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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0108

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akademischen Richtung als von den Auswüchsen der modernen Ten-
denzen freizuhalten gewußt, während er in Bezug auf Farbe die
Fortschritte sich aneignete, welche die Kunst in den letzten zwanzig
Jahren nach dieser Seite hin unleugbar gemacht hat. Jeder Theil
seiner Arbeit beweist, daß es ihm redlicher Ernst ist und daß er
das Ziel seines Strebens anderswo sieht als in dem Lobe des
Marktes. Ich kann ihm dazu nur Glück wünschen.

Reinh. Seb. Zimmermann sendete kürzlich ein „Unterbrochenes
Karten-Spiel" zur internationalen Ausstellung. Leider machte es
ihm die Kürze der Zeit unmöglich das Bild im hiesigen Kunst-
vereine auszustellen. Allerdings ist der Stoff schon von Anderen
vor ihm behandelt worden, doch darf man, glaube ich, den Künstler
deshalb nicht tadeln, wie man es von gewisser Seite wohl erwar-
ten darf. Wie leer wären, ich bitte das jene strengen Richter wohl
zu bedenken, wie leer wären die Wände unserer Galerien, wenn
jeder Künstler nur solche Gegenstände behandelt hätte, die vor ihm
kein Anderer dargestellt hätte! Man denke nur an die Hunderte
von Madonnen, Dreieinigkeiten, männliche und weibliche Heiligen
u. s. w. und man wird das Ungerechte eines solchen Einwurfs bald
einsehen. Was man von einem Künstler in einem solchem Falle
billiger Weise fordern darf, das hat Reinh. Sebastian Zimmer-
mann redlich gethan: er hat dem Gedanken eine ganz neue Seite
abgewonnen und denselben durch eine äußerst glückliche Jndividua-
lisirung seiner handelnden und leidenden Personen trefflich ausge-
sprochen. Der Bursche war auf den Markt geschickt, ist auf dem
Heimwege in die Schenke gerathen und hat ein Spielchen gemacht.
Nun tritt das Schicksal in Gestalt des erbosten Vaters herein und
hat dem einen Jungen bereits sein gebührend Theil verabreicht.
Der Zweite soll nicht so leichten Kaufes durchkommen, wie der
Griff lehrt, mit welchem der Alte seinen Haselnußstecken unter dem
Arme hervorholt. Sie wissen, daß München, das früher wegen
des hier fühlbaren Mangels an Koloristen gar manches scharfe
Wort zu hören bekam, in den letzten Jahren jene Scharte voll-
kommen auswetzte. Ein guter Theil dieses Verdienstes gebührt
auch Reinh. Sebastian Zimmermann, der in Bezug auf Farbe und
vollendete Durchbildung seiner Arbeiten stetige Fortschritte macht.
Nach den letztbezeichneten Richtungen hin muß sein „Unterbrochenes
Karten-Spiel" entschieden als das beste seiner Bilder und unter
den Besten, was seit mehreren Jahren dahier geschaffen wurde, ge-
nannt werden. Große koloristische Vorzüge wohnen auch ein paar
kleineren Bildern inne: „Der Pfarrer im Dienste" und „Im Pri-
vatleben". Jenes zeigt den würdigen Priester in der Sakristei
einem sündhaften Beichtkinde gegenüber und ist in feinem Silber-
tone gehalten; dieses führt den Beschauer in den Pfarrkeller, in
welchem der Besitzer mit einem fremden Gaste eben eine ergiebige
Probe anstellt. Im Gegensätze zum ersten ist das zweite Bild
von einem prächtigen Goldschimmer Überflossen, dessen Quell das
durch die Kellerthür einströmende Sonnenlicht bildet. (Forts, folgt.)

M. Netv-Nork, Ende Januar. (Kunst-Ausstellung des
Künstler-Vereins „Palette". Fortsetzung.) Kehren wir
nach dieser Abschweifung in's Gebiet der Plastik zur Land-
schaftsmalerei zurück. Es wird mit dieser Gattung der Kunst
viel Mißbrauch getrieben, nicht nur von Dilettanten, sondern auch
von Künstlern und die es werden wollen. Jeder wagt sich eher an
ein ihm nahe liegendes, von der Natur unmittelbar gebotenes Sujet
als an die Ausführung einer selbstkoncipirten Idee, eines selbst-
ständigen Gedankens. Daher die Unmasse von schlechten Land-
schaften, welche alljährlich entstehen und trotz alledem und alledem
in Hütten und Palästen aufgehängt werden. Das große Publikum

