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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0313

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ihrer vollständig mächtig ist, geflissentlich verleugnet. — Während der
Stürme der Belagerung und der Communardenherrschaft haben, wie
ich zu meiner Freude von dem Besitzer selbst erfuhr, weder das Haus,
noch die Schätze, die es barg, irgend welchen Schaden gelitten. —
Gleich beim Eintritte zieht ein großes Gemälde von prächtiger
Farbenwirkung die Blicke auf sich: Boulanger's „Arabisches
Mädchen", das sich auf ein herrliches Pferd stützt. Bei diesem
Gemälde, das auf der großen Ausstellung nicht günstig placirt war
und daher weniger beachtet wurde, als es verdiente, tritt mit Ent-
schiedenheit der Hauptvorzug der französischen Schule hervor, näm-
lich eine lebendige und effektvolle Farbengebung, sowie eine mit
größter Sorgfalt und Feinheit bis in's kleinste Detail herunter-
gehende Ausführung. Mit großem Unrecht hat man in Deutschland
nur allzu häufig über die „Gelecktheit und Manierirtheit" der fran-
zösischen Kunst gespottet; die durch die feine Ausführung erzielte ein-
heitliche, harmonische Wirkung verleiht auch minder werthvollen Ar-
beiten ein gewisses Gepräge der Meisterschaft und der Vollendung:
sie ist mit die wesentlichste Ursache der für uns Deutsche so nach-
theiligen und demüthigenden Erscheinung, daß bis auf die neueste
Zeit herab die Produkte der französischen Kunst überall sowohl in
der Werthschätzung im Allgemeinen, als auch im klingenden Entgelt
den Vorrang vor den unsrigen behaupteten.

Ein anderes, gleich ausgezeichnetes Gemälde mit algierischem
Sujet (welche überhaupt aus naheliegenden Gründen in jeder fran-
zösischen Ausstellung vielfach vertreten sind) ist von Fromentin,
„Ein arabisches Pferd, das in einer Wiese zum Verkaufe vorgeführt
wird"; der Käufer, ein arabischer Kaid, steht dicht bei demselben
und bemüht sich vergebens, die Bewunderung zu verbergen, welche
ihm die zierlichen Formen des schönen Thieres einflößen. Im
Hintergründe bewegt sich das reichgekleidete Gefolge des Kaids und
tummelt seine herrlichen Rosse auf der weiten, von blauschimmernden
Bergen eingefaßten Ebene. (Forts, folgt.)

() Brüssel, den 15. Oktober. (Kunstausstellung. Forts.)
Wenden wir uns von den Salonbildern zu den Gemälden Comte's,
so finden wir hier nicht nur den Reiz der stofflichen Malerei, die
bei der Salonmalerei Alles ist, in größter Vollendung, sondern außer-
dem, was jenen fehlt, unendlich viel mehr: bezaubernde Grazie und
Charaktermalerei. Wenn Comte den Gestalten in seinen beiden
Gemälden historische Namen giebt, sich an Kostüm und Sitte der
Zeit hält, so hat er dennoch nur Genrebilder geben wollen. —
Voll höchster Anmuth ist die Mutter mit ihrem Kinde in: „Marie
Touchet". Das Interieur, die im Hintergründe durch die erhobene
Portiere auf die Frau blickenden Cavaliere, der köstliche, gelbe Atlas
des Kleides der schönen Mutter, das rosige Kind, der prachtvolle Hund,
das Alles ist mit unnachahmlicher Feinheit des Stofflichen behandelt
— aber es fesselt doch vor Allem durch die Glück und Anmuth
strahlende Stimmung dieser reizenden Frauengestalt. — Das zweite
Gemälde Comte's: „Jeanne d’Albret, accompagn^e de son fils,
plus tard Henri IV. et de sa belle-fille, Margu4rite de France,
achete chez Ren4, le parfumeur de Catherine de Medicis, les
gants qui l’out empoisonn<$e“, besitzt dieselben großen Vorzüge
äußerer Art; ich weiß aber nicht, ob bei diesem an sich so inter-
essanten, aber durchaus nicht Tragik athmenden Bilde der Katalog
nicht zum Nachtheil des Eindrucks die tragische Geschichte dieser
Handschuhe erzählt. Bei jenem ersten Bilde liegt gerade ein großer
Reiz darin, daß man sich ganz ohne Nebengedanken dem Zauber,
den Schönheit, Grazie und Luxus üben, überlassen kann. —

Den größten Kontrast zu Comte bietet de Brackeleer (der
Sohn) in seinen drei Bildern, welche große Aufmerksamkeit, wenn
auch getheiltes Lob erregen. Hier ist nichts von Grazie, Schönheit,

brillanten Stoffen zu finden, das häßlichste Mädchen, das lang-
weiligste Interieur ist diesem Künstler recht, ja willkommen, um mit
keckster Pinselführung, im scharfen Auseinanderhalten der Lokaltöne
eine eigentlich stereoskopische Wirkung zu erzielen. — Sein „Anvers“,
vom Könige angekauft, giebt den äußern Effekt der Gestalt eines
am offenen Fenster sitzenden strickenden Mädchens. Der Blick aus
dem Fenster, in gerader Ansicht vor dem Beschauer, trifft über die
Dächer der Häuser einiger Straßen fort den Thurm der antwerpner
Kathedrale. — „La le<jon“ zeigt uns das kahle Interieur einer kleinen
Schulstube, darin zwei Kinder auf niedrigen Bänkchen und eine Alte,
ihnen vorbetend. Beide Bilder, hat man nur erst für diese breite
Technik den gehörigen Abstand gefunden, wirken durch die Plastik der
lichtumflossenen Figuren und die meisterhafte Luftperspektive, lassen
jedoch durch den Mangel an Empfindung kalt. Großes, fast unge-
theiltes Lob erwirbt sein drittes Bild „L’atlas“; doch erscheint mir
der Vergleich, den man hier an tonangebender Stelle machte, es sei
Teniers vergleichbar, etwas zu hoch gegriffen. Meines Erachtens
zeigen diese drei Bilder wohl ein großes, originelles Talent, doch
hoffe ich, daß sie in dem Uebergangsstadium des Künstlers gemalt
sind und daß er sein unzweifelhaft bedeutendes technisches Talent sich
nicht in der Wiedergabe der blos äußerlichen Naturwirklichkeit er-
schöpfen lassen, sondern zur Empfindung des Kunstwahren fort-
schreiten werde.

Fast erscheint es mir nach dem Betrachten eines so eigenartigen
Talentes zu unbedeutend, um Ihnen von den Nachahmern von Leys
zu schreiben, deren es Viele giebt. Ich erwähne daher nur kurz zwei
derselben, die ihre Motive zum Theil aus der Geschichte wählen, sie
aber in genrehafter Weise behandeln. SoVinck in seinem „Confe-
deres devant Marguerite de Parma, und „La sortie du Seigneur“,
so Koller in seinem „Antoine Fugger" in der bekannten Scene
mit Karl dem Fünften. Welch' eine Idee Künstler veranlaßt, Leys
als Vorbild zu wählen, ist mir nicht klar, da es doch einleuchtend
genug ist, daß die große Gefahr des Manierismus zu nahe liegt,
wenn man Dem nachahmt, der trotz der Größe seines Talents selt-
samer Weise selbst nachahmte. (Forts, folgt.)

ff London, im Oktober. (Eröffnung des Bethnal-
Green-Museums.) Am 24. Juni d. I. fand die Eröffnung des
Bethnal-Green-Museums statt. Nachdem gemeinnützige Bürger der
Ostbezirke dem Staate ein für 2000 Pfd. Sterl. angekauftes Grund-
stück zur Verfügung gestellt hatten, wurde aus Staatsmitteln das
Gebäude mit einem Aufwande von 20,000 Pfd. Sterl. hergestellt,
wobei man den Eisenbau benutzte, in welchem die Sammlungen von
South-Kensington bis zu dem 1865 dort vollendeten Neubau früher
untergebracht waren. Die Einrichtung und Unterhaltung des neuen
Museums übernahm ebenfalls der Staat. Die jährlichen Unter-
haltungskosten sind auf 4 — 5000 Pfd. Sterl. veranschlagt. Das
Bethnal-Green-Museum steht unter der Oberleitung des Unterrichts-
Departements und zwar der Abtheilung für Wissenschaft und Kunst;
die specielle Direktion hat Mr. Henry Cole, der gleichzeitig General-
Superintendent der Mutter-Anstalt zu South-Kensington ist. Das
sehr freundliche und zweckmäßig eingerichtete Gebäude in Bethnal-
Green ist in Eisen konstruirt, jedoch mit Ziegelmauern und Schiefer-
dach versehen. Es besteht aus Souterrain und einem hohen, durch
zwei Säulenreihen dreifach gegliederten Saale, in dessen Seitentheilen
eine Treppe hoch geräumige Gallerten entlang laufen. Einen großen
Theil des Saales unter den Gallerten nehmen zwei früher in South-
Kensington untergebrachte Sammlungen ein: Die „Animal-Produkts
Collection", welche die verschiedene Verwendung von Thierstoffen zu
gewerblichen Zwecken illustrirt und die „Food Collection", eine reich-
haltige Uebersicht von Nahrungsmitteln. Sie bilden den Grund-
 
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