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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0288

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272

wesentlich verschieden: Pils ist entschiedener Realist; bei
Uvon tritt bis zu einem gewissen Grade der Idealismus
zu Tage. Die imponirendsten aller Schlachtenbilder sind
von Jenem „die Landung der französischen Armee iu der
Krim" (aus dem Jahre 1857), und die „Schlacht an der
Alma" (aus dem Jahre 1861), eines der größten Bilder
der ganzen Ausstellung, mit dem er im vorigen Jahre zu
Paris den Preis davon trug. Beide sind von hoher Voll-
endung der Komposition und Zeichnung, und von eben so
großer Sättigung und Harmonie des Kolorits wie von
inviduellem Leben in den Körpern. Aber es fehlt an Ge-
danken im Ganzen wie in den einzelnen Motiven. Und
das hat seinen Grund in dem einseitigen Realismus, aus
dem die Bilder von Pils und namentlich die „Scene aus
der Schlacht an der Alma" hervorgegangen ist, die nur
um den kriegerischen Geist des französischen Volkes zu
erhalten und zu fördern, nicht zur Veranschaulichung einer
leitenden Idee") gemalt zu sein scheint. Etwas anders
verhält cs sich mit den Bildern Ivon's (er ist ein Schü-
ler Ingres'), nämlich mit der „Schlacht bei Solfcrino"
und den drei den Malakoffthurm betreffenden, über welche,
als sie 1859 auf der Pariser Ausstellung erschienen (wäh-
rend hier nur verkleinerte Kopien aus des Kaisers Privat-
besitz vorhanden sind) das Urtheil der Kritik sich alsbald
fest gestaltete. Avon zeigt ein merkwürdiges Talent für
das dramatische Element derartiger Scencn. Bei näherer
Betrachtung und genauerer Kenntniß der Oertlichkeit und
der einzelnen Vorfälle wird man der „Courtine de Ma-
lakoff“ (Nr. 84) entschieden den Vorzug vor der „Gorge
de Malakoff-1 gegeben. — Ganz anders dagegen verhält
es sich in Bezug auf das Vorhandensein gedanklicher Mo-
tive mit dem etwas älteren Hippolyt Bellauge, der
in seiner Sphäre, die nicht sowohl das Schlachtenbild als
vielmehr das Soldatenlebcn ist, fast immer ein sci's hei-
teres und humoristisches, sei's tragisches Motiv veranschau-
licht. Letzteres ist hier der Fall iu seiner Schlachtscene
(aus dem Jahre 1861). Wie „die beiden Freunde" ver-
eint gelebt hatten, so sterben sie vereint; ein Moment, der
auf die umgebenden Krieger einen verschiedenartigen, tref-
fend charakterisirten Eindruck niacht. Es ist ein Bild voll
inneren Lebens und großer Harmonie der Stimmung. —
Vergleiche ich mit dem genannten 5 oder 6 Kriegsscenen
die von Horace Bern et (der in Portraits sich meister-
haft erweist) gemalte „Schlacht- an der Alma", so tritt
diese in der That in den Hintergrund. — Zu den bedeutend-
sten unter den übrigen Bildern der französischen Scction,
die nur mit kurzen Worten anzuführen der Raum nicht
genügt, zähle ich Bouguereau's „Triumph des Mär-
tyrerthums", darstellend die heilige Cäcilie, welche in ihrer
jungfräulich weißen Kleidung auf der Bahre ruhend be-
stattet wird, während allerlei Kranke herbeigebracht werden,
um durch die Berührung ihres heiligen Leibes Genesung
zu erlangen; Cabanel's „Apotheose des heilige» Ludwig"
(aus dem Jahre 1855), der sein späteres Bild „der Faun,
welcher eine Nymphe entführt" an Intensität des Kolorits
so wenig ähnlich sieht, daß man es kaum demselben Mei-
ster zuschreiben möchte; ebenso Leon Bcnonville's „Tod
des heiligen Franz von Assisi", womit der leider früh ver-
storbene Maler 1853 seinen Ruf begründete, und Charles
Louis Müller's „Messe zur Zeit der Schreckcnsrcgie-
rung", sowie seine „Madame Niere", Napoleons Mutter,
die^ nach dem Tode ihres Sohnes in tiefer Trauer vor
dessen lebensgroßem Portrait steht. (Forts, folgt.)

