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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0227

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211

Hannover. — Die dreizehnte Versammlung deuticher
Architekten und Ingenieure wird am 3., 4., 5. und 6.
September d. I. hieselbst stattfindeu. Unter den Fragen,
welche das hierorts konstituirte Lokal-Comitö in Vorschlag
bringt, befinden sich auch die: „Welches ist die zweck-
mäßigste innere Anordnung der protestantischen Kirche?"
und: „Welches ist der zeitige Stand der Erfahrungen
über die künstlichen Mittel zur Verlängerung der Dauer
des Holzes?"

München. — Die Glyptothek empfing endlich ihren
letzten monumentalen Schmuck. Vor Kurzem wurden die
beiden bisher noch nnausgefüllten Nischen an der Westseite
des Gebäudes mit Skulpturen ausgestattet. Dieselben
stellen Portraitstatuen des „Benvennto Cellini" und des
„Giovanni da Bologna" dar, das erstere Werk modellirt
von Brugg er, das letztere von Wid nm an n , und beide
nach den kleineren Modellen in Mamor ansgeführt von
Lossow.

— — Die thätige Kunstanstalt von Piloty und
Löhle Hierselbst, bekannt durch die Herausgabe des „Ko-
nigs-Ludwigs-Albums" und der „Pinakotheken", tritt setzt
wieder mit einem Unternehmen hervor, das große Auf-
merksamkeit verdient; wir meinen die Herausgabe von
„Ori gi n al-Photo graph ien b erüh mter G ein äld e

älterer und neuerer Meister." Unter den ersteren
finden sich Raphael, Rubens, van-Dyck, Albrecht
Dürer, Holbein, Murillo n. s. f., unter den letz-
teren Overbeck, Heß, Piloty, W. Kanlbach, Wil-
kie u. s. f. vertreten. Die vom königl. Hofphotographen
Albert im größten Kupferstichformat ansgeführten Blät-
ter zeichnen sich durch vorzügliche Klarheit und Schärfe
ans. Wir werden auf dieselben noch später in der be-
treffenden Rubrik zurückkommen.

London — Seit einigen Tagen sind stereoskopische
Ansichten einzelner Partieen des Gebäudes und Photo-
graphien im Bisttenkartcnsormat von verschiedenen Kunst-
gegenständen im Ausstellungsgebäude selbst zu kaufen;
unter ihnen die stereoskopische Aufnahme der „Venus" von
Gibson, des „Majolica-Springbrnnnens" von Minton,
des östlichen Domes und des Hauptschiffes, von der öst-
lichen Domkuppel aus gesehen. Unter den Photographien
kleinern Formats befinden sich mehrere der besten Statuen
aus der italienischen Abtheilung, eine Ansicht des Orche-
sters, wie es bei der Eröffnungsfeier war, der Anbau für
die Maschinen, die dem Auslande eingeräumte Hälfte des
Hauptschiffs und das wohlgetroffene Bildnis; des Kron-
prinzen von Preußen, sammt Portraits seines Gefolges,
das ihn bei der Eröffnungsfeier begleitet.

Kunst-Institute und Kunst-Vereine.

Zer Handelsvertrag mit Iranlircicij und die deutsche Kunst.

(V. Uebereinknnft wegen gegenseitigen Schutzes der Rechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst.)

Nachdem die öffentlichen Blätter eme Darstellung des all-
gemeinen Ganges der Debatte über den die Künstler betreffenden
Theil des Handelsvertrages in der Versammlung vom 19. d.
gebracht haben, erlaube ich mir eine eingehende Erörterung über
den Gegenstand und glaube mich um so mehr hierzu berechtigt,
als mit Ausnahme der allgemeinen Zeitung die übrigen Blätter
meine Ansichten nicht richtig wiedergegeben haben. Der von mir
gestellte Antrag enthielt doch wohl mehr als eine hohle Dekla-
mation gegen Frankreich; er stützte sich unmittelbar auf die Sti-
pulationen des Vertrages selbst. Vom kosmopolitischen Stand-
punkt, vom Gesichtspunkt der Parität aus habe ich den Vertrag
für unangreifbar erklärt, nicht aber vom „praktischen"; gerade
von diesem, der nichts anderes ist als die reale Seite des pa-
triotischen Standpunktes, ist mein Angriff ausgegangeu.
Auch war es meinen Gesinnungsgenossen, Prof. Wi dnmann
u. A., nicht um eine politische Agitation zu thun, wir dachten
nicht daran; wir suchten einen Protest zu Wege zu bringen in
unfern Kreisen gegen das Projekt eines Vertrages, der uns gear-
tet erschien, die Interessen des deutschen Künstlerstandes, ideelle
wie reelle, zu schädigen. Es war keine „germanisch-nationale
Demonstration" beabsichtigt, sondern der einfache Schritt einer
Eingabe des Lokal-Comitä's der Münchener Knnstgenossen an
das königliche bayerische Kultusministerium, wie deren in den
letzten Jahren mehrere gemacht worden waren.

