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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0326

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310

Beruhigung, daß sie ein Urtheil, welches günstig für sie
ist, bestens acceptiren, jedes andere dagegen als „subjectiv"
und demzufolge als parteiisch bei Seite werfen können.

Indessen verhält sich die Sache doch etwas anders.
Wir haben in unserem ersten Einleitungsartikel (Nr. 35)
allerdings darauf hingewiesen, wie schwierig es für die
Kritik sei, die bei einem Kunstwerk in Frage kommenden
Benrtheilsmomente zu berücksichtigen, um den relativen
Werth desselben festzustellen, d. h. denjenigen Werth, welchen
es, als von diesem Künstler und unter bestimmten Um-
ständen geschaffen, besitzt. Was aber den absoluten
Werth des Werkes betrifft, sofern es, losgelöst von der
erzeugenden Hand, als fertiges, beziehungsloses Werk da-
steht, so kommen dabei lediglich die allgemeinen ästhe-
tischen Grundsätze, die philosophisch begründeten, und gleich
der Kunst in ihrem inneren Organismus selbst nothwen-
digen Principien der kritischen Charakterisirung in Betracht,
welche den unwandelbaren Maaßstab für seine Qualität
abgeben. Auf diesen Standpunkt kann sich weder der
Künstler noch der Laie stellen, weil sie beide einseitig sind,
sondern einzig und allein der Kritiker, wenn er seinen wahren
Beruf erkannt hat und ihm, sowohl nach der Seite der
Empfindung wie nach der des Verstandes, gewachsen ist.

Nach der Seite der Empfindung durch die Fähigkeit,
sich durch das Anschauen des Werkes in die Intentionen
hineinzufühlen, welche den Künstler geleitet haben, selbst
wenn diese Intentionen nicht erreicht, sondern vielleicht
nur in wenigen, scheinbar unwesentlichen Punkten, die dem
Auge des Laien meist gänzlich entgehen, angedeutet sind;
nach der Seite des Verstandes zunächst durch die klare
Einsicht in das Verhältniß der Technik zu dem Motiv,
sodann aber und vorzugsweise durch die Vergleichung des
vorhandenen Werkes einerseits mit dem subjektiven
Ideal, welches — nach den im Werke selbst angedeuteten
Intentionen — dem Künstler vorgeschwebt, andererseits
mit dem objektiven Ideal, welches der allgemeine
ästhetisch-kritische Standpunkt darbietet und welches zugleich
eine Rektifikation des subjektiven Ideals bildet.

Zweierlei ist es also, was die kritische Betrachtung
gegenüber der des Künstlers und des Laien kennzeichnet:
das Aufgeben jedes bloß persönlichen Geschmacksnrtheils
und eine, durch das Nach- und Hineinfühlen in die In-
tention und Gefühlsweise des Künstlers selbst berechtigte,
objektive Charakterisirung seines Werkes, vom
Standpunkt einer allgemeinen ästhetischen, principiell-be-
gründeten kritischen Ueberzeugung. M. Sr.

Korrespondenzen.

© Wien, am 30. September. (Oesterreichischer
K un stv erein.) Nach mehrmonatlicher Ruhe hat der neuere
Kunstverein nun wieder seine ausstellende Thätigkeit be-
gonnen, und zwar mit einem Akt der Pietät, dem wir aus
vollstem Herzen unsere Beistimmung geben. Das Comitä
veranstaltete nämlich eine Sammlung von Gemälden deS
erst kürzlich verstorbenen Ganermann und bot so dem
Wiener Publikum — dem Publikum Gauermann's par
excellenee — einen lohnenden Gesammtblick auf des
Künstlers Wirken. Daß dieses ein überaus edles und
— was viel wiegt — auch schon zu Lebzeiten des Malers
erfolgreiches war, liegt klar zu Tage. Die Alpen-Thier-
natur hat Ganermann wie kein Zweiter zu erfassen ge-
wußt, aus seinen Thierphysiognomien weht uns manchmal
ein Ausdruck so herzlich wahren, ja nicht selten melancho-
lischen Naturlebens entgegen, daß wir mit tiefer Theil-
nahme davor stehen bleiben und den Gedanken nicht unter-
drücken können, wie sehr der Mensch häufig dem lieben
Vieh unrecht thut, wenn er ihm Seele und Gemüth ab-
sprechen will. Und Gauermann's Thierphysiognomien sind
keineswegs unwahr, sondern er besaß eben die Gabe, mit
lücklicher Stimmung den glücklichsten Moment zu erlau-
chen. Im Zusammenwirkenlassen verschiedener Thier-
charaktcre war vielleicht noch kein Meister so glücklich, und
doch wieder dabei so natürlich wahr. —

Unter den Bildern, welche außer dieser Gauermann-
Sammlung noch Platz fanden, nimmt Scholtz's (in
Dresden) „Terzky-Banket aus den Piccolomini" eine ziem-
lich hervorragende Stellung ein. Der in Ihrem Blatte
hierüber erst kürzlich gebrachten Recension Ihres Prager-
Referenten beistimmend, bemängeln wir nur noch die Un-
wahrheit in der Beleuchtung, welch' letztere mehr die des
Tages als eine von Kerzenlicht erzeugte ist.*) Bemer-

*) Wir haben das Bild noch nicht gesehen, können also auch
nicht darüber urtheilen. Principiell aber müssen wir bemerken,
daß die Belenchtung durch Kerzenlicht sich nicht so sehr von der
des Tageslichts unterscheidet, wie man gewöhnlich annimmt, vor-
ausgesetzt daß der Gegensatz zu einer anderen Beleuchtung fehlt.
Ja, es wird darin oft von vielen Künstlern fehlgegriffen, daß sie

kenswerthe Genre-Gemälde sind Hübner's (jun.) „Zigeuner
in der Hütte", Geselschap's sehr durchdachtes Ge-
mälde „Im Alter", Bergstien's (in Düsseldorf) „Fa-
miliengruppe" uud Neustätter's „stiller Wunsch", welch'
letzteres uns jedoch sowohl im Kolorit als in der Auf-
fasiung zu blaß erscheint. Neustätter's vorwiegend
ernstem Talente fehlt, nach diesem einen Bilde zu schließen,
durchaus der Gelegenheits-Humor. Der Anblick dieses
nach den Würsten eines Selcherladens sehnsüchtig blicken-
den Lehrknabens stimmt uns eher melancholisch als heiter.
Der blasie Junge hat ja beinahe den Hungertod im Ge-
nicke sitzen, so trübselig schaut er drein. Und so war
anch eine Bemerkung meines Nebenmannes nicht übel an-
gebracht, der sich äußerte, „aus dem Bildchen schaue
der leibhafte Socialismus in Gestalt des Heißhungers."
Daß so gravirende Aeußerungen über den Humor eines
doch ganz unschuldigen Gegenstandes überhaupt möglich
sind, beweist, daß eben dieser Humor ein verfehlter ist.

Landschaften fehlen natürlich auch nicht. — Bescher
liegt noch immer in den Fesseln einseitiger Manier; auch
Remi van Hannen ist getreulich der alte geblieben, und
von Lichtenfels diesmal geradezu unbedeutend, jedoch
wenigstens noch manierfrei. — Was Büttler's „Am
Vierwaldstädter See" und Bro meis' „Motiv bei Palermo"
betrifft, so sind sie tüchtig gemalte Veduten ohne erlebte
Stimmung. Die Landschaft fordert überhaupt mehr das
„Ich" des Künstlers als ein blos harmonisch glättendes
Auge, das mit den todten Formen Detail-Schacher treibt.

Schließlich sei noch des lorbcernumschlungenen, trefflich
gelungenen „Portraits Gauermann's" von unserm Amer-
ling rühmend Erwähnung gethan.

das Kerzenlicht zu gelb, ja sogar (wie Menzel in seinem „Koncert
in Sanssouci") roth darstellen, als ob man, selber im Tageslicht,
von außen in den kerzenbeleuchteten Raum hineinschane. Da das
Kerzenlicht alle Gegenstände in ihren Lokalfarben auf gleiche Weise
modificirt, so hört die specifische Wirkung desselben für das Auge
zum großen Theil auf und beschränkt sich fast nur auf eine gra-
duell stärkere Abnahme der Intensität nach den der Lichtquelle
entferteren Gegenständen hin. Die Redaktion.
 
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