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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0314

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298

phälischen Schule mahnten. Jetzt heischt das Bedürfnis;
der kleinen Gemeinde niehr Licht in der Kirche, und man
ist eben beschäftigt, die Fenster größer und die Male-
reien abzubrecheu und dem Ganzen die weiße Tünche
wiederzugeben. Ebenso wurde in dem benachbarten Dorfe
Gebhardshagen in beu letzten Jahren, beim Neubau der
Kirche, die Grabsteine der alten, ehedem dem Tempelherrn-
Orden gehörigen Kirche zum Pflastern benutzt, und einer da-
von, mit dem geharnischten Bildniß eines Herrn von Stein
berg, von denen die Rede geht: „als die Welfen ins Land ka-
men, waren die Steinberg schon da!" — mit der Bildseite
vermauert. — Wie vor Kurzem in Lügde, wurden unlängst
im Rathhanse von Hildesheim durch den abgcfallcnen
Putz Wandgemälde entdeckt. Man hat weiter nachgeforscht
und schon fünf ganze Figuren von guter Erhaltung in
etwas über Lebensgröße blosgelegt. Es sind sitzende
Bischöfe, im Kunstcharakter des 13. Jahrhunderts, von
wunderbar schöner Anordnung der Gewänder. Da Hr. l)r.
Kr ätz den Bildern alle Aufmerksamkeit zuwendet, so ist
durch seinen unermüdlichen Eifer ein glücklicher Einfluß
auf die Väter der Stadt zu hoffen, und die weitere Auf-
deckung der Wände des kolossalen Saales, so wie die Er-
haltung und Herstellung der seltene» Kunstschätze zu er-
warten.

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß auch der Rathhans-
bau in Hildesheim, wie der in Goslar — nach Mithoff's
„Archiv für Niedersachsens Kunstgeschichte" — den ältesten
Nachweisen zufolge aus dem 15. Jahrhundert stammen soll.
Hier beweisen aber die aufgedeckten Bilder, daß schon ein
viel älterer Bau vorhanden war. In Goslar kommt man bei
Betrachtung der Wand, wo die Freitreppe anliegt, auf
eine ähnliche Vermnthung. R.

Arber die neuesten Erwerbungen der Königs. Galerie
ju Dresden

berichtet Prof. Julius Hübner wie folgt:

Wenn schon die eben erschienene zweite Auflage des
Katalogs eine bedeutende Reihe von Erwerbungen anführt,
welche die Galerie der Huld Sr. Majestät des Königs
Johann verdankt, so ist doch außerdem in allerneuester
Zeit und erst nach Vollendung des neuen Verzeichnisses
noch eine der werthvollsten und bedeutendsten Erwerbungen
derselben.Quelle allerhöchster Fürsorge zu danken, welche
einer besonder» Erwähnung in jeder Beziehung würdig
erscheint.

Es ist dies nämlich eins der vortrefflichsten Landschasts-
bilder des berühmten Caspar Dughct, bekannter unter
dem Namen Poussin, welchen er von seinem Meister
und Schwager, dem berühmtenNikolasPonssin, angenommen
hatte. Caspar Poussin, geb. 1613 in Rom, gest. 1675
ebendaselbst, wird neben dem etwas ältern Claude Lorrain
und mit demselben zugleich mit Recht als der Schöpfer
des sogenannten heroischen oder idealen Stils in der Land-
schaftsmalerci betrachtet. Wenn auch schon ein halbes
Jahrhundert früher die Carracci's und insbesondere Do-
menichino Einzelnes von Bedeutung in diesem Stile schufen,
so ist doch nicht zu läugnen, daß wesentlich erst durch C.
Poussin's zahlreiche Werke eine scharfe Feststellung dieser
Gattung erfolgte, so daß man seitdem sogar nur von Land-
schaften im Stil des Poussin spricht, wenn man die ideale
Richtung der Auffassung einer Landschaft im Allgemeinen
bezeichnen will.

