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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0073

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Reisen, besonders nach Italien, stets um sich, damit sie Ge-
legenheit finden sollten, durch das Anschauen der alten klassischen
Meisterwerke ihren Kunstsinn zu fördern und ihren Geschmack
zu bilden und zu läutern.

Merkwürdiger Weise erwähnt keiner der älteren biographi-
schen Schriftsteller, deren es über diesen großen Mann sehr viele
giebt, seinen Geburtsort; wir erfahren nur, daß er aus edlem
sächsischen Geblüt stammte; jedoch weisen verschiedene Notizen,
Kombinationen und Umstände auf das gräfliche Haus Sommer-
schenburg bei Helmstädt als seinen väterlichen Stammsitz hin.
Hier wurde er etwa um das Jahr 950 geboren. Sein Groß-
vater mütterlicher Seits war im Jahre 965 der über den
Hessengau herrschende Pfalzgraf Adalbert.

Schon in frühester Jugend wurde der Knabe seinem Oheim,
dem Domvicar Folk mar in der Hildesheimer Domschule, zur
Erziehung übergeben, später dem Domscholaster Thangmar
daselbst, Männern, welche die in dem wißbegierigen Knaben
schlummernden Talente bald entdeckten und weckten.

Als Notarius der Diöcese hatte Thangmar auch die welt-
lichen Angelegenheiten zu besorgen und mußte deßwegen oft Reisen
unternehmen, auf denen er seinen Lieblingsschüler Bernward als
Begleiter mitnahm und ihn nach Art der altgriechischen peri-
patetischen Philosophen, spazieren gehend, durch Anschauung
unterrichtete.

Bernward's glühender Eifer im Studium der Künste und
Wissenschaften ließ niemals nach. Er schrieb eine deutliche,
schöne Handschrift und übte sich schon früh in der Kunst, Me-
talle zu bearbeiten und Edelsteine in Silber und Gold zu fassen,
in welchen Dingen er sich in der Folgezeit als Meister erster
Größe bewährte.

Als sein berühmtester Mitschüler in der Domschule zu
Hildesheim sei hier der Sohn Heinrich des Zänkers, der nach-
herige Kaiser Heinrich II. („der Heilige") erwähnt, mit welchem
er einen Freundschaftsbund für das ganze Leben schloß.

Nachdem Bernward seine Studien beendet hatte, begab er
sich auf Wunsch seines Großvaters, des Pfalzgrafen Adalbert,
an dessen Hof, wo er längere Zeit zubrachte. Hierauf ver-
weilte er einige Zeit bei dem Erzbischof und Reichskanzler
Willigis, einem Freunde seines verstorbenen Oheims und Kaiser
Otto's Palastkaplan, welcher in Mainz seinen Sitz hatte. Bon
diesem erhielt Bernward die ersten kirchlichen Weihen. Nach-
dem er sodann seinem Großvater die Augen zugedrückt, begab
er sich an den kaiserlichen Hof nach Werla, unweit Goslar,
wohin er durch die verwittwete Kaiserin Theophano berufen
wurde, um den Unterricht und die Erziehung ihres erst sieben-
jährigen Sohnes Otto (III.) zu übernehmen. Daß sein Unter-
richt bei demselben von dem segensreichsten Erfolge gekrönt
wurde, geht ja hinlänglich aus dem ehrenvollen Beinamen
hervor, den die Zeitgenossen dem jugendlichen Otto III. gaben,
denn bekanntlich nannten sie ihn und nennt man ihn noch heute
in der Geschichte „das Wunderkind".

