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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0230

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mehr überfluthen — wer die Bühnenstücke der demi-monde
liebte, konnte sie schon lange lesen. Unsre Kunstvereine
kaufen keine theuren pariser Bilder, daran ist gar nicht
zu denken. Auch bezweifeln wir, daß „die deutschen
Kupferstecher, Lithographen, Tylographen, kurz alle ver-
vielfältigenden Künstler den mit den Mitteln äußerer
Virtuosität reicher ausgestatteten französischen Künstlern
weichen müssen." Weshalb sollten die deutschen Kunst-
verleger die deutschen Künstler abschaffen, welche so Vor-
treffliches seit Jahren geleistet haben, ja, welche in Paris
selbst soviel arbeiten? denn gerade in diesen Zweigen sind
äußerst viele Deutsche in Paris beschäftigt. Für solche
Behauptungen, welche sich bestreben, dem Abschlüsse 'des
Handelsvertrages Hindernisse in den Weg zu legen, was
bekanntlich gerade in München so eifrig beabsichtigt wird,
sollten schlagendere Beweise, nicht allgemeine Vor-
aussetzungen, aufgestellt werden.

Nachschrift der Redaktion. Wir haben diesem Artikel
die Aufnahme nicht versagen wollen (obschon wir selbst
so unbedingt mit seinem Inhalte nicht übereinstimmen),
weil wir eine weitere und genauere Erörterung dieser
wichtigen Fragen zu veranlassen wünschen, als dies bisher
(in der mitgetheilten Denkschrift des Herrn Dietz) ge-
schehen ist. Es versteht sich daher von selbst, daß wir
jeder detaillirteren Erörterung von dieser Seite her gern
Raum gewähren werden.

ft Hamburg, Anfang Juli. (Erste Ankäufe für
die neue Kunsthalle). Man scheint jetzt ernstlich mit
der Ausführung des Projekts der neuen Kunsthalle vor-
angehen zu wollen. Daß bas große Bild Tisch bein's
„Tettenborns Einzug in Hamburg" schon früher angekauft
wurde, wird Ihnen wohl bekannt sein. Jetzt hat sich auch
ein würdiges Pendant dazu gefunden, welches auf der
Kunstausstellung große Anerkennung gefunden hat, nämlich
Prof. Rechlin's (aus Berlin) großes Historiengemälde
„Gefangennahme des Generals Vandamme in der Schlacht
bei Kulm und Vorführung desselben nebst den eroberten
Fahnen vor den Kaiser Alexander und den König Friedrich
Wilhelm III." Der Kunstverein, an dessen Spitze als Vor-
stand Dr. Schramm steht, hat, wie es heißt, für den
Ankauf seinerseits 800 Mark beigesteuert, den noch fehlen-
den größeren Theil der Kaufsumtne aufzubringen über-
nahmen einige Kunstfreunde, der preußische Generalkonsul
Stägemann und die Gebrüder Oswald, Söhne des
verstorbenen Generalkonsuls Oswald, indem sie aus eignen
Mitteln den Rest deckten und durch ein so bedeutendes
Opfer es ermöglichten, daß das Bild für Hamburg blei-
bend erhalten wurde. — Das Bild wurde ursprünglich auf
Bestellung des Kaisers Nicolaus von Rußland gemalt.
Der Auftrag erfolgte schon 1843 in Berlin, aber 1850
erst lieferte der Künstler sein umfangreiches Werk in Pe-
tersburg ab, wo es von dem erlauchten Besteller dermaaßen
antirussisch befunden ward, daß der Kaiser seinen Auftrag
kurz zurückzog, als sich der Maler weigerte, seinen trotzig
auftretenden Vandamme, die Hauptfigur der Gruppe, nach
den Anweisungen des Kaisers in einen demüthig zerknirschten
Gefangenen zu verwandeln. Der kaiserliche Machtspruch
aber, so günstig er im klebrigen über Rechlin's Leistung
lautete, war stark genug, um den Verkauf des Bildes auch
für Berlin zu vereiteln. Ein Versuch endlich, die Dar-
stellung in Newyork abzusetzen, scheiterte an der Ausdehnung
der Leinewand, 19 Fuß in der Breite, 13^ in der Höhe,
eine Größe, wie sie sich freilich nur für einen Palastschmuck
oder zur Aufnahme in eine öffentliche Galerie eignet. —
Die beiden Monarchen sind mit ihrem Gefolge zu Pferde,
Vandamme mit seinen Offizieren zu Fuß, die Schlacht
wälzt sich' schon, zur Verfolgung der Franzosen überge-
gangen, im Hintergründe fort. Die Gestalten der beiden
Monarchen sind allerdings etwas formell geratheu, die
Umgebung aber, in welcher sich auch der Kronprinz von
Preußen, der nachmalige König Friedrich Wilhelm IV.

zeigt, ist voller Leben, und in der Person Vandamme's
drückt sich nichts Anderes aus, als was vielmehr zur rechten
Verherrlichung des Sieges dient; der bittere Groll eines
niedergeworfenen, aber damit innerlich noch keiuesweges
vernichteten Gegners.

