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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0213

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Tand verschmähend, mit bescheidenen Mitteln innerlich
Bedeutendes zu schaffen weiß. —

b Nürnberg, Mitte Juni. (Künstler-Maifest.)
Gegen Ende August feiert unsere hiesige Kunstschule ihr
zweihunderjähriges Stiftungsfest. Von Sandrart in
Verbindung mehrerer thätiger Gönner und Künstler in's
Leben gerufen, ist sie die erste und älteste Kunstschule und
Akademie nach neuerem Muster, seitdem die Mcisterschulen
anfgehört. Diesem noch bevorstehenden Fest ging eine
wirklich herrliche Frühlingsfeier der hiesigen Künstlerschaft
voraus — ein sinnig und großartig arrangirtes Maisest
ans den romantischen Vorhügeln des Schmausenbucks. Der
ältere Künstler-Verein und der jüngere (genannt Künstler-
klause) hatten sich mit warmer Opferbereitwilligkcit zur
Ausführung dieses Festes vereinigt, und unsere Bevölke-
rung, deren Elite beim Feste sich einfand, nahm so einge-
henden und fröhlichen Antheil daran, daß sich dasselbe gegen
Ende zu einem wahrhaften, begeisterten Volksfeste gestaltete,
zu dem die. alte Nvris, das nahe Erlangen, Fürth, Herz-
bruck und alle umliegenden Ortschaften ihre Theilnahme
sendeten, wohl über 10,000 in Allein.

Am Geburtstage Dürer's, den 21. Mai, mußte das
Fest wegen ungünstiger Witterung, nach Abhaltung der
Gedächtnißseier am Grabe des Altmeisters deutscher Kunst,
auf den nächsten Tag (Donnerstag) verlegt werden.. Mor-
gens 6 Uhr begann die Maifeier in kürzester Weise mit
doppelter Fahnenweihe vor Dürer's Standbild, nahe der
St SebalduSkirche, mit Musik- und Sängerchor. Die
Fahnen nach F. Wanderer's Idee und Skizze von
C. Jaeger, Hüger, Scheffer und Barth in Bild
und Ornament ausgeführt, zeigen den „Jungen Dürer,
studirend in Meister Mich. Wohlgemuths Werstätte" für
den jüngeren, und „Dürer als ruhmreichen, von Heimath
und Fremde geehrten Künstler" für den älteren Verein.
Wahrlich für Nürnbergs Künstler der edelste Fahnenschmuck;
was auch der von Priem gedichtete Fahnenweihespruch
glänzend emporhob.

Durch's Vestuerthor in reichem, von Gedränge umge-
benem Zuge verfügten sich von da unsere Künstler bei klin-
gendem Spiel nach dein Versammmlungspnnkte außerhalb
des Läuferthores (dem Hirschengarten). Dort paradirte,
von der plötzlich siegreich ans den Wolken tretenden Mai-
sonne mit überraschendem Effekt beleuchtet, ein Zug Lands-
knechte, die Stadtwache zu Dürer's Zeit darstellend, und
übernahm den Schutz der Paniere, die sein Bild ziert,
„sie, die einst sein Haus beschützt und vor ihm paradirt,
als ihn der Kaiser Max geziert", wie der Rottmeister der
Wache antwortete, als ihm der Fahnenredner die Paniere
übergab. — Herrlich und wahrhaft pompös war der Ein-
zug in den Wald unter Böllerknall und den Klängen des
Landsknechts-Marsches aus Gounod's „Faust", den die volle
Regimentsmusik des 14. Jnf.-Reg. spielte, besonders nach
der Maipredigt, durch welche ein mürrischer, verwunschener
Waldmann die Festgäste vor den Ränken der zauber-
reichen Wald fee warnen und abhalten wollte, weiter
in den Wald einzudringen (in dem schon mancher alte Mei-
ster Nürnbergs derart von der Zauberfrau (koösia) be-
hext worden, daß man es noch an seinen Werken verspü-
ren kann), als der Zug durch das großartige Festthor mit
kolossalen plastischen Schildträgern und Malereien von
einer wohl neun Fuß im Durchmesser breiten, von Schlei-
fen umschlungenen Blnmenkuppcl zwischen zwei stolzen
Eichen überwölbt, jauchzend den Festplatz betrat.

