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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0337

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im Jahre 1537 zum Bürgermeister erwählt wurde; ein Amt,
worin ihm, nachdem er es im Jahre 1544 freiwillig niederge-
legt hatte, sein Sohn später nachfolgte. Das eine, vom Stadt-
richter Caspar Tauschet im Jahre 1513 gekaufte Haus war
ein ansehnliches Gebäude im Coswiger Viertel; es bildete am
Markte die Ecke der Schloß- und Elbstraße. Dasselbe ist mit
der noch immer darin befindlichen Apotheke, welche von dem
ersten Rektor der Universität, Dr. Martin Pollich von Meller-
stadt, gegründet war, noch heute im Besitz der Cranach'schen
Nachkommen. Durch eine am 26. September v. I. ausgebrochene
Feuersbrunst ist es leider in den oberen Stockwerken zerstört
worden. Der Thoreingang ist erhalten und zeigt das Cranach'sche
Wappen, die geflügelte Schlange mit einer lateinischen Inschrift,
welche besagt, daß „dies vor Alter verfallene, als einstiges
Wohnhaus der Cranach, Polycarp und Wilhelm Leyser, Cas-
par Ziegler und Berger berühmte Gebäude von vr. Friedr.
Weresdorff im Jahre 1723 zur Zierde seiner Vaterstadt wieder-
hergestellt worden." Ein zweites Hans, Cranach's eigentliches
Wohnhaus, zu dessen Erbauung ihm der Kurfürst einen ansehn-
lichen, durch Abtragung alter Befestigungen gewonnenen Platz
geschenkt hatte, zeigt noch heute am Eingänge zum Treppenthürm-
chen die übergroße Sandsteinsigur eines geharnischten Mannes,
den sogenannten Fahnenritter, vielleicht eine Portraitstatue Jo-
hann Friedrichs des Großmüthigen oder auch des Kurfürsten
Moritz. —

Auf welche Weise Cranach nach Wittenberg gekommen, ist
nicht genau festzustellen. Noch Heller (Lucas Cranach's Leben

und Werke. Nürnberg, 1842) bemerkt, daß die ersten Arbeiten
seiner Hand, welche die Aufmerksamkeit der sächsischen Fürsten
auf ihn zogen, die Darstellung eines Hirsches mit mächtigem
Geweih gewesen sei, welche er für das etwa 6 Stunden von
seiner Vaterstadt entfernte Schloß Coburg ausgeführt habe.
Sicher ist, daß er um das Jahr 1504 von Friedrich dem
Weisen zum Hofmaler mit 100 M.-Fl. jährlichen Gehalts er-
nannt wurde. Diese für damalige Zeiten bedeutende Summe —
die anderen Hofmaler erhielten nur 40 M.-Fl. — deutet darauf
hin, daß er schon damals einen bedeutenden Ruf hatte. Es
scheint, daß er sich das Vertrauen des Kurfürsten bald in hohem
Grade zu erwerben wußte, da dieser ihn im Jahre 1509 mit
geheimen Aufträgen an Kaiser Maximilian nach den Niederlanden
sandte. Auf dieser Reise war es, daß er in Mecheln auf Be-
fehl des Kaisers den Enkel desselben, den nachmaligen Kaiser
Karl V. malte, und die Bekanntschaft Albrecht Dürer's machte.
Acht buntfarbige Federzeichnungen, welche er in dem von Dürer
für die Herzöge von Bayern mit Bildern geschmückten Gebet-
buche ausführte, beweisen die nahe Beziehung, in welche er mit
dem nürnberger Meister trat.

Nachdem er nach Wittenberg übergesiedelt war, was bereits
in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts geschehen sein muß,
trat er zu Luther in ein vertrautes Verhältniß. Der Verlobung
Luther's mit Katharina von Bora am 13. Juni 1525 wohnte
außer Bngenhagen und dem Juristen Apelles nur noch Cranach
bei. Später war er auch Taufzeuge des ältesten Sohnes, Jo-
hannes. Unter den Bildnissen Katharina's von Bora, welche
von Cranach's Hand herrühren, besitzt die Gemäldegallerie des
königlichen Museums zu Berlin eins, das dieselbe als Gattin

Luther's darstellt; ein anderes, wenig bekanntes, auf welches
zuerst die „Deutsche Kunstzeitung" aufmerksam machte, und welches
Katharina von Bora als Braut in knieender Stellung, wahr-
scheinlich im Augenblicke der Trauung, darstellte, befand sich im
Besitz des verstorbenen Kunstfreundes Baruch in Cöln. Es war
ein inniges Familienverhältniß zwischen beiden Häusern. Als
der hoffnungsvolle älteste Sohn Cranach's in Bologna 1836
gestorben war, besuchte Luther den trauernden Vater und tröstete
ihn mit freundlichen Worten; auch hatte er früher bereits, wie
aus einem seiner Briefe hervorgeht, worin er Cranach's Frau
als seine liebe Gevatterin zu grüßen bittet, bei einem Cranach'schen
Kinde Pathenstelle vertreten. Als Luther sich zur Reise nach
Worms anschickte, besorgte ihm Cranach von Seiten des Raths
einen Wagen. Auf dem Heimwege gab Luther von Frankfurt
aus Nachricht, wie es ihm ergangen, that seines bevorstehenden
Verschwindens Erwähnung und bat Cranach, in seinem Namen
der Stadt für den gestellten Wagen zu danken. Es findet sich
noch im Wittenberger Stadtarchiv eine Rechnung über diese
Reise, worin es heißt: „Drei Schock 30 gl. Doctor Martins
Luther verehrt, als er jegen Worms usfm Reichstag gezogen; sechs
Schock Christianus Goldschmidt für die fhure ghein Worms
sieben Wochen von drehen Pferden je ein Tag 2'/s gl. unnd
so ein newer wagen yme zubrochen, seyndt ym zwen alte Schock
gegeben". Interessant ist auch ein Zeugniß Luther's über die
Beihülfe, die ihm Cranach bei der Bibelübersetzung gewährte;
er schreibt darüber an Spalatin: „Bei meiner Bibelübersetzung
ist mir Meister Lucas mit Rath und That zur Hand gegangen
und hat mir vom sächsischen Hofe mancherlei Edelsteine zur An-
sicht geschafft, damit ich bei mehren biblischen Stellen, besonders
bei der Uebersetznng des 21. Hauptstücks der Offenbarung Jo-
hannis, die wahren Benennungen nach allen Schattirungen der
Farben habe finden können."

Durch seine nahe Stellung zum Kurfürsten bot sich Cranach
als geeignetste Mittelsperson zwischen diesem und Luther dar.
Als der Kurfürst Friedrich der Weise im Jahre 1522 die be-
kannte schöne Denkmünze mit der Umschrift verduin domini
manet in aeternum hