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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0386

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mir bei linearischen Größen passen; bei Flächen grüßen würden
die erstgenannten Linien sich wie die Quadratwurzeln, bei kör-
perlichen wie die Kubikwurzeln des geometrischen Bildobjekts
oder des NatnrgegenstandeS verhalten. Es ist daher unrichtig
oder wenigstens ungenau zu sagen: „Wenn wir die Bildfläche
genau in die Mitte zwischen Auge und Körper stellen, so er-
halten wir das Bild desselben in der halben natürlichen
Größe u. s. s."; sondern wir erhalten es (da von Flächenerschei-
nnng die Rede ist) in } der natürlichen (Flächen)größe; bei der
Stellung in den 4. Theil daher nicht in >/«, sondern >/>« der
natürlichen Größe u. s. f. Wir wissen recht wohl, daß der Vers,
dabei nur die linearische Ausdehnung im Sinne hat; aber da-
rum aber ist es ungenau, dies nicht ausdrücklich Zusagen.

Doch genug der Einwürfe. Was den substantiellen Inhalt
des Werkes, soweit es uns vorliegt, betrifft, so können wir selbst-
verständlich bei der Masse des Stoffs darauf in ausführlicherer
Weise nicht eingehen. Im Allgemeinen bemerken wir nur, daß
die ganze Darstellung durchaus den Eindruck einer selbstständigen
Durchdringung und Beherrschung des Gesammtgebiets der Per-
spektive macht. Der Verfasser hat sich so in diese Diseiplin hinein
gelebt, daß sie für ihn gewiffermaaßen zu einem lebendigen Or-
ganismus geworden ist, und er das Bedürfniß fühlt, denselben
in entsprechender Lebendigkeit seinen Lesern zum zweifellosen Ver-
ständniß zu bringen. Daß er hierbei zuweilen zu weit geht, wo-
durch sich in seinen Erklärungen hin und wieder eine die Klar-
heit beeinträchtigende Ueberfülle an Worten bemerkbar macht, ist
ihm bei einer ersten Bearbeitung wohl zu verzeihen. Dennoch
möchten wir ihn darauf aufmerksam machen, daß Einfachheit und
Präeiston gerade bei einem wissenschaftlichen Werk von höchster
Wichtigkeit sind. Es wäre in dieser Beziehung vielleicht zweck-
entsprechend gewesen, wenn er die Definitionen, Grund- und
Lehrsätze in möglichst präeiser Form zu einem kompendiarischen
System fortlaufender Paragraphen verarbeitet und die dazu nö-
rhig scheinenden Erklärungen und Auseinandersetzungen als eben-
falls fortlaufenden, mit denselben §§. bezeichneten Kommentar
unter den Haupttext, vielleicht mit etwas kleinerer Schrift, ge-
stellt hätte. Bei dem Reichthum an Anschauungen und der sub-
jektiven Klarheit des Verfassers würde dadurch die Entwicklung
auch objektiv unendlich an Klarheit und Ueberstchtlichkeit gewonnen
haben.