Schon vor sieben Jahren, als das Gemälde zum ersten
Mal hier ausgestellt war, wurde in einigen unserer älteren
Kunstfreunde der Gedanke augeregt, das Bild für die
Galerie Hamburg's zu erwerben, für dessen Geschichte ge-
rade die Männer, welche als die Hauptfiguren der Bilder
dargestellt sind, eine so tief eingreifende Bedeutung gehabt
haben. Des Künstlers eigener lebhafter Wunsch kam ihren
Gedanken entgegen; cs war ihm eine Hoffnung, dem aus
fürstlichen Palästen verbannten, schon so lange in der Welt
herumirreuden Werke, dem Kinde langjähriger Studien,
ans diesem freistaatlichen Boden ein dauerndes Asyl bereitet
zu sehen, und war er zur Verwirklichung dieser Idee selbst
zu Opfern bereit. Doch der damals nicht zu hebende
Mangel einer für die Aufstellung des Bildes geeigneten
Stätte machte den Plan leider unausführbar. Gegen-
wärtig endlich kann ihre Ausführung als gesichert betrachtet
werden. Der Bau einer Hamburgs würdigen Kunsthalle
ist beschlossen und mit ihr der Platz gewonnen, um auch
einem Bilde von solchen Dimensionen eine angemessene
Stelle zu geben.

Mau ist hier allgemein der Ansicht, daß eine vortheil-
haftere Chance für Erwerbung eines schönen großen Bildes
von einer gerade für Hamburg wichtigen historischen Be-
deutung und von anerkannt künstlerischem Werth kaum
sobald wiederkehreu dürfte. Um so mehr Dank und Aner-
kennung verdienen daher diejenigen Männer, welche aus
ebenso patriotischen Gefühl wie künstlerischem Interesse
der vaterstädtischen Kunsthalle den Besitz eines Bildes zu
sichern unternahmen, das selber der künstlerischen Betrach-
tung wie dem patriotischen Gefühl immer gleich willkom-
men sein wird.

# Paris, im Juli. (Die Ergänzung der Venus
von Milo). Dies bewunderungswürdige Bildwerk, der
Stolz des Museums im Louvre zu Paris, ist endlich voll-
ständig ergänzt worden. Was so viele Kunst-Kenner ver-
suchten, ist einem Kunst-Liebhaber aus England, dem Hrn.
Claudius Tarral, gelungen. Als leidenschaftlicher Verehrer
der Kunst und mit den erforderlichen Mitteln ausgerüstet,
hat er sich lange in Italien anfgehalten und lebt jetzt
für Kunst und Wissenschaft in Paris, wo er sich als ge-
wiegter Kunst-Kenner durch seine Briefe über den Katalog
des gedachten Museums als solchen bewährte, dessen Ur-
theile auch von den Betheiligten selbst anerkannt worden sind.

Einsender dieses hat, durch seine frühere Bekanntschaft
mit Herrn Tarral in Italien, den Vorzug gehabt, die von ihm
an seinem Gyps-Modcll der „Venus" selbst vorgenommene
Restauration zu sehen (er hat sich nämlich einen Abguß vom
Originale zu diesem Endzwecke selbst machen lassen) und
die klare und gründliche Erläuterung dieser wichtigen Ar-
beit durch ihn selbst zu hören. Hr. Tarral beendet eben
eine vollständige „Geschichte der Venus von Milo;" wir
können aber bereits jetzt schon die leitenden Gedanken
desselben in seinen Grundzügen mittheilen, welche von den
anerkanntesten Kunst-Kennern in Paris gebilligt werden.
Der gelehrte Konservator der Antiken des Louvre hat diese
Ergänzung der Venns für eine höchst wichtige Arbeit im
Gebiete der Kunst erklärt. Hr. Tarral ist durch die Be-
reitwilligkeit des Direktors der kaiserlichen Museen, des
Grafen v. Niewerkerke, in den Stand gesetzt worden, in
dessen Studio (Arbeits-Lokal) selbst sich aller Hülfsmittel
zu bedienen, und hält es für ein besonderes Glück, solche
Verwaltungsbeamten zu finden, wie die Herren Longperrier
und Niewerkerke, wogegen anderwärts^solche Herren bis-
weilen lieber ernste Studien auf ihrem Terrain verhindern.

Alle bisherigen Versuche, die Venus von Milo zu re-
stauriren, haben sich auf theoretischem Wege bewegt. Dies
 
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