+ Petersburg, im August. (Das Denkmal des *)

*) Welche „höhere leitende Idee" sollte aber auch in diesen,
lediglich der Eitelkeit des französischen Imperialismus huldigen-
den, jeder eigentlichen sittlichen Würde, wie sic in dem Nationa-
litätskampfe eines für seine Freiheit streitenden Volkes sich aus-
spricht, baaren Prunkgemälden in majorem imperatoris gloriam
gefunden werden können? Die Redaktion.

tausendjährigen Bestehens des russischen Rei-
ches.) Mein erster Ausgang in Petersburg war natürlich
dem St andbild e Peter des Großen gemidmet, wel-
cher zu Pferde auf einem ungeheuren Granitblock hinauf-
sprengend dargestellt ist, wogegen aus der andern Seite der
Isaaks-Kirche die Reiterfigur Nicolaus 1. in ihrer
Parade-Uniform und steifen Haltung sehr absticht. Leider
war die herrliche Alexander-Säule vor dein Winter-
Palais mit einem Gerüst umgeben, da der kolossale Mo-
nolith von rothem Granit, wie ihn keine andere Haupt-
stadt Europa's aufzuweisen hat, dem Klima Petersburg's
nicht hat wiederstehen können. Denn während die eine
Seite von nordischer Kälte starrt, glüht die andere von
der heftigsten Sonnenhitze, und die dadurch veranlaßte
verschiedene Ausdehnung und Zusamenziehung der Theile
hat dieser riesige Säulenschaft nicht ertragen: er ist
geborsten und wird jetzt wieder durch Kitt haltbar gemacht.
Die Standbilder zu Fuß von Kutusow und Barkley
de Tolly vor den Kolonnaden der Mutter-Gottes von
Kasan machen einen guten Eindruck, weniger vortheilhaft
aber nimmt sich Suwarow auf dem Marsfelde aus, an
das Standbild Blücher's in Breslau erinnernd, wenn auch
der Russe nicht mit einem so fabelhaften Mantelkragen
angethan ist wie Blücher. . Ansprechender fand ich das
Standbild deö Fabeldichter Krilow im Sommergarten,
in sitzender Stellung. Alle hiesigen Denkmäler aber ver-
schwinden vor der Großartigkeit des Denkmals des
tausendjährigen Bestehens des russischen Rei-
ches, welches aber bald von hier nach Nowograd geführt
werden wird, wo es am 4. September d. I. ausgestellt
werden wird. Der Guß ist in der großen Bronce-Fabrik
eines Engländers hier, unweit des Moskauischen Bahn-
hofes, ausgeführt worden, und kann ich nicht genug die
Gefälligkeit loben, mit welcher es Ihrem Berichterstatter
verstattet ward, dasselbe in Augenschein zu nehmen.

Das Ganze erinnert auf den ersten Anblick an die
große Glocke in Moskau auf dem Kreml. Den Haupt-
körper bildet ein ungeheurer Reichsapfel, überragt von
einem Kreuze, von 2 allegorischen Figuren gehalten, von
denen die eine die geistliche Macht, die andere die welt-
liche Macht mit dem Wappenschilde darstellt. Den Reichs-
apfel umgeben 17 kolossale geschichtliche Männer und Frauen
von 1172 bis 127s Fuß Höhe, hinter deren Gewandung
der große Reichsapfel dergestalt getragen wird, daß er
darüber wie die obere Wölbung einer Glocke emporragt,
indem dessen Durchmesser nur 15 Fuß beträgt. Hier er-
scheinen die Haupt-Persönlichkeiten der Russischen Geschichte
in 6 Gruppen, von Rurik anfangend, welcher, sowie Peter
der Große die beiden hauptsächlichsten Gestalten darstellen.
In dem bewundernswürdig rein vollendetem Gusse zeich-
net sich besonders die griechische Kaisertochter aus, welche
durch ihre Verheirathuna mit bei» damaligen Großfürsten
das Christenthum in Rußland einführte. Dieser gegen
30 Fuß hohe Theil des von den russischen Künstler Mi-
kcschin entworfenen Denkmals ist bereits vollendet. Nock
arbeitet man aber an der Ciselirung des Fußgestclles.

Dieses von 7 Fuß Höhe bildet einen Gürtel von 70
Fuß Länge mit geschichtlich gruppirten Reliefs von 107
Personen, die sich seit den tausend Jahren des Bestehens
des russischen Reiches einen Namen gemacht haben.

Da dieselben ihrer Bedeutung nach bereits in einer
früheren Korrespondenz erwähnt sind, so übergehe ich sie hier.

Diese Maste von gegen 150,000 Pfund Bronce wird
auf ein Fußgestcll von gegen 12 Fuß Höhe gestellt wer-
den, so daß das ganze Denkmal die Höhe von mehr als
50 Fuß erreichen wird. Die Kosten, mehr als Va Million
Thaler betragend, sind zum großen Theil von Freunden
deö Vaterlandes znsammengebracht worden.

S Rom, im Juli 1862. Die Ausgrabungen in
den Orti Farnesiani auf dem Palatin (auf Kosten des
Kaisers der Franzosen) schreiten unter der umsichtigen
 
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