Bildung nnd Chri-
stenthnm schließen zu solle», sondern wandte hier den aus der
Kulturgeschichte abgeleiteten Satz eines berühmten Pädagogen
an, daß jedes neue Bildungsideal mit einseitiger Schärfe ver-
folgt zu werden pflege, bis später eine Reaktion eintrilt Im
Leben der Völker treten wie in dem des Einzelnen solche Zeiten
einseitiger Begeisterung ein, denen die Ausgleichung des Alten
und Neuen folgt. — Winckelmann stand ganz allein. Die Wissen-

schaft und Kunst seiner Zeit konnte ihn nur abstoßeu: noch weniger
förderten ihn die ungünstigen Privatverhältnisse, in denen er mehr
als dreißig Jahre lebte. Arm geborn, ward er Elementarlehrer,
dann Bibliothekar, Mit dem Gegenstände seines Sehnens, der
griechischen Literatur, konnte er sich nur zur Nachtzeit beschäftigen.
Es fehlten ihm äußere Hülfsmittcl und belebender Umgang.
Daß er trotzdem nicht verkümmerte, zeugt für seine lebendige,
unverwüstliche angcborne Kraft. Diese harte Schule scheint traurig,
aber für die Lösung seiner Aufgaben war die vorherige eingehende
Beschäftigung mit der antiken Poesie eine sehr wichtige Vorbe-
reitung. Zum vollen Verständniß der Kunst ist eine genaue Äennt-
uiß der alten Dichtung erforderlich, die uns ohnehin leichter zu
gänzlich ist als jene. Ohne dieses eifrig betriebene Studiuui
hätte Winckelmann nicht ein Reformator der Alterthnmswissen-
schast werden können. Der Uebergäng von der Literatur zur
Kunst war innerlich in seiner Natur begründet. Die äußere
Veranlassung war allerdings der Aufenthalt beim Grafen Bünau
zu Röthenitz in der Nähe Dresdens. Die Dresdener Sammlung
war damals die einzige Antikcnsamnilmig Deutschlands. Aber
schon in Winckelmann's Jugend zeigen sich charakteristische Züge
des Triebes nach lebendiger Anschauung. Als Knabe soll er in
seiner Vaterstadt Stendal nach Altcrthümetn, Urnen n. dgl. ge-
sucht haben. Als er den Herodot las, dachte er an eine ägyptische
Reise, nnd um den Schauplatz von Cäsars gallischen Kriegen
kennen zu lernen, unternahm er eine Reise nach Frankreich, mußte
aber ans halbem Wege wieder nmkchrcn. Dieser Trieb fand die
erste Befriedigung in Dresden. Winckelmann übersicdclte dorthin
ganz nnd lebte dort der Kunst, nicht nur als Gelehrter, sondern
suchte sie durch eigenes Zeichnen nnd Umgang mit Künstler»,
besonders mit Oeser, Goethe's Lehrer, genauer zu verstehen.
Hier entstand seine erste Schrift: Gedanke» über die Nachahmung
der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst, in
welcher bereits die Keime der Grundanschannngen seiner Kunst-
geschichte enthalten sind. Er verlangte, daß die Künstler nicht
nur die Natur, sondern die Alten nachahmen sollten in der edlen
Einfalt nnd stillen Größe ihrer Kunst. Von diesem Satz ging
Lessing in Laokovn ans nnd suchte ihn als im Wesen der bilden
den Kunst begründet zu erreichen. Das Beispiel Laokoons ist
freilich nicht richtig gewählt, dieser seufzt nicht, wie Winckelmann
nnd Lessing meinen, sondern schreit und muß schreie», er gehört
aber auch nicht zur höchsten Blüthe der griechischen Kunst, sür
welche Winckejmann's Bestimmung völlig richtig ist. Diese Erst
lingsschrift that ans dem Gebiete der Kunst dasselbe, was Lessing
in der Poesie, und ihre Theorie ward praktisch in der folgenden
Plastik, vor Allem in Thorwaldsen. — Dresden konnte aber einen
Mann, wie Winckelmann, nicht dauernd befriedigen. Die Dres
dener Sammlung ist in Deujschland die dritte (die ersten beide»
Stellen nehmen die Münchener Glyptothek nnd die hiesige königl.
Sammlung ein). Winckelmann ward mächtiger nach dem eigcnt
lichen Centrnm der alten Kunst, nach Rom, getrieben. Eine Reise
 
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