ist in seinem Urtheil der Landschaft gegenüber in ähnlichem Fall
wie der Künstler. Wenn Jemand noch so zurückhaltend ist, über
ein Figuren- oder Genrebild eine Ansicht zu äußern, in der Land-
schaft findet er sich sofort zurecht, weil sie Motive repräsentirt,
welche seiner eigenen Anschauung geläufig sind. Und sonderbarer Weise:
trotzdem, oder gerade deshalb, finden die mittelmäßigen Produkte
dieses Genres den meisten Beifall und bereitwillige Käufer. Viele
sogenannte Landschaftsmaler klatschen die Natur ab, wie sie dieselbe
finden, tifteln in Details und glauben ein Kunstwerk geschaffen zu
haben, während ihre Leistungen sich nicht über die Berechtigung des
Handwerks hinausschwingen; Andere karrikiren die Natur, d. h. sie
übertreiben in grellen Effekten, grotesken Formen und blendenden
Reflexen. Der wahre Künstler erfaßt den Geist der Natur in
ihren Formen und schafft in seinem Bilde eine ideale Reproduction
Dessen, was sich dem Auge als ein geschlossenes Ganze darstellt.
Nicht, als ob der Künstler die Natur in Form und Farbe, im Ar-
rangement ihrer Gegenstände übertreffen, nicht als ob er etwas
„besser machen" könne; aber die Natur wechselt in ihrer Erschei-
nung jeden Augenblick und es handelt sich beim Künstler, der einen
empfangenen Eindruck auf der Leinwand reproduciren will, darum,
den für seinen Zweck günstigsten Moment zu erfassen, und dann in
seiner idealen Anschauung so zu verallgemeinern, daß nicht mehr
das Portrait einer Gegend, sondern ein Bild uns entgegentritt,
welches uns das heilige Geheimniß der schaffenden Natur, von be-
stimmten gegebenen Motiven abgeleitet, in kräftiger Fülle entgegen-
bringt, das auf jeden Beschauer den Eindruck macht, „als sei er
schon einmal da gewesen." — Dieser höchste Moment der Land-
schaftsmalerei — bei dem selbstverständlich gewissenhaftes Detail-
studium der Natur und Zeichnung vorausgesetzt werden muß —
nennt man Stimmung, und diese allein sollte bei der Schätzung
einer Landschaft maaßgebend sein.

In der Ausstellung der „Palette" befinden sich mehrere Bilder,
welche es vertragen, von diesem Standpunkte aus betrachtet und
beurtheilt zu werden, unter Anderem das Pastorale von William
Hart. Dasselbe trägt in hohem Grade dieses (um das die Parallele
zu Dem, was wir oben zu erläutern gesucht haben, aus der Ton-
kunst zu holen) gewissermaßen symphonische Gepräge. Es ist der
Ausdruck des tiefsten Friedens, einer heiligen Ruhe in der Natur,
wie sie nur in der reinsten Stimmung zu erfassen ist. Im Mittel-
gründe spiegelt ein stilles, klares Wasser schön gruppirte, überhän-
gende Bäume wieder; rechts weidende Kühe, links blickt aus dem
Laubdunkel ein wohnliches Häuschen und ein friedlicher Kirchthurm,
den Hintergrund bildet eine in laue, weiche Sommerluft sich ver-
lierende Thalperspektive. Alles in dem Bilde athmet gesättigte,
sorglose Ruhe, und unwillkürlich fallen Einem Horazens sehnsüchtige
Verse ein: Beatus ille re. Die Ausführung ist eine der weichen
Stimmung durchaus entsprechende und erinnert an das große Bild
desselben Künstlers, welches unter dem Namen „Die goldene Stunde"
in der Academy of Design, vor einiger Zeit zu sehen war.
Ein anderes, ebenfalls vorzügliches Bild tritt uns in der „Land-
schaft" von Hermann Füchsel entgegen. Es ist gleichfalls ein
ländliches Stillleben, ohne großartige Effekte, aber durchaus har-
monisch komponirt und ausgeführt. Im Hintergrund heben sich,
perspektivisch zurücktretend, schön gruppirte Bergkonturen ab. Im
Vordergründe Laubwerk, Felspartien und weidende Schafe, wäh-
rend sich in der Mitte ein sonniges Thal mit Dorf und Kirchlein
öffnet, und den Beschauer gleichsam einladet zum Nähertreten. Mit
einer solchen Landschaft kann jeder empfängliche Mensch leicht Be-
ziehungen anknüpfen, und erregt dieselbe mit Recht bei den Besuchern
Aufmerksamkeit und Bewunderung. (Forts, folgt.)
 
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