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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0265

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252

Direktor Bendemann ergangen, endlich wurde mit Bestimmt-
heit versichert, mit Direktor Kreting in Nürnberg seien bereits
Unterhandlungen angeknüpft. Wie viel diesen nur gerüchtweise
in's Publikum gedrungenen Nachrichten Glauben zu schenken, ist
gleichgültig: es wird aber dadurch konstatirt, einerseits, daß
man an maaßgebender Stelle ernstlich die Nothwendigkeit einer
Neubesetzung der Direktorstelle gefühlt, andrerseits, daß Berlins
akademisches Kontingent, wie es scheint, keinen für diese Stelle
passenden Künstler aufzuweisen hat. Es ist unsre Absicht nicht,
das Für oder Wider dieser Ansicht in Betracht zu ziehen, ob-
schon wir unsre Meinung nicht verhehlen wollen, daß mau doch
wohl in Berlin einen passenden Direktor finden könnte, wenn
man nur nach der rechten Richtung hin suchen wollte; einen
Direktor, der nicht nur die Kunstschule, welche die eine Seite
der Akademie bildet, mit Intelligenz und Kraft leiten könnte,
sondern auch — was keineswegs hierbei zu unterschätzen — die
genügende allgemeine Weltbildung und das Repräsentationstalent
besäße, um als würdige Spitze der obersten preußischen Kunst-
Anstalt als officieller Behörde deren Ansehen und seine Würde,
wo es gälte, zu behaupten.

Es möchte daher wohl noch ein anderer Grund als der
Mangel einer passenden Persönlichkeit dafür obwalten, daß diese
Stelle bisher immer noch unbesetzt geblieben ist, nämlich der,
daß, bei der vorhandenen Mangelhaftigkeit des bisherigen Lehr-
und Verwaltungssystem der Akademie, eine Besetzung, weil sie
auf Grund der jetzigen veralteten Organisation geschehen müßte,
nothwendig als eine Konsolidirung dieses einer durchgreifenden
Regenerirung bedürftigen Zustandes ausgefaßt werden müßte.
Die Bestimmung des Direktoriums nach Umfang und Inhalt
dieser einflußreichen Stellung, und zwar nicht nur im Verhält-
niß zu den Mitgliedern, Lehrern und Schülern der Akademie,
sondern auch in Beziehung auf das Kultusministerium, sowie
auf die andern Kunsteinrichtungen und das gesammte Kunstleben
des Staats, ist undenkbar ohne vorherige Feststellung der Prin-
cipien, auf welche die Reorganisation gegründet werden soll.
Das Direktorium ist die letzte Spitze dieser Reorganisation, die
letzte Schöpfung in dem neuen System, der Giebel des Ge-
bäudes, welches erst gebaut werden soll. Wie man bei einem
Hause nicht mit dem Dach beginnen kann, sondern zuerst das
Fundament legen und den ganzen Bauplan fertig schassen muß,
so kann man auch — hat man wirklich die Nothwendigkeit einer
Reorganisation erkannt und die feste Absicht, sie auszuführen —
nicht mit der Wahl eines definitiven Dierektors beginnen, son-
dern diese Wahl muß der letzte Akt sein, der das fertige
Ganze krönt.

Somit gewinnt es den Anschein, als ob die Zögerung,
die Direktorstelle zu besetzen, vielmehr einen günstigen Schluß
auf den festen Entschluß der Regierung ziehen lasse, die Aka-
demie einer gründlichen Reorganisation zu unterwerfen. In der
That ist diese Frage bereits länger und zu wiederholten Malen
im Schooß der Regierung zur Sprache gekommen, es sind ver-

schiedene Gutachten über einen Reorganisationsplan eingeholt und
erörtert worden, und nur die vis major der politischen Fragen
und der letzten kriegerischen Ereignisse nebst den sich daran knüpfen-
den Verhandlungen der äußeren Politik scheinen die Aufmerksam-
keit vorläufig von diesen inneren Kulturfrageu abgelenkt zu haben.

Die Frage der definitiven Besetzung des akademischen Di-
rektoriums ist ohne Zweifel eine Principienfrage, und deshalb
eine offene. Ehe man an eine passende Persönlichkeit für diese
Stellung denkt, muß diese Stellung selber erst definirt werden.
Dies ist nun der Punkt, an den wir einige Vorschläge knüpfen
wollen.

Man hat bisher die Ernennung eines ständigen Direktors
(auf Lebenszeit) als selbstverständliche Voraussetzung gelten lassen
und hieran weitere Folgerungen geknüpft. Allein, ist denn —
fragen wir — die Ernennung einer bestimmten Person zum
lebenslänglichen Pirektor durchaus nothwendig, ja nur wünschens-
werth? Wäre nicht ein unter den Mitgliedern des Senats nach
einem bestimmten Modus — etwa nach der Anciennetät oder
nach freier Wahl — alternirendes einjähriges Direk-
torium in mehrfacher Beziehung vortheilhafter?

Diese Frage dürfte wohl einer näheren Betrachtung werth
sein. —

Zunächst ist klar, daß keinerlei Nothwendigkeit für die
Ernennung eines lebenslänglichen Direktors vorhanden ist: dies
beweisen unsere Universitäten, deren Direktorium, die Würde des
Rector magnificus, alljährlich unter den ordentlichen Professoren
der verschiedenen Fakultäten wechselt. Es liegt durchaus kein

Grund zu der Annahme vor, daß die Stellung eines akade-
mischen Direktors — sei es aus Rücksichten der Administration
oder der Repräsentation —• mehr au eine bestimmte Person ge-
bunden sein müsse als die eines Rector magniücus der Uni-
versität. Das Direktorium beschränkt sich hier wie dort auf

die Function einer Vollziehungsbehörde der Senatsbeschlüsse; der
Senat also ist der eigentliche administrative Körper, welcher
nach Stimmenmehrzahl beschließt, während der Direktor diese

Beschlüsse nur auszuführen, eventuell den Behörden und der

Oeffentlichkeit gegenüber zu vertreten hat. Er ist nur die for-
melle Spitze des Senats. An welche Person sich diese
Function knüpfe, ist gleichgültig, vorausgesetzt, daß diese Person
■—- was doch wohl von allen Mitgliedern des Senats erwartet
werden darf — überhaupt befähigt ist, dieser formellen Function
zu genügen.

Wenn aber keine Nothwendigkeit für die Ernennung eines
lebenslänglichen Direktors vorhanden ist, so bleibt nur noch die
praktische Seite, die Frage der Zweckmäßigleit, zu betrachten.
Die Wichtigkeit dieser Frage ist nicht zu unterschätzen; ja, sie
mag für Manche eine höhere Bedeutung haben als die Frage
des Princips. Jedenfalls ist sie in diesem Falle, wo es sich
um ein wesentlich praktisches Institut handelt, nicht ohne Weiteres
von der Hand zu weisen. Versuchen wir dieselbe zu beantworten.

(Fortsetzung folgt.)
 
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