Das Buch, welches Bernward beim geometrischen Unter-
richte für den kaiserlichen Knaben zu Grunde legte, ist ein von
Bernward eigenhändig geschriebenes Manuskript, ein Pergament
in kleinem Folio, welches sich, wenn auch leider nicht mehr
ganz vollständig, noch heute unter den kostbaren Handschriften

der Domkirche befindet. Merkwürdiger Weise vermißt man in
diesem Buche die schön verzierten Initialbuchstaben; nur der
Inhalt eines jeden Kapitels ist durch zinnoberrothe Antiqua-
Majuskelschrift angedeutet. Im Ganzen besteht das Werk noch
aus 114 theils geschriebenen, theils mit geometrischen Figuren
angefüllten Seiten. Es führt auf der höchst einfachen, nur aus
eichenen Brettern bestehenden Einbandsdecke den Titel: „leider
matbematiealis".

Als im Jahre 991 Theophano, die griechische Mutter des
erst neunjährigen kaiserlichen Knaben, starb, wurde Bernward
von diesem sofort zum Reichskanzler ernannt, und der geistreiche
Mann besorgte die Reichsgeschäfte mit großem Eifer, mit Ge-
wissenhaftigkeit und Umsicht.

Nachdem er einige Monate über ein Jahr in dieser
Stellung gewirkt hatte, erösfnete sich ihm ein neues Feld, auf
welchem seine Kenntnisse und künstlerischen Bestrebungen die
herrlichsten Früchte trugen: er wurde einstimmig auf den er-
ledigten Bischofssitz nach Hildesheim berufen, wo er durch seine
seltenen Tugenden und Eigenschaften sich schon früher die Achtung
und Liebe Aller erwarten hatte.

Mit dem größten Pflichteifer für seine Kirche und Diöcese
wirkend und dem gesammten Klerus durch seinen einfachen und
tugendhaften Wandel vorleuchtend, versäumte er keineswegs die
dem deutschen Reiche schuldige Pflicht, denn sein Amt als Kanzler
führte er in seiner neuen Stellung mit der gewohnten Gewissen-
haftigkeit fort. Im Jahre 1000 machte er eine Reise nach
Rom, um in Sachen seiner Diöcese den Papst zu konsultiren.
Bei dem sich damals ebenfalls daselbst aufhaltenden Kaiser
Otto III., seinem ehemaligen Schüler, fand er die herzlichste
Aufnahme und Gelegenheit, die gegen den Kaiser im Aufstande
begriffenen Römer zur Ruhe und zum Gehorsam zurück zu
führen.

Der Anfang seiner Regierung fiel in jene unglückliche Zeit,
als die Normannen das nördliche Deutschland verwüsteten und
im Begriff waren, auch in das reiche Stift Hildesheim ein-
zufallen. Bernward kam ihnen aber zuvor, indem er an den
Grenzen seiner Diöcese einige feste, durch Wassergräben ge-
sicherte Burgen errichten ließ und seinen eigenen Bischofssitz
durch starke Festungswerke schützte. Und um den häufigen
Feuersbrünsten, besonders auf dem Lande, einigen Einhalt zu
thun, schaffte er, so weit als thunlich, die Strohdächer ab und
ließ die Häuser mit Ziegeln belegen, die er ohne fremde An-
weisung und ohne voraufgegangenes Beispiel in selbsterrichteten
Ziegeleien brennen ließ. (Unteres ad tegulam, propria in-
dustria, nulle monstrante, composuit. Leibn. S. ß. Br.
Tom. I. 444.) Ihm gebührt die Ehre, die Dachziegeln er-
funden und den Gebrauch derselben zuerst in Deutschland ein-
geführt zu chaben.

Sein Eifer erstreckte sich auf alle nur denkbaren Bedürf-
nisse, welche sich unter seinen rohen, unkultivirten Unterthanen
vorfanden. Vor allem richtete er sein Augenmerk auf die in
seiner Diöcese fast noch gänzlich unbekannte Schreibekunst. Er
ließ sie nicht nur in der Kathedralschule, sondern auch an an-
dern Orte durch einige kundige Männer einführen.

Diese Einrichtung hatte einen doppelten Werth, einmal für
den Lernenden und sodann für ihn, den Bischof selbst, denn er
 
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