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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0137

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es ist, außer einem Bildchen — und ich glaube, es ist nicht einmal
von einem Deutschen — nichts den Stoff überhaupt Berührendes da.
Das Kuriosum sei erwähnt, weil es zu denken giebt und man fragen
könnte, welche Nation eine gleiche Erscheinung hervorgebracht hätte.

Ueberblicken wir die Ausstellung im Großen und Ganzen, so
haben wir sogleich auszusprechen, daß keine einzelnen Effektstücke,
keine Seltsamkeiten, keine solchen Bilder da sind, mit welchen die
Schaulust sich rasch befriedigt, alles Andere abthuend, mit der billig
zu schöpfenden aber ungerechten Kritik, es stände weit dahinter und
wenn man die einzigen wenigen Stücke gesehen, sei man fertig, das
Andere lohne die Mühe nicht. Nein, es ist viel Tüchtiges da.
Das Durchschnittsmaaß der Leistungen ist ein hoch gehaltenes, und
Fleiß und Streben zeigen sich sehr vielfach der Anerkennung Werth:
kurz, es ist eine gute Ausstellung.

Die Historie ist wie gesagt nur in sehr wenigen Nummern und
sowohl dem Raume wie dem Stoffe nach in bescheidener Weise ver-
treten. Selbst hiervon schweben noch Nummern zwischen Genre
und Historie, wie Dietz (zudem -f) „Pfahlbautenbewohner" und
Carl Blaas „Syrenen aus der Odyssee", welche man beliebig
in die eine oder andere Rubrik rechnen könnte. Auch die Mytho-
logie ist abdicirt und scheint mit allen ihren Verführungskünsten,
welche die letzte große Ausstellung in Berlin so sehr beunruhigten,
zeitlich außer Dienst zu stehen. Die kirchliche Kunst ist wahrschein-
lich nur auf direkte Bestellung und sofortige Ablieferung an den
bleibenden Platz angewiesen. Außer einer „Madonna mit dem Jesus-
kinde" und dem Knaben Johannes" von Neugebauer, das ein be-
deutendes Werk ist, zeigt sich nichts Bedeutung Erstrebendes.

Fragen wir sowohl im Genre wie auch in der Landschaft nach
den Leistungen der wiener Künstler, so stellt sich sofort heraus, daß
die eigentliche Last und Ehre des Ganzen die älteren, bewährten
Künstler tragen. Nur wenige spärliche Ausnahmen sind vorhanden.
Was gerne separate „junge oder jüngste Schule" sein möchte, reicht
in der Zeichnung, in der Farbe, im Studium der Wahrheit und in
der ästhetischen Wahl nicht hinan —- wir werden dies allmälig bei
der Prüfung der einzelnen Bilder in den kommenden Artikeln aus-
einandersetzen. (Forts, folgt.)

F. K. München, Ende März. (Ausstellung im Kunst-
Verein. Schluß.) Gewisses Aufsehen erregte ein größeres Bild
von A. Böcklin, „Küstenräuber" darstellend. Auf hohem Felsen
brennt ein Schloß, welches Küstenräuber in Brand gesteckt haben.
Ueber einer Schlucht spannt sich ein weiter Brückenbogen, auf dem
die Bewohner des Schlosses weggeschleppt werden. Eine weibliche
Figur wird von der Brücke in die Schlucht hinabgestürzt. Ein
Greis mit seiner Tochter, an die sich ihr Kind klammert, werden
an den Strand geschleppt, wo brandend die hellen Wogen anschlagen.
Der Führer der Piraten lauert in einer Schaluppe unfern vom
Strande, um die Beute in Empfang zu nehmen. Dies ungefähr
ist der Inhalt des Bildes. Was die Darstellung betrifft, so waren
wohl die meisten Beschauer beim Anblicke des Bildes etwas ver-
blüfft, denn dasselbe zeigt noch mehr als andere Böcklin'sche Bilder
eine ganz aparte Tongebung, an die man sich erst gewöhnen muß, diese
dann aber sofort begreift. Viele Künstler, welche nicht anders können,
als Bilder nach einem konventionellen, schematischen Vortrage zu be-
urtheilen, wandten sich kopfschüttelnd von so scharfen Kontrasten ab,
die allerdings aus dem Bilde sprechen. Allein Böcklings Bilder lassen
sich nun einmal nicht nach dem gewöhnlichen Alltagsmaaßstabe unserer
guten Muhme, der Akademie, beurtheilen, das Kolorit ist in ihnen
häufig auf die Spitze getrieben, unbekümmert, wie diese Härten auf den
Beschauer wirken. Dafür aber besitzen sie Eigenschaften, vor denen
so mancher gedankenarme Künstler wirklich scheu werden könnte:

Geist und eine bis zur Wildheit gehende Phantasie, welche an die
Gedanken Byrons erinnert. Diejenigen, welche frischer zu denken
gewohnt sind, werden vor den mit so großer Begeisterung und tiefer
Empfindung gemalten Bildern Böcklin's ganz gewiß nicht jenes
sonderbare Achselzucken mit spöttischem Lächeln haben, mit dem Andere
das Bild beurtheilten. Auch diese werden dem prächtig gemalten,
krystallhellen Wasser, bem Vortrage der Luft und der Felsen ihren
vollen Beifall nicht absprechen können.

Die stille Feier der Natur wußte wieder Ed. Schleich in
seiner „Landschaft bei Föhring" zu schildern: „Frühlingsluft so rein
und kühl" weht uns aus dem Bilde sonntäglich entgegen.

W. Leibl hatte vier Bilder ausgestellt, welche dem gefeierten
Koloristen, namentlich von Seite der Kunstkenner, zahlreichen Beifall
eintrugen. Und in der That stehen die beiden Genrebilder in tech-
nischer Hinsicht auf ganz bedeutender Höhe. Ein fabelhafter Fleiß,
ein Jneinanderarbeiten der Töne, Schmelz und volle Harmonie der
Farben lassen die Bilder sofort als bedeutende Leistungen erscheinen.
Ebenso interessant war die Besichtigung der beiden flott gemalten
Farbenskizzen „Portrait" und „Genrebild".

Nicht minder anziehend war eine sehr ausgeführte Skizze „Aus
der Schlacht bei Floing" (Sedan) von Franz Adam. Es ist die-
jenige Scene, wo die Franzosen durch einen Massen-Kavallerie-
Angriff den eng und enger sich ziehenden Kreis der Deutschen bei
Sedan durchbrechen wollten. Aber die preußische Infanterie in langer
enger Kette, giebt, ruhig den Angriff aushaltend, ihr Schnellgewehr-
feuer ab, das verheerend in die feindlichen Massen einschlägt und
diese zur Flucht zwingt. Die Situation ist höchst ergreifend ge-
schildert, man glaubt das Knattern des Schnellfeuers zu hören. Der
lebendige Eindruck wird dadurch noch erhöht, daß der Künstler die
feuernde preußische Infanterie in den Vordergrund stellte, ihr gegen-
über die heranbrausende feindliche Kavallerie. Die Komposition ist
äußerst klar und verständlich und giebt ein in hohem Grade an-
schauliches Bild von großartiger Wirkung.

In der Architektur hatte Ro b. Aßmus ein sehr stimmungs-
volles, charakteristisches „Bild aus Straßburg" mit dem Blick aus
das Münster ausgestellt. Eine ebenfalls der Architekturmalerei an-
gehörende, sehr pittoresk behandelte „Ansicht von Venedig" malte
G. Schönleber, worin gleichzeitig die Marine von sehr schönem
Vortrage ist. — Die „Landschaft mit Staffage" von Th. Her erinnert
an französischen Geschmack, ist aber von schönem Gesammtton und
breiter Behandlung des Laubes. — Auch aus dem „Staremberger-
See" von I. Koehnholz spricht ein tieferes Gefühl für Stimmung,
die ihren Ausdruck in dem mit schweren Regenwolken behangenen
Himmel und dem scharf beleuchteten Terrain zeigt.

Ein schlichtes Stück Natur suchte sich Joh. Nielssen aus,
indem er ein enges Wasserbecken wählte, aus dem mäßig hohe Felsen-
und Berghänge aufsteigen, vor denen sich ein abgetakeltes Schiff be-
findet. Das Bild macht den Eindruck absoluter Wahrheit und ist
auch ohne Zweifel nach einer ausgezeichneten Studie des Künstlers
gemalt. — Ehr. Mali's „Viehstück" ist eine ebenso freundliche wie
malerisch behandelte Idylle, voll Leben und Treue. — Das große
Portrait von Schachinger zeigt ein nicht gewöhnliches Talent,
dem es an geschickter Auffassung und Farbensinn keineswegs fehlt.
— Joseph Brandt führt uns in ein schmutziges, pfützenreiches
polnisches Städtchen in der Nähe von Lemberg. Es ist Markttag,
der uns ein buntes Leben und Treiben zeigt, das der Künstler in
den Mittel- und Hintergrund des Bildes gelegt hat. Außer dem
ethnographischen Interesse hat das Bild auch durch die schöne Technik
seine Anziehungskraft. — Karcher läßt eine Gruppe Venetianer
vor einer der Säulen des Dogenpalastes eine „Publicazione“ lesen
und hat damit ein gelungenes, malerisches Bild geschaffen. -—Horst
 
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