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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0081

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von niedersächsischen Künstlern gegossen wurden und daß ein be-
deutender Fortschritt an ihnen bemerkbar sei.

Zur Zeit der französisch-westphälischen Regierung wurden
die Bernward'schen Thürflügel gottlob für den Transport zu
schwer befunden, sonst wären sie als Beute mit nach Paris
gewandert.

Bernward legte seine Kenntnisse und Erfahrungen in der
Metall-Scheidekunst in einer selbstgeschriebenen Abhandlung nieder.
Dieselbe ist aber während des dreißigjährigen Krieges abhanden
gekommen.

Für die Verschönerung des Domes sorgte Bernward ganz
besonders. Er schmückte die Wände und Getäfel mit Gemälden,
versah die Kirche mit den kostbarsten, aus edlen Metallen ver-
fertigten und zum großen Theil mit kostbaren Steinen und Perlen
reich besetzten Altargefäßen, Leuchtern, Kronleuchtern, Weihrauch-
becken, Kelchen und Patenen, die noch heute der Kathedrale zur
Zierde gereichen.

Ein kostbares goldenes Kreuz von Bernward's Meisterhand
befindet sich in der St. Magdalenenkirche in Hildesheim; es
gehört dasselbe, abgesehen von seinem hohen Kunstwerth, ohne
Frage zu den materiell werthvollsten Krucisixen, welche überhaupt
in der Welt vorhanden sind. Es lohnt sich der Mühe, dasselbe
etwas näher zu beschreiben.

Als am Schluß des Jahres 992 Bernward seinen kaiser-
lichen Zögling Otto III. verließ, um die Regierung des ihm
übertragenen Bisthums zu übernehmen, schenkte ihm der junge
Kaiser zum Angedenken ein Stückchen von dem Holze des Kreuzes
Christi. Dies war für den frommen Bischof ein so kostbares
Geschenk, daß er zu dessen Aufbewahrung und Verehrung ein
kostbares Kreuz verfertigte und zur Aufbewahrung des Kreuzes
wiederum eine (jetzt nicht mehr vorhandene) Kapelle erbauen ließ.

Der Hauptbalken des Kreuzes ist zwanzig Zoll lang und
drei Zoll breit; der Querbalken sechszehn Zoll und von derselben
Dicke wie der Hauptbalken. Alle vier Enden sind mit etwas
breiteren Vierecken versehen. Die ganze Vorderseite dieser Antike
ist mit einer meisterhaft ausgearbeiteten, 24'/- Loth des besten
Goldes schweren Platte belegt und mit 230 kostbaren Edelsteinen,
Perlen und Krystallen besetzt, darunter besonders beachtnngswerth
fünf Onyxe, drei Achate und vier Sarder, sämmtlich antik
(griechisch) und mit Figuren versehen. Die Zwischenräume sind
in Zeichnung eines Laubwerks mit Filigranarbeit geziert. In
dem obern Viereck befindet sich hinter einem.ovalen Krystall und
an einer goldenen Kette beweglich hängend der in vier Theilchen
zerlegte, braunfarbige Span vom heiligen Holze, in Form eines
Kreuzchens mit der Beischrift: „Lignum Domini Dei." Die
Hinterseite des Kreuzes bedeckt eine mit dem Bildnisse des Ge-
kreuzigten und den Evangelisten geschmückte vergoldete Kupferplatte.

Ein ähnliches Kreuz, aber von vergoldetem Silber, von
Bernward ebenfalls eigenhändig verfertigt, befindet sich als Ge-
schenk des Künstlers in der Klosterkirche zu Heinig. Dasselbe
hat in seinen Einfassungen vier Onyxe mit eingegrabenen Figuren,
19 Amethiste, einen Achat, einen Smaragd und mehrere Krystalle.

Ein drittes von Bernward geschaffenes Kreuz ist gleichfalls
von Silber und mißt 13 Zoll. Dasselbe ist einfach und be-
findet sich unter den Schätzen des Domes.