Der Festplatz, ein hügeliger, von Laub- und Nadel-
bäumen beschatteter Abhang des Schmausenbucks gegen
Norden, mit der schönsten Aussicht auf die Stadt und
das Pegnitzthal in weitem Umkreise, war allen Ankommen-
den lauge ein Gegenstand der Ueberraschung. Wahl und
Schmuck derselben bewährte den seinen Blick der Künstler,
denn die herrliche Stelle, obgleich nur eine Stunde von
der Stadt entlegen, war ans dem stark besuchten Bergnü-

gungsplatze in ihrer abgeschlossenen Lage fast allen neu.
Da erhob sich im Hintergründe ein kühner Fels, dessen
kein Forstmann früher sich erinnern konnte, — derselbe
war mit versteckter Hohle mitten in den Naturfelsen vom
Maler Köhler, (dem schon manche Woche romantisch hier
hausenden Waldmann) zum Zwecke der Festspiel-Bühne
auf das täuschendste aufgebaut worden. Das Centrum
des Platzes war eine große Fichte, zur Fahnenburg mit
einem ihrer schönen Krone angefügten Schilderkranze der
deutschen Volksstämme und hoch darüber hinwehenden deut-
schen Bannern, umgewandelt und mit einer bekränzten Tri-
büne umgeben. Um dieselbe lief ein weiter Ring von
Kränzen, Gehängen, Fahnen und zeltartig geschlungenen
Schleifen mit den lustigsten Schildereien und Inschriften,
mit trefflichen humoristischen Bildern vom Herrn Kupfer-
stecher Raab, den Malern Hösch, Rud. Geißler und
Wanderer reich ausgestattet. Schon auf dem Wald-
wege hatten komische Wegweiser, verkappte Waldthiere
und Kobolde, an den Kreuzwegen die drolligste Auskunft ge-
bend, vie Ankommenden zum Platze gewiesen und in die
heiterste Laune versetzt. Gegen Süden erhob sich auf dem
höchsten Punkte der Platz für die Ehrengäste, auf welchem
Direktor Wilhelm von Kaulbach an der Seite seines
Schwiegersohnes A. Kreling, des Direktors der hie-
sigen Kunstschule, mit dem Regierungsrath und königl.
Stadtkommissar von Schrodt, beiden Bürgermeistern der
Stadt und andern hohen Ehrengästen aller hiesigen Be-
hörden Platz nahmen. Die Menge erlustigte und labte sich
au den vielen Wirthschaftsbuben rings um den abgeschlosse-
nen Abhängen, um welche eine wackere Turnerschaar strenge
Wache hielt. . Lustig fiedelnde kostümirte Musikbanden, wie
dem Bilde eines Ostade entnommen, zogen umher, und
verschiedene Erscheinungen und Intermezzos erheiterten die
gehobene Feststimmung; worauf mitten unter den besten
Musikstücken des vollen Orchesters und Sängerchören des
Liederkranzes die Toaste auf König Max und König Lud-
wig von den Vorständen der beiden Vereine Lor. Ritter
und Jak. Wüger ausgebracht wurden, welche die immer
mehr durch die in langen Wagenreihen heranbraufenden
Bahnzüge wachsende Theilnehmer-Menge tausenstimmig
erwiederte.

Um 4 Uhr begann das vom Maler I. Obwexer ge-
dichtete Festspiel, „die Waldfee" betitelt, dessen Idee schon
durch die Maipredigt des verbannten Waldmanns einge-
leitet wurde, mit der Ouvertüre zum „Oberon" von C. M.
v. Weber und einem vom Musikdirektor Grobe kompo-
nirten Künstlermaifestchor. In weitem Umkreise lagerte
sich die Zuschauermenge amphitheatralisch um die herrlich
gelegene, von Tannen und Eichen gekrönte Naturbühne
in malerischen Gruppenscenen. Der rauschendste Beifall
lohnte die Dichtung und das vortreffliche Spiel der Künst-
ler, welche von ausgezeichnet mitwirkenden Damen mit
dem feinsten Vortrag unterstützt wurden. Unbeschreiblich,
aber jedem unvergeßlich wird die Wirkung der Scene
bleiben, als zum Schlüsse des einaktigen Stückes der Felsen
sich theilte, die Feenkönigin mit Blnmenfee», Schmetterlin-
gen und andern Gefolgen in überraschender Farbenpracht
und Gruppirung ans goldenem Throne erschien und im
Zuge unter nicht endenwollendem stürmischem Beifall der
Tausende, den weiten Bühnenraum umwandelnd, in dem
Walde verschwand. — Der Dichter wurde mit Herrn
F. Wanderer und Oskar Scheffer, den Arrangeurs
und Kostümiers des Ganzen, wiederholt gerufen.

Nach dem Festspiele bestieg Herr Regierungsrath von
Schrodt mit dem ersten Bürgermeister, Herrn von Wäch-
ter, die schwindelnde Höhe der Gnomenburg auf der Spitze
des künstlichen Felsens und brachte den „Frauen", vor
allem den aus das trefflichste das Fest verherrlichenden
mitwirkenden Damen, ein begeistertes, von den Tausenden
der Theilnehmer rauschend wiederholtes dreimaliges Hoch,
worauf Herr v. Wächter einen Toast auf die „Kunst und
Künstler" ausbrachte.
 
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