Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0287

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
271

Korrespondenzen.

9 Köln, Ende August. (Die Konkurrenzmodelle
für das Königs-Denkmal Forts.) Dem Modell
von Caspar Zumbusch kann man die Anerkennung
spenden, baß es in der Distribution seiner kompositionellen
Motive sehr einfach ist und deshalb auch für den Be-
schauer eine große Verständlichkeit besitzt. An dem Sockel,
dessen Seiten oben mit größeren, darunter mit kleineren
Reliefs geschmückt sind, welche in theils realistischer, theils
allegorischer Form die Erhebung des preußischen Volks in
den Freiheitskriegen, sowie die Segnungen des dadurch
gewonnenen Friedens für die Rheinlande versinnbildlichen,
sind auf Vorsprüngen die vier ofsiciellen Hanptträger der
Bewegung, Blücher, Scharnhorst, Stein und Gneisenau,
angebracht. Die Hauptfigur, der König, dargestellt, wie
er aus Frankreich siegreich in seine Länder einzieht und
dem ihn begrüßenden Volke in gewohnter königlicher Ruhe
mit einfacher Handbcwegung dankt, macht jedoch einen
etwas prosaischen Eindruck. Ruhig ist er in seiner Hal-
tung allerdings, aber diese Ruhe ist nicht blos — wie
es die Plastik, die Feindin allzuheftiger Bewegungen, for-
dert — eine äußerliche, sie ist auch eine innerliche. Dies
nämlich ist daö wahre Merkzeichen wahrhaft plastischer
Schönheit, daß durch die äußere Ruhe die innerliche Be-
wegung in Haltung und Bewegung hindurchscheint und
dadurch in prägnanter Weise zur Erscheinung kommt.
Ohne diese innerliche, durch die starre Materie hindurch-
brechende innere Bewegung, welche das wahre Pathos
plastischer Gestaltung ist, wird jene blos äußerliche Ruhe
nur nüchtern und apathisch erscheinen.

Dieses Pathos nun ist cs, wodurch uns das Schie-
velbein'sche Modell so merkwürdig bewegt und erhebt.
Schicken wir zunächst nach dem Wortlaut des Programms
die Beschreibung des Denkmals voraus, um daran einige
Bemerkungen zn knüpfen. Dem Entwurf liegt im All-
gemeinen der im Programni des Comitös aufgestellte
Jdeengang zu Grunde. Bezugnehmend auf das siegreiche
Hervorgehen aus den Kämpfen ist der König mit dem
Siegerkranze und mit dem Erlaß an die Rheinlande in
der Hand, dargcstellt. — Die zuni Postament gewählte
Architektur ist die gothische und zwar nicht nur, weil in
Köln die Gothik vorherrschend ist und das Denkmal sich so
den andern Bauwerken besser anschließen würde, sondern
weil auch das heutige Kostüm sich eher mit der Gothik zu
einem harmonischen Ganzen vereinigen läßt, als etwa mit
der griechischen Architektur. — Die größten und bedeutungs-
vollsten Männer der Zeit sind unter Baldachinen an den
vier Ecken gruppirt. — Vier Feldherren, durch deren Ener-
gie, Muth, lleberlegung und Benutzung des Sieges das
glorreiche Resultat herbeigeführt wurde, stehen an den
Ecken, gleichsam Wache haltend, daß an den Errungen-
schaften nichts geändert werde, es sind der kampfbereite
Blücher, der bedächtige Scharnhorst, der siegreiche
Bülow und der vorwärtstreibende Gneisenau. Den
Feldherren schließen sich sitzend die Reorganisatoren des
preußischen Staats, Stein, Hardenberg, Alex. v.
Humboldt und Altenstein, der deutsche Arndt,
Theodor Körner, Lützow und Schenkendorf, der
Schwärmer für die.deutsche Kaiserkrone, an. —

In dem Relief auf der rechten Seite des Reiterstand-
bildes ist die „Flucht der Franzosen aus Rußland," vorn
der „Aufruf des Königs zum Kampfe," „allgemeine Bewaff-
nung und Trene-Gelobnng," links die „Vereinigung Blüchers
und Wellingtons" und dadurch der Sieg in der Schlacht
bei Waterloo und hinten der „Uebergang über den Rhein
bei Eaub" dargcstellt. — Der Fries ist ;n Darstellungen
des Fortschritts der Rheinprovinz in der Wissenschaft, Kunst
und Industrie benutzt worden. Zur Rechten des Reiter-
bildes prüfen Maaßen, Dclius und Beuth die Fa-
brikate von Solingen, Crefeld ni s. w. Die vordere Seite
stellt den „Befehl des Königs zum Ausbau des Doms" dar.