Das in -Rede stehende Bild gehört offenbar zu den
höchst seltenen Arbeiten des Meisters aus seiner schönsten
Blüthezeit, wo er bei der edelsten Auffassung des Ganzen
noch mit gewissenhafter Treue alles Einzelne nach genauen
und sorgfältigen Naturstudicn inalte, während er später
die auf diesem Wege gewonnene Einsicht und Handfertig-
keit mit Leichtigkeit und Meisterschaft, aber bald auch mit

einer nicht zu läugnenden und zur Manier gewordenen
Einförmigkeit handhabte. Der aufmerksame Beschauer des
neuerworbenen Bildes wird vollständig Gelegenheit haben,
diese Behauptung bestätigt zu finden, wenn er die echten
Bilder Poussin's aus seiner später» Periode, welche die
k. Gemäldegalerie besitzt, namentlich dasjenige, welches
dem neuen Bilde gerade gegenüber hängt, mit diesem ver-
gleicht. Eine allgemeine farbige Helligkeit der ganzen Stim-
mung mit kräftigen Lokaltönen ohne große Dunkelheiten,
ein reiner tiefblauer Himmel mit leichten Wolken, und das
schöne und doch milde Grün der Vegetation würden ganz
zuerst auch dem oberflächlichen Blicke als Haupteigenschaften
des neuerworbenen Bildes, im Gegensätze zu einer etwas
monotonen Dunkelheit, Mangel an bestimmten Lokaltöneu
neben farblosem Grün und matterem Blau des Hinimels
in all' den andern Werken desselben Meisters, welche unsre
Galerie besitzt, entschieden auffallen. Bei näherer Betrach-
tung aber wird sich vor allen Dingen die feinste Durch-
führung in der Charakteristik der Einzelnheiten, namentlich
der Bäume, als wesentlichstes Unterscheidungszeichen des
neuen Bildes von all' den andern Bildern Poussin's, nicht
blos unserer, sondern in der That der meisten Galerien
Herausstellen. Jeder der prächtigen, im Mittelgründe in
schönen Gruppen gesonderten Bäume ist ein wirkliches In-
dividuum, in Färbung, Verästung und Blätterung voll-
kommen verschieden von seinem Nachbar. Man fühlt, daß
der Künstler einen ganz besondern Werth aus die möglichst
scharfe Charakteristik der Baumformen gelegt hat; ja seine
Freude daran hat ihn bis zu dem Wagestück geführt, sogar
die echte lombardische Pappel (nicht unsere Alleenpappel)
an der linken Seite des Bildes im Borgrnnde gleichsam
als Schlußstein der verschiedenen Baumcharaktere in un-
befangenster Treue der Nachahmung hiuzustellcn. Ein
Wagestück, das hier den Vollklang harmonischer Mannig-
faltigkeit aufs Glücklichste erhöht, welches er selber aber
nie mehr den Muth und die straft gehabt, in seinen spä-
tcrn Bildern zu wiederholen, in welchen fast nur eine
einzige, der echten Kastanie nachgcbildete Baum- und Blatt-
form bis zur Ermüdung vorherrscht. Daß demgemäß auch
in der Färbung der Form die feinste Abwechselung vio-
lettlicher Töne und jede mögliche Nüance des Grün in
der Vegetation in ebenso natnrwahrer Charakteristik durch-
geführt ist, hängt genau mit der Haupteigenthümlichkeit
des Bildes zusammen. Die fein behandelte, geistreiche
Staffage, die liebevollste Ausführung der Einzelnheiten,
welche sich bis auf die Blümchen des Vorgrnndes erstreckt,
erhöhen den Reiz dieses in seiner Art einzigen Kunstwerks
noch in ungewöhnlicher Weise.

Es giebt Momente in dem Leben einzelner Künstler,
wo durch die Zusammenwirkung günstiger Elemente in
ihrem Entwickelungsgange Kunstwerke entstehen, welche
später kaum recht in äußerlichen Zusammenhang mit all'
den andern Schöpfungen derselben Meister gebracht werden
können. Ein solches Bild ist unter Auderm der „Christo
della Moneta" des Tizian in unsrer Galerie, worin ein
so wunderbarer Adel der Auffassung zugleich mit der zar-
testen Ausführung in einer Weise verbunden ist, wie wir
sie nur annährend in zwei oder drei Bildern derselben
Periode des Meisters wieder finden. Man wird das neu-
erwvrbeue Werk des Poussin am kürzesten und treffendsten
charakterisiren, wenn man es als das Ergebnis; einer ebenso
glücklichen Konstellation im Lebensgange dieses Meisters,
nicht minder einzig in seiner Art, bezeichnet.

Das Bild befand sich seit mehr als sechzig Jahren
im Besitze der Familie des Mr. Alexander Allen, von
welchem cs auf Befehl Sr. Majestät des Königs für die
Summe von 250 Pfd. St. erkauft wurde, und hat jetzt
neben dem prächtigen Bilde des Claude Lorrain Nr. 654
in der Abtheilung 7 c seinen würdigen Platz gefunden.

Julius Hübner.
 
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