Abgesehen von der aus Allem, namentlich aber ans dem
Streben nach objektiver Ausführlichkeit, ersichtlichen Liebe, mit
welcher der Vers, an seinem mühevollen Werke gearbeitet, ist auch
die selbstständige Auffassung und Darstellung mancher wesentlichen
Punkte der perspektivischen Lehre selbst darin hervorzuheben. Na-
mentlich gilt dies von den näheren Bestimmungen der Grund-
nnd Lehrsätze; obwohl wir abermals mit Bedauern darauf Hin-
weisen müssen, daß, wenn der Verfasser (S. 15.) die Auffassung
Schreiber'« von dem gegenseitigen Verhältniß des Standpunktes
zur Bildfläche und der letzteren zu den Objekten mit Recht tadelt,
er die darauf bezüglichen Auseinandersetzungen Stoevesandt's
sowie die sehr klare Auffassung von Streckfuß ganz unberück-
sichtigt läßt. — Bon besonderem Werth erschien uns der „prat
tische Theil der Perspektive", namentlich fiir den ausübenden
Künstler. Die Anweisungen zum „ Verfahren bei Anlage einer
perspektivischen Darstellung" (S. 59.) und die demnächst folgenden
Abhandlungen möchten wir den Künstlern angelegentlichst empfohlen
haben. Ebenso die KonstrnetionSbeispiele, welche die in den vor-
aufgehenden Erörterungen gewonnenen Resultate in deutlichster
und vollständigster Weife zur Anwendung bringen. Hierin liegt
unserer Ansicht nach der eigentliche Schwerpunkt des Werkes, wo-
durch dasselbe sich vor allen andern Perspektiven sehr wesentlich
und zu seinem Vortheil unterscheidet. Unterstützt wird dieser
Vortheil in sehr gewichtiger Art durch die alles Ueberflüssige
und oft das Auge mehr verwirrende als erklärende Beiwerk ver
meidenden Tafeln, 3V an der Zahl, welche, mit großer Sorgfalt
ansgefiihrt, für die Deutlichkeit des Verständnisses von nnfchätz
barem Werthe sind. So zweifeln wir denn nicht, daß das tüch-
tige Werk sich bald einen recht zahlreichen Leserkreis erwerben
und dadurch den Verfasser in den Stand setzen werde, den ersten
Theil durch Vereinfachung und übersichtlichere Bearbeitung bei
einer neuen Auflage zu vervollkommnen. Auch die Ansstattnng
de« Werkes, namentlich des Atlas, ist sehr zn loben. M. Sr.

U. Album.

Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde
aus Pompeji, Hereuianum und Stabine, nach den
an Ort und Stelle gemachten Originalzeichnungen
von Wilhelm Zahn. Mit deutschem und franzö-

sischem Text. Dritte Folge 9. und 10. Heft. Imp-
Folio. (Berlin bei Dietrich Reimer.) (Schluff.)

Taf III. 93. Wandgemälde in der Größe des Originals aus
der Casa di Apollo, in der Strada di Mercurio, der Casa di
Meleagro gegenüber, zu Pompeji, ansgegraben >839: „Thro-
nende Venus" mit blauem Nimbus. Die Göttin hat hellroth-
brannes Haar, trägt goldenen Halsschmuck in Schlangenform, gol-
dene Arm- und Fußringe und sitzt ans einem mir viollettem Kis-
sen bedeckten Throne von Elfenbein, wie die andern beiden Gott-
heiten dieser Wand (Taf. II. 40 und III. 92.) Alle drei Gott-
heiten sind sehr schön gemalt. Die Farben der ganzen Wand
waren bei der Ausgrabung sehr brillant. Der blaue Nimbus
findet sick> noch häufig in den ältesten christlichen Malereien, sowohl
in den Katakomben als auch in den Miniaturen.

Taf. III. 94. Wandgemälde in der Größe und den Farben
des Originals, ausgegraben zu Pompeji 1852, in der Casa di
Principi Russi, Casa Nr. 57 in der Strada Stabiana: Schöne
schwebende „Victoria" auf gelbem Grunde mit Speer und Schild.

Taf. III. 95. Wandgemälde in der Größe des Originals aus
der Casa di Castore e Poluce zu Pompeji, ausgegraben 1828:
„Hippolyt und Phädra." Phädra hat durd,sid>tig weiße Tnniea
und violettes Pallium, goldenen Halsschmuck, goldenes Haarband,
goldene Ohringe und goldene Armbänder; der Thron, auf dem
sie sitzt, ist gleichfalls golden. Hippolyt, mit Schwert und Speer
gerüstet, trägt einen violletten Mantel. Die Amme, von der nur
die untere Hälfte erhalten, hat grüne Tnniea und gelbes Pal-
lium. Den oberen Theil dieser Figur hat Prof. Zahn mit
blässeren Linien zn restauriren versucht. Ans dem Grundrisse
des ganzen Hauses (Taf. II. 90) ist die Wand im hinteren Peri-
stylium, mit dem Biridarinm, an welcher dieses Gemälde entdeckt
worden, mit 29. bezeichnet.

Taf. III. 96. Gemalte Wand in den Farben des Originals
ans Pompeji. Im rothen Mittelfelde befindet sich ein Gemälde,
„Phrixns und Helle" vorstellend; oben über dem Mittelfelde eine
thronende „Minerva." Die beiden Seitenfelder sind gelb, unten
den Sockel schwarz.

Taf. III. 97. Gemalte Wand in den Farben des Originals
in einem unteren Zimmer nach dem Garten zn, in der Villa di
A. Diomede zn Pompeji, ausgegraben 1771—1774. Auf dieser
Wand mit rother Draperie befindet sich im der Mitte ein Kan-
delaber, auf jedem der beiden Seitenfelder ein Ziegenbock, unten
ans dem schwarzen Sockel' in der Mitte ein Schwan und ans der
weißen Oberwand zn beiden Seiten Greife.

Taf. III. 98. Wandgemälde in der Größe des Originals an
einer Wand des Tablinnms in der Casa di Castore e Polluce
zu Pompeji, ansgegraben 1828. Gegenstück der Taf. III. 88
und III. 90: „Thalia die Binse der Komödie", in der Linken
eine komische Maske, in der Rechten einen Krummstab mit rothem
Chiton und weißem Mantel.

Taf. III. 99. Gemalte Wand in den Farben des Originals
in einem unteren Zimmer nach dem Garten zu, in der Villa di
LI. viomsds zu Pompeji, ausgegraben 1771—1774. Diese kleine
Seitenwand mit zwei rothen Hauptfeldern, deren jedes mit einem
kleinen Gemälde, einen Vogel mit Früchten darstellend, geschmückt
ist, hat in der SDiitte ein schwarzes schmales Feld mit einem
Kandelaber und einem schwarzen Sockel mit Gewächsen.

Taf. III. 99. Wandgemälde in der Größe des Originals ans
Stabiae, ausgegraben am 17. Mär; 1760, gegenwärtig im königl.
Museum zn 'Neapel. Eine junge sitzende weibliche Figur, welche
sich einen Spiegel vorhält und ihr blondes Haar macht; viel-
leicht die „Toilette der Venns". Der Grund des Gemäldes ist
schwarz, der Sessel golden, das Gewand, welches nur die Beine
bedeckt, hellrotst mit weißer Einfassung, das Kiffen grün, der
Spiegel silberweiß.

Indem wir hiermit die ileberficht über den Inhalt dieser
trefflichen Blätter, mit denen nach langjährigen Arbeiten endlich
das große Werk der Prof. Bahn vollendet vor nur liegt, abschlie-
ßen, können wir nirt)t umhin, nochmals darauf hinzuweisen, von
welcher großen Wichtigkeit dasselbe nicht nur in knnsthistorischer
Beziehung, sondern namentlich and) durch den unberechnenbaren
Einfluß ist, den es ans die Verallgemeinerung reineren Knnstge-
jchmacks in dem gesammten Gebiet ornamentaler Kunstindustrie
gewinnen könnte, wenn es — war allerdings dazu gehört — auch
allgemeiner verbreitet und im besten Wortsinne populär würde.
Wir erkennen gern das große Verdienst an, welches sich die
Verlagsbuchhandlung (Reimer) durch die mit großen Kosten ver-
bundene Herausgabe dieses großartigen Werkes erworben hat; aber
wahrhaft fruchtbringend können alle die auf dasselbe verwandten
Anstrengungen erst dann werden, wenn der bloßen Herausgabe
die möglichst nmfangsreiche Verbreitung folgt. M. Sr.
 
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