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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0273

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die preußische in Berlin — als Kunstbehörde bestehen und trenne
die Function der Lehranstalt von ihr, so daß die Kunstschule
zwar mit ihr verbunden wäre, aber wie alle anderen Kunst-
schulen (Düsseldorf, Königsberg, Danzig, Erfurt, Magdeburg,
Breslau u. s. f.) nur in einer administrativen Beziehung zu
ihr stände.

Wenn jedoch die Akademie — nach dem Muster der Uni-
versitäten — zugleich eine Lehranstalt sein soll, so müßte auf
ihr — im Unterschiede von den Kunstschulen, die etwa mit den
Gymnasien oder Realschulen rangiren würden ■—- dem auf den
letzteren herangebildeten Künstler wirklich Universales gelehrt
werden: Allgemeine Weltgeschichte, Psychologie, Mythologie (na-
mentlich vergleichende), Literatur- und Kunstgeschichte, Kostüm-
kunde, Aesthetik; kurz solche Disciplinen, welche schon eine ge-
wisse praktische Fachbildung voraussetzen. Schwerlich dürfte die
Gelegenheit zu einer derartigen allgemeinen Ausbildung für unsere
Künstler überflüssig sein. Wenigstens müßte doch dem höher-
strebenden jungen Künstler die Möglichkeit geboten werden, sich
solche allgemeineren und tieferen Kenntnisse zu erwerben, was jetzt
nicht der Fall ist. — Man weise nicht auf die Universität hin,
als auf welcher ja die jungen Künstler, die sich in diesen Dingen
unterrichten wollen, Vorlesungen hören könnten. Der Unterricht
auf der Universität ist ein durchaus ungeeigneter für Künstler;
nicht nur deshalb, weil er eine klassische Vorbildung voraussetzt,
die ein auf der Kunstschule gebildeter junger Mann, der vielleicht
aus Quarta, wenn's hoch kommt, aus Tertia des Gymnasiums
abgegaugen ist, sich anzueignen weder Gelegenheit noch Zeit hat,
sondern auch, weil die Art der Darstellung sich der künstlerischen
Empfindung in keiner Weise anpaßt, darauf in keiner Art be-
rechnet ist, berechnet sein kann. Nehmen wir z. B. einen Kursus
der Weltgeschichte. Wie anders müßte die Weltgeschichte, wenn
der Unterricht darin für einen angehenden Historienmaler frucht-
bar werden soll, auf der Akademie gelehrt werden als auf der
Universität, wo es sich lediglich um das wissenschaftliche Interesse
handelt: das blos statistische, politisch-diplomatische u. s. s. Ma-
terial hat für den Künstler wenig oder keinen Werth, um so
mehr aber das anschaulich-Dramatische, die Charakterschilderungen
großer Männer rc., Dinge, aus welche wieder beim rein wissen-
schaftlichen Unterricht wenig reflektirt wird. Und so ist es in
allen andern Disciplinen, wie leicht nachgewiesen werden könnte.

Kommen wir jedoch von dieser Abschweifung, deren Inhalt
uns vielleicht ein anderes Mal näher beschäftigen wird, zur Di-
rektorialfrage zurück.

Wenn die Akademie aus ihrem gegenwärtigen haltlosen
Zwitterzustand zu einem wahrhaft potenten Faktor des öffent-
lichen Kuustlebens erhoben werden soll, so kann dies also unsrer
Ansicht nach nur dadurch geschehen, daß sie als oberste Kunst-
behörde des Staats zugleich die Stellung einer Kunst-Uni-
versität annimmt, indem sie die praktischen und technischen
Disciplinen den Kunstschulen überläßt. Dann aber wäre grade
die Einführung eines alternirenden Direktoriums sehr
zweckmäßig. Ob die Ernennung des jeweiligen Direktors jähr-
lich oder zweijährlich u. s. f. stattfinde, ob sie nach der Frage
der Anciennetät im Amte oder nach freier Wahl geordnet werde,
bleibe dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen. Uns schweben
dabei etwa folgende statutenmäßige Bestimmungen vor:

1. Der Direktor der Akademie wird jährlich durch den
Senat aus seinen Mitgliedern gewählt. Es sind % der sämmt-
lichen Stimmen nothwendig. Die Bestätigung bleibt Sr. Maj.
dem Könige Vorbehalten. — 2. Der Turnus ist vierjährig;
d. h. wer zum Direktor gewählt ist, darf in den nächsten drei
Jahren nicht wieder gewählt werden. — 3. Es ist wünschens-
werth, daß die Wahl in dem vierjährigen Turnus zwischen den
vier Hauptkünsten wechsele, so daß also ein Bildhauer, ein Maler,
ein Architekt und ein graphischer Künstler in jedem Turnus auf-
einanderfolgen.

Welche Functionen nun dem Direktor zu übertragen wären,
darüber eine Ansicht auszusprechen, halten wir für ungeeignet,
weil diese Frage mit dem ganzen Organismus der Akademie
zusammenhängt. Dagegen scheint uns noch ein weiterer Punkt
wohl beachtenswerth, nämlich ob die in Vorschlag gebrachte
Trennung der Functionen der Kunstschule von der Kunst-Uni-
versität es nicht zweckmäßig erscheinen lasse, den Nameu „Di-
rektor" für die Kunstschulen zu reserviren und statt eines Aka-
demiedirektors einen Präsidenten der königl. preußischen
Akademie der Künste in Berlin, dem dann alle Kunst-
lehranstalten des Staats unterstellt würden, zu kreiren.

Mit diesen absichtlich im Allgemeinen gehaltenen Bemerkun-
gen über die Direktorialfrage gehen wir nun zu dem zweiten
Punkte über, nämlich auf jene durchaus veraltete Einrichtung
der sogenannten akademischen Konkurrenz, in welcher sich
die Mangelhaftigkeit des bisherigen Lehrsystems vorzugsweise
kund giebt.

Wir haben hiebei vorzugsweise die Konkurrenz um den
„Staatspreis" im Auge, welcher in einem dreijährigen Studien-
Aufenthalt in Italien besteht. Wir werden Nachweisen, daß so-
wohl der Modus der Konkurrenz selbst wie der Zweck derselben,
die „Studienreise", auf unrichtigen Principien und Voraus-
setzungen beruht.

Was zunächst den Zweck, die obligate Romfahrt, betrifft,
so ist dieselbe von den verständigeren unter den Künstlern selbst
längst als veraltet und zwecklos erkannt worden; wenigstens wenn
es sich um die Konkurrenz für Malerei handelt. Für den Bild-
hauer mag Rom durch den Reichthum an Antiken fruchtbare
Bildungselemente besitzen, obgleich ein wirklich ersprießlicher Auf-
enthalt in Rom ganz andere umfassende künsthistorische und selbst
antiquarische Vorkenntnisse erfordert, als sie einem Schüler der
Akademie zu Gebote stehen. Was dagegen die Maler betrifft,
so weiß jeder Künstler aus eigener Erfahrung, meisteutheils auch
zum eigenen Schaden —, daß ein Aufenthalt in Italien zum
Studium der alten Meister nur dann erst wahrhaft fruchtbrin-
gend für die künstlerische Ausbildung wird, wenn diese einen
gewissen Grad technischer Sicherheit erreicht hat. Einen Schüler
der akademischen Malklasse nach Rom schicken, ist ungefähr das-
selbe, als wenn man einen Quartaner mit Ueberspringung der
höheren Klassen auf die Universität senden wollte. Das Resultat
kann nur eins sein: Hemmung der naturgemäßen Entwicklung
durch die unausbleibliche Verwirrung, welche der Versuch eines
Studiums, das so bedeutende Vorkenntnisse in technischer, kunst-
geschichtlicher und ästhetischer Beziehung voraussetzt, nothwendig
zur Folge haben muß. Das Beste, was daher die jungen Leute
aus Rom mit zurückbringen, ist eine gewisse Fertigkeit im Ko-
 
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