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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0415

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hohlen Dogmatismus gegenüben sehr wohlthätig wirken;
wer aber, wie z. B. Kopernikus, redlich die Wahrheit sucht,
der ruht nicht, bis er die Zweifel überwunden und durch
weiteres Forschen sich neues ’ Licht und festere Ucber-
zeugung errungen hat. Demnach ist der Zweifel nicht Ziel
und Ende, sondern Anfang und Mittel aller Philosophie,
und Baco von Verulam sagt: „Oberflächliches Kosten in
der Philosophie bringt vielleicht zum Atheismus, tieferes
Eindringen führt zur Religion zurück." Unser Wahlsprnch
sei also: „Durch Finsterniß zum Licht, durch Jrrthum zur
Wahrheit!"

Zum Schlüsse unserer Betrachtung richten wir nach
Anleitung des Gemäldes unsere Blicke von dem Schau-
platze menschlicher Thätigkeit noch zu den beiden Schutz-
gottheiten derselben, Apoll und Minerva, empor. Obgleich
dieselben ans Erden im Allgemeinen gleiche Zwecke ver-
folgen, ist Jener doch mehr darauf angewiesen, die Men-
schen durch die Künste des Friedens im Dienste der Mu-
sen vom Irdischen zum Hiinmlischen zu erheben, während
die Göttin des Krieges und der Weisheit alles Ungöttliche
auf Erden nicderznkämpfen hat. Zur Warnung, daß man
die Macht dieser Gottheiten nicht ungeahndet verletzen dürfe,
hat der Künstler einer jeden ein Bild aus der Mythologie
untergestellt. Wie nun der Kampf der Lapithen und Cen-
tauren dem Liebhaber der Weisheit das Schicksal der dem
Göttlichen abgewandten, in rohe Sinnlichkeit versunkenen
Naturen anschaulich macht, so stellt das dicht unter dem
Standbildc der Pallas Athene befindliche kleine Gemälde
die Göttin zwar als Erbauerin und Beschützerin der Städte

(igvoinroXtg, Tlohög, “AdtivaCr] 7io'tuov%og) und insbesondre

Athens, des Hauptsitzes der Wissenschaft und Kunst, dar,
so jedoch, daß ihre Hand Jupitcr's Blitze schwingt und
jeden Frevler an ihren Hciligthümern, wie den Olliden

Ajax, mit dem Tode bedroht.^) Mögen wir also mit
Plato unsere Thätigkeit vornehmlich den hininilischen
Dingen zuwenden oder mit Aristoteles die Erde zum Ge-
genstände unserer Betrachtung wählen, so werden wir doch
stets eingedenk sein müssen, daß wir zweien Gebieten, dem
Himmel und der Erde, angehören und bis zu einem ge-
wissen Grade uns in beiden heimisch zu machen haben,
damit wir im Streben nach dem Göttlichen besonnen und
demüthig bleiben, in unsrer irdischen Wirksamkeit aber nicht
des göttlichen Ursprungs vergessen, überhaupt in allen Din-
gen Maaß halten. Wie dies geschehen könne und solle, das
zu lehren ist Aufgabe der Philosophie und jeder ächten
Kunst und Wissenschaft. Demselben Zweck verdanken ins-
besondre die Kunstwerke der bildsamen, frommen Griechen
ihre Entstehung, die wir daher, sowie auch die nach ihrem
Muster und in ihrem Geiste geschaffenen Kunstbildungen
späterer Zeiten, aus diesem höheren Gesichtspunkte zu bc-
urtheilen haben; „denn von den göttlichen Dingen zu be-
ginnen",-^) war die Sitte der Griechen, auch wo es sich
um Werke des Lebens handelte, und von allen ihren Schöp-
fungen sind keine so geeignet, uns diese Verbindung des
Göttlichen und Irdischen zu veranschaulichen, als diejeni-
gen, welche dem Gebiete der schönen Künste angehören. R. *) **)

*) Bei Volpato und Areil und im Raphaelsaale erblicken
wir unterhalb des der Minerva bcigcgebcncu Bildes noch ein
andere« kleines Wandgemälde zwischen Zeno und dem Skeptiker,
wahrscheinlich zwei Athleten, welche im Dienste der Göttin mit
einander ringen. Auf den Kupferstichen des Mantnano und Tho-
massino ist davon Nichts zu finden. Es^ behaupten also auch
hier, wie in den beiden Zugaben zum Standbildc des Apoll,
die oben genannten Arbeiten vor letzteren den Vorzug größerer
Harmonic und Vollständigkeit.

**) JIoX'Ad yitfj (toi ovvövrtq üiigiuulH ov (löi’ov Tu utyuAu
u'A'Ad xal tu uixoä nu^üt (itvov itfi und !Hwv opuüa&ut.
Xenoplion. Cf. Liv. Prooem. 13. Auch der deutsche Kompo-
nist Gluck betete bei dem Beginn einer Oper, daß er vergessen
möge, Musiker zu sein, um sich ganz dem Drama hinzugeben.

Korrespondenzen.

© Wien, den 14. December. (Ausstellung des
österreichischenKun st Vereins.) Heute ist es K n a u s,
in dessen Gcnrcbilde „Nach der Taufe" wir die entschie-
dene Kraft und Lebenswärme wiederfinden, die uns schon
einmal in seiner „Goldenen Hochzeit" so hoch anmnthete.
Was sollen wir dieser vollendeten Genre-Poesie noch nach-
sagen? Sie vereint alle Vorzüge, als da sind Charakte-
ristik, lebenstrotzende Darstellung und eine gewiffe innere
Wärme, welche durch das ganze Bild weht und den Be-
schauer bannt und entzückt zugleich. Nun Eines siel uns
nach längerem Beschauen etwas befremdlich ans: die Größe
der Köpfe. Vielleicht auch fiel sie nur uns auf? — C er-
mak's „Razzia," eine Scene aus den syrischen Metzeleien
jüngster Zeit — den Raub eines Weibes darstellend —
ist voll Kraft in der Darstellung und Leben in den For-
men, erzielt somit außer dem natürlichen Effekt der Ueber-
lebensgröße noch den kunstvoller Arbeit und wohlberechne-
ten Kolorits. — Auch L i t s ch a u e r's (in Düsseldorf) „Falsch-
münzer" sind von bewegter Darstellung und reicher, jedoch
den Gesammteindruck nicht beeinträchtigender Detailarbeit.
Sehr nett sind ferner Hi Rhombcrg's „Vogelhändler",
Kindler's „der treue Wächter" und Kölbl's „Briefdik-
tando"; mehr verführerisch als schön de Jo ng he's „Mor-
gens" (eine junge Dame entwindet sich eben Morpheus'
Armen), und endlich voll des köstlichsten Humors Fischel's
(in Paris) „Commers". —

Als gute Bildnisse erwähnen wir die von Eug. Felix-

Raab, Decker und Kaiser.

Und nun beginne Calame den landschaftlichen Rei-
gen. Ein Calame! Noch immer die noble Haltung,
der seine Parfüm-Ton, und hinter diese» aristokratischen
Emblemen noch möglichst viel Naturwahrheit, so glauben
wir so ziemlich die Richtung charakterisirt zu haben. Man
könnte füglich Calame den Altaristokraten unter den Land-
schaftsmalern nennen, tm Gegensatz zu Osw. Achenbach,
dem Jungaristokrateu. Noch immer der herrlich duftige Luft-
ton, dieser heißglühende Sonnenschleier über Mecressand
und Felsgestade. Dieser jüngere Adel hat wohl den alten
überholt. — Sehr hübsch und von nachhaltiger Stimmungs-
kraft ist Herzog's (in Düsseldorf) „Norwegischer Fjord";
weniger wahr im Ton sind Jakobson's „Mondscheinland-
schaften", wenn auch von pikanter Mache. Ueberaus effektvoll
ist Aug. S chäff er's „Sonnenuntergang"; von intcrcssantcr
Wahrheit ist namentlich die schräge Beleuchtung der in tie-
feres Terrain sich hcrabziehenden Straße. — L i ch tcn-
sels' „Gebirgssee" erfreute uns durch Feinheit des Tons,
doch wünschten wir ihm etwas mehr Abstufung; er wirkt gar
zn gleichmäßig schön. Vortrefflich gemalt ist der See-
spiegel. — Zn nennen find noch die Landschaften von
Han sch, Novopacky, Obermüller und Schiffer.
Die landschaftlichen Aquarellen von va» Hannen mögen
dem Laien Zusagen, stark genug sind sie aufgcträgen. —
Göstl's und Rudo lf Alt's sind wie immer sehr lobenS-
werth, desgleichen die von Mevius. —
 
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