Der dem großen Handelsvertrag angefllgte Entwurf (V. Ueber-
einkunft wegen gegenseitigen Schutzes der Rechte an literarischen
Erzeugnissen und Werken der Kunst) war bis zum Tage der Ge-
neral-Versammlung von der Masse der Künstler wenig beachtet
gewesen, seine Tragweite wurde unterschätzt und sein Inhalt viel-
fach verwechselt mit dem Princip eines Schutzes des gei-
stjigen Eigen thums, einer seit Jahren in den deutschen Kllnst-
lerkrersen viel belegten Frage, deren Lösung aber von dem Ver-
trage gar nicht oder nur mittelbar berührt wird.

Der Vertrag hat ungleich weiter gesteckte Ziele; er will seinem
Geiste nach zwischen Deutschland und Frankreich eine vollständige
Gleichberechtigung in Kunst und Literatur herbeisiihren, er läßt
alle bisherigen Schranken zwischen den beiden Nationen fallen,
er erklärt Germanen und Romanen für eine geistige Familie,
er proklamirt das goldene Zeitalter, eine etwas auffallende Pro-
klamation in diese» Tagen kolossaler Kriegsbereitschaft diesseits
und jenseits des Rheins! Der große Handelsvertrag huldigt noch
immer dem System der Schutzzölle, der Vertrag bezüglich Kunst
und Literatur aber ist der idealste Freihandel, den man sich den-
ken kann. Man nehme den Entwurf zur Hand (siehe außerord.

Beilage 115 der Allgem. Zeit.) und sehe, ob wir zu viel ge-
sagt haben.

Nach der Vorschrift des Art. 3 bedarf es nur eines ein-
fachen Eintrages in ein Register des Ministeriums
der geistlichen Angelegenheiten in Berlin, um jedes fran-
zösische Machwerk, sei es ein Buch, Bild, Kupferstich, Plastik oder
was immer, zu eincin deutschen Erzeugniß zu stempeln. Das in
Frankreich erzeugte Objekt wird in Folge des besagten Aktes bei
uns eingebürgert, es genießt den Schutz unserer Gesetze im voll-
sten Maaße, es ist in Deutschland emancipirt. Dieser
Artikel 3, der so harmlos zu lesen ist und nur wie
eingeschoben erscheint, ist in der That die Achse des
ganzen Vertrags und können wir seine Tragweite der
Untersuchung nicht genug empfehlen. Denn welcher Den-
kende, der die Sittengeschichte der beiden verflossenen Jahrhunderte,
der das dem Auslande nicht ungerne huldigende Naturell un-
serer Massen kennt, so wie den sinnlich verführerischen Reiz der
Pariser Erzeugnisse, welcher Denkende wird hierbei nicht mit Be-
sorgnissen erfüllt werden? Ferne ist es von uns, das Treffliche
abweisen zu wollen, was die französische Nation in Literatur
und Kunst auch uns zu Genuß und Unterricht geschaffen hat;
aber die Werke der David, Laroche, Vernct u. A. sind auch
ohne Staatsverträge znm Gemeingut der gebildeten Völker ge-
worden. Uebrigens ist ein unbedingter und ausschließlicher Einfluß
auch der besten französischen Vorbilder auf den deutschen Kunst-
jünger diesem in der Regel nicht zum Heile gewesen. Die ro-
manische Bildung bekömmt uns nicht gut, und es wäre deshalb
ein Familicnvcrtrag, wie der vorliegende, nur denkbar und wün-
schenswerth mit den stammverwandten Engländern.

Nicht gegen Frankreich, gegen die Korruption seiner
Hauptstadt erheben wir in der vorliegenden Sache unsere Stimme
— gegen ihre materialistische Propaganda, gegen ihre Geschmacks-
Erzeugnisse in absteigender Linie, gegen ihre Geburten zweiter,
dritter und letzter Gattung, gegen ihre äemi moncks-Künste, kurz
gegen die wuchernde Ueberreife der pariser Ccntralisalion,
deren specifischen Gifte nunmehr unter dem Schutze
unserer Gesetze förmlich bei uns eingeschleppt wer-
den sollen! Denn der germanischen Natur wird znm Gifte,
was für den Romanen nur ein gesteigerter Reiz ist. Ein indi-
rektes aber bezeichnendes Beispiel aus der Wirklichkeit. Die mei-
sten Franzosen machen das bekannte Pariser Studenteuleben ohne
besonderen Schaden durch; der Deutsche geht dort, ergiebt er
sich dem gleichen Genre, in der Regel zu Grunde an Leib und
Seele.
 
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