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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0319

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303

siger Künstler, deren Ursprung zum bei Weitem größten
Theile nicht weiter als ein bis zwei Jahre zurückdatirt,
kaum ein einziges ist, das nicht ein echtes Interesse erweckte,
wohl aber etwa die Hälfte in der ersten Linie unserer ge-
summten heutigen Kunst steht: so mag Weimar in der That
mit einigem Stolze auf dieses Resultat blicken und mit
Dank der Männer gedenken, die in seinen Mauern, un-
bekümmert um einen flüchtigen Tagesruhm, still und ernst
des Priesterthums wahrer, ewiger Kunst warten.

Ich muß darauf verzichten, die Werke, welche beiläufig
von B. Genclli, K. Hummel, I. Nießen, Fr. Prel-
ler d. A., Friedr. Preller d. I., und H. Wislicenus
herrührcn, in der ausführlichen Weise zu besprechen, die
sie beanspruchen dürfen; zumal sich hoffentlich die Gelegen-
heit bieten wird, auf mehrere derselben später zurückzukommen.
Doch erlauben Sie über das Einzelne wenigstens einige
Worte, wobei ich nach alter Sitte mit den „Historienbildern"
beginne.

Von B. Genelli begegnen wir zunächst einem Carton
in Kreide mit lebensgroßen Figuren: „Abraham, dem die
Engel die Geburt des Isaak verkündigen". Rechts im Vor-
dergründe sind die Engel gelagert, von denen der mittelste
mit erhobener Hand eben die Verkündigung ausspricht;
ihnen gegenüber der greise Abraham, in demüthig ver-
ehrender Geberde die Weissagung enipfangend, und links
in der Thür des Hauses Sarah, die in ungläubig ver-
wundertem Lächeln sinnend den Worten der Verheißung
lauscht. Der Hintergrund öffnet den Blick in eine einfache
ländliche Gegend. Das ist's etwa, was ich von dem Werke
in Worten wicderzugeben wüßte: die Anordnung ist die
einfachste, die Ausführung die schlichteste; und doch, wie
gewaltig und tief der Eindruck, den wir empfangen! Da
ist eine Anmuth und ausdrucksvolle Natürlichkeit der Be-
wegungen, eine Durchbildung der Formen, eine Feinheit,
Schönheit, Simplicität der Zeichnnng, eine Klarheit und
dabei doch organische Geschlossenheit der Komposition, eine
tief seclenvolle Ausprägung der Köpfe: daß man, be-
troffen und überraschr, nichts thun kann als sich einer ver-
ehrenden Bewunderung hingeben und versuchen, durch immer
erneuertes Studiren des Werkes solches Genusses sich wür-
dig zu machen. — In ihrer Art von kaum minderer Schön-
heit ist eine kleine Aquarelle desselben Meisters, die eine
„Centaurenfamilie" zum Gegenstand hat. Zn der liebens-
würdigen und humoristischen Erfindung und der Vollendung
der Zeichnung tritt hier noch der Reiz eines unendlich freien
und schönen Kolorits. Ein klarer, warmer Goldtou geht
durch das Ganze und vereinigt die Farbcngegensätze zu
wohlthuender Harmonie. — Nur in einfachen Umrissen
ausgekührt ist die „Schlacht des Königs Lykürgos gegen
Dionysos," eine Erfindung, welche, wenn ich nicht irre, auf
der Stelle der Ilias (6, 130 ff.) basirt, wo es heißt:

.auch floh Dionysos und tauchte

Unter die Woge des Meeres, und Thetis barg im Gewandschooß
Ihn, der erbebt, angstvoll vor der drohenden Stimme des Mannes."

Eben dieses letzte Motiv hat der Künstler aufgegriffen:
Lykürgos ist Sieger; ans seinem Streitwagen treibt er die
bacchische Schaar in die Flucht, und Dionysos springt,
auf einem Centauren reitend, in die Fluthen, aus denen
Thetis mit den Nereiden ihn zu empfangen auftaucht, wäh-
rend den Vordergrund Scencn erbittertsten Kampfes füllen.
Es ist eine jener reichen genialen Kompositionen, in denen
Genelli eine unendliche Fülle von Motiven, eine ganze
Skala von Leidenschaften und einen wahrhaft unerschöpf-
lichen Rcichthum au Formen zu einem schönen und groß-
artigen Ganzen zu vereinigen weiß, das durch eine klare
und sichere Gliederung zugleich zusammengehalten und ge-
trennt wird. Ich habe mich am ersten an den „Raub der
Europa" erinnert gefunden, mit welchem diese Schlacht auch
das Format gemein hat; und werde wohl nicht allein den
Wunsch empfinden, daß auch dieser Komposition das Glück
einer großen und farbigen Ausführung zu Theil werden
möge, in welcher der „Raub der Europa" bereits vor län-

gerer Zeit vollendet wurde. Daß auch der oben besprochene
Carton (Abraham mit den Engeln) gegenwärtig von dem
Meister in Oel ausgeführt wird, mag hier noch bemerkt
stehen. Hoffentlich kann ich Ihnen recht bald von dem
vollendeten Bilde Nachricht geben. (Forts, folgt.)