Links empfangen die Professoren der Bonner Universität
eine Deputation Berliner Gelehrter, Alex, von Hum-
boldt an der Spitze. Die Kunst ist vertreten durch W.
v. Schadow, der sich auf die Natur stützend seine Schü-
ler zur Nachahmung anregt, während P. v. Cornelius
ans die großartigen Kompositionen der alten Meister hin-
weist. Hinten ist die „Weinkultur", die „Kelterei" und die
„Weinprobe" dargestellt. — Wird die Reiterstatue zu 16'
angenommen, dann werden die Statuen der Eckgruppen
6^', das Postament 20', die Höhe des ganzen Denkmals
demnach 36' betragen. Der untere Theil bis zur
Plinthe der Eckgruppen ist von Granit, das klebrige von
Bronce gedacht. —

Zunächst ist nun zn bemerken, daß die Figur des Kö-
nigs ■— ganz abgesehen von dem überwiegenden Größen-
verhältnis; zn dem Piedestal — durch rein ästhetische Wir-
kung einen so überwiegenden Eindruck von Großartigkeit
und echt königlicher Hoheit hervorbringt, daß er ganz ent-
schieden als Hauptfigur sofort in die Erscheinung tritt.
Bei allen übrigen Modells bemerkt man ihn nur darum,
weil er eben oben auf dem Piedestal, ohnehin zu Pferde, sich
befindet. Diese ganz äußerlichen und darum unzureichenden
Gründe spielen bei dem Schievelbein'schen Modell nur eine
untergeordnete Rolle. Hier wird der Blick des Beschauers
vor Allem auf die würdevolle und echt majestätische Figur
des Königs gelenkt, weil eben das echte Pathos seiner
ganzen Erscheinung, die ideale Noblesse seiner Haltung
und innere Bewegtheit seines Ausdrucks den Blick des Be-
schauenden unwillkürlich und mit unwiderstehlicher Gewalt
zu sich emporzieht. Das ist ein rechter König, Fürst und
Landesvater zugleich, voller Hoheit und Milde: cftie wahre
Majestät.

Was das Postament im Ganzen betrifft, so ist es sehr
glücklich komponirt und wenn auch die Baldachine an den
Ecken des Sockels besser fortgeblieben wären, oder doch
modisicirt werden müßten, da ihre Gothik etwas apokryph
erscheint, so gewährt das Ganze doch einen sehr harmoni-
schen Eindruck! Nur Eins scheint uns noch nöthig zu
bemerken, nemlich daß das Piedestal um xk niedriger sein
könnte. Bei den Figuren Arndt's, Körner's, Lützow's und
Schenkendors's hätte statt des Letztern besser Schill, der
Märtyrer des Freiheitskampfes, gewählt werden können. Im
klebrigen läßt sich von den Figurenskizzen und Reliefs des
Postaments nur sagen, daß sic mit Geschmack und Klar-
heit vertheilt sind, denn selbstverständlich sind sie allzu
skizzenhaft, als daß ihre Specialkompositionen deutlicher
hervortreten könnten.

Wir haben bereits bemerkt, daß — wenn die „Rciter-
signr" von der Beurtheilungskommission alö eine unum-
gängliche Bedingung feflgehalten wird — wir dieses Modell
entschieden des ersten Preises und der Ehre der Ausfüh-
rung vor allen übrigen Reiterfiguren würdig halten.

(Schluß folgt.)

% London, den 21. August. — (Die internationale
Kunstausstellung III. Die Franzosen. (Fortsetz.)
Wer den eigentlichen Schwerpunkt der französischen Section
der Ausstellung in ihren großen Schlachtenbildern erblickt,
hat vollkommen Recht, sobald er die Hauptaufgabe der
Malerei in die beiden Faktoren Komposition und Ko-
lorit setzt. Bedenkt man aber, daß noch ein dritter Fak-
tor, oder vielmehr der erste aller Faktoren, die künstle-
rische Idee") im Bilde enthalten und darin klar aus-
gesprochen sein muß, so hiebt es gewiß Leistungen, die den
Schlachtenstücken von Pils und Ivon vorznziehen sind.
Auch diese Beiden sind bei aller Aehnlichkeit unter sich

*) Wir können die „künstlerische Idee" nicht so entschieden
von der Komposition trennen, man müßte denn unter der
letzteren lediglich das äußerliche Arrangement verstehen. D. R.

*
 
Annotationen