Auch der im Mittelschiff des Domes hängende kolossale

Kronleuchter ist ein Werk Bernward's. Er wurde jedoch erst
von einem seiner Nachfolger vollendet, da ihn während der Arbeit
der Tod überraschte. Er ist reifförmig und stellt in seiner viel-
fachen Durchbrechung die Mauern Jerusalems dar, und zwar
das neue Jerusalem nach der Offenbarung Johannis. Zwölf
Thürmchen von kunstvoll durchbrochenem, stark vergoldetem Kupfer
ragen mit abwechselnd ebenso vielen Nischen an derselben hervor.
Die in den Nischen früher befindlich gewesenen zwölf Apostel
von Silber sind im dreißigjährigen Kriege — wie die Katholiken
behaupten, von den Schweden — geraubt worden, ebenso die
kleinen silbernen Standbilder, welche die Auserwählten des alten
Bundes vorftellten und in den Thürmchen befindlich waren. Auf
dem obern Rande des großen ringförmigen Kronleuchters befin-
den sich in symmetrischer Vertheilung 72 Leuchter zur Aufnahme
von Wachslichtern.

Ein kleinerer Kronleuchter ähnlicher Form von Bernward,
aber weniger kunstvoll gearbeitet, hängt über dem Hochaltäre.
Die silbernen Figuren, welche er enthielt, sind während der Re-
formationszeit verschwunden.

Eine der schönsten Zierden des Domschatzes ist der in
gothischem Styl gehaltene sog. Bernwards-Stab, ein Hirtenstab
von außerordentlich reicher, kunstvoller Arbeit und von einer
unbeschreibliche?! Schönheit. Keine Kirche dürste ein ähnliches
Exemplar aufzuweisen haben. Bernward führte ihn vom Jahre
993 bis 1022; man darf voraussetzen, daß er ebenfalls aus
seiner kunstvollen Hand hervorgegangen ist.

Nachdem Bernward im Jahre 1001 von seiner römischen
Reise zurückgekehrt war, begann er den majestätischen Bau des
noch jetzt vorhandenen Benedictiner-Münsters.

„Im Jahre dusent un ein
Legte Bernward den ersten Stein," —
wie denn überhaupt nachweislich nach dem Jahre 1000, als der
unter Fasten, Geißelungen und Selbstpeinigungen aller Art so
bang erwartete jüngste Tag nicht erschienen war, die Baulust in
Deutschland allgemein erwachte.

Als ihn sein Schulgenoß und Jugendgespiele, der Kaiser
Heinrich II., im Jahre 1003 besuchte, spendete derselbe zur
Fortsetzung des Baues vieles Geld und ließ unter Anderm den
berühmten Kreuzgang, welcher die Kirche mit dem gleichfalls von
ihm gestifteten Ungeheuern Kloster zum hl. Michael (jetzt Irren-
Anstalt) verbindet, erbauen.

Das Münster, gegenwärtig dem protestantischen Gottes-
dienste dienend, ist in romanischem Styl erbaut und zählt zu
den schönsten Baudenkmälern Deutschlands.

Einige, doch gottlob wenige Kunstwerke Bernward's sind
im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte des Glaubenskrieges
und des Vandalismus verloren gegangen, unter andern mehrere
Leuchter und Kelche.

Der Künstler starb in den Armen seines Bruders Tammo,
am 20. November 1022, zwei Jahre vor dem Tode seines
Schulfreundes Heinrich II., nachdem ihm aber sein Schüler
Otto III. bereits zwanzig Jahre im Tode voraufgegangen war.
Sein Leichnam wurde in einen kunstvollen, von ihm selbst ge-
meißelten steinernen Sarkophag gelegt und in der Gruftkapelle
seines herrlichen Münsters beigesetzt. Sein selbstgefertigter Leichen-
stein trägt eine lateinische Inschrift, die deutsch folgendermaaßen
 
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