ID Salzburg, am 7. September. (Der Kongreß
d er deutschen Kn nstg e nossenschaft. Schluß.) Ge-
stern (Sonnabend) fand die letzte Sitzung der Kunstge-
nossenschaft in der Aula statt. Sie wurde um 10 Uhr
eröffnet. Die Anwesenheit Sr. Excellenz des k. k. öster-
reichischen Staatsministers von Schmerling versetzte
die Versammlung in die freudigste Aufregung. Nachdem
derselbe sich die verschiedenen Comitömitglieder hatte vor-
stellen lassen, hielt er eine kurze Ansprache an die Ver-
sammlung, worin er dieselbe in Oesterreich willkommen
hieß. Hierauf ging man zur Tagesordnung über und
zwar zunächst zu Hen von Weimar ausgegangenen ge-
schäftlichen Anträgen, nämlich: 1. daß denjenigen Rednern,
welche in den Hauptversammlungen besonders wichtige Ver-
hältnisse der deutschen allgemeinen Kunstgenossenschaft be-
sprochen und erörtert haben, der ihre eigene» Reden be-
treffende Theil des stenographischen Protokolles vor dem
Druck des Hauptprotokolles zur Korrektur zugesandt werde
(angenommen); 2. daß in den Vorversammlungen der De-
putirten ebenfalls stenographische Protokolle geführt wer-
den, und zur beliebigen Einsicht der in den Vorversamm-
lungen thätig gewesenen Deputirten in den Akten offen sein
sollen (angenommen); 3. daß das Haupt-Comitü Statu-
ten für die Lokal-Comitü's aufstelle (angenommen). Ein
anderer Antrag dahin lautend, „daß diejenigen Herren,
welche nicht ausübende Künstler sind und doch in der
Liste der wirklichen Mitglieder der deutschen Kunstgenos-
senschaft vom Jahre 1861 als solche aufgeführt worden,
zu streichen und aus der deutschen Kunstgenossenschaft zu
entlassen seien, oder — für den Fall, daß dieses nicht be-
schlossen wird — daß man diejenigen nichtansübenden
Künstler, welche bis zur Beröffentlichung der Statuten
wirkliche Mitglieder der deutschen Kunstgenossenschaft waren,
auch ferner als solche anerkennen und in Folge dessen dem
§. 2. der Statuten eine andere Fassung geben möge," wurde
abgelehnt, und dagegen beschlossen, daß auch Nichtkünst-
ler Mitglieder der Genossenschaft sein und
werden können ohne Beschränkung in ihren
Rechten.

Der zweite Gegenstand der Tagesordnung betras einen
Antrag der Künstlergesellschaft „Illustration" in Berlin,
dahin lautend, die Genossenschaft möge dahin wirken, daß
der illnstrirende Künstler an einer Tantieme bei den Mehr-
anflagen von illustrirten Werken dieselben Ansprüche habe
wie der Schriftsteller. (Wird dahin angenommen, daß
die Kunstgenossenschaft durch Befürwortung einen mora-
lischen Einfluß auf den Buchhandel ausübcn solle, um ihn
zur Anerkennung dieses Grundsatzes zu bewegen.) — Von
den Wiener Stadtbehörden ist an das wiener Lokalcomitö
das Gesuch gerichtet worden, ans der Versammlung dahin
zu wirken, daß die nächste allgemeine deutsche histo-
rische Kunstausstellung in Wien und zwar im
Jahre 1865 stattfinde, gleichzeitig mit der gro-
ßen Industrieausstellung. Herr Bildhauer Suß-
mann-H ellborn bemerkte gegen den Antrag sehr richtig,
daß ein solcbcs Zusammenfällen von Kunst- und Industrie-
ausstellungen nur nachtheilig für die elfteren wirke. Große
Kunstausstellungen zögen schon an sich gewöhnlich, durch
das Znsamnienströmen eine Menge Neugieriger, niannigfachc
Unbequemlichkeit für den Beschauer nach sich. Die zur
Betrachtung der Kunstwerke nöthige Ruhe und Sammlung
würde dadurch sehr beeinträchtigt. Käme nun noch eine
Jndustrieausstellnttg hinzu, so würde die Unruhe unerträg-
lich. Außerdem habe die jetzige londoner Ausstellung ge-
zeigt, daß bei solcher Verbindung von Kunst und Industrie
der eigentliche Zweck der Kunstausstellung ganz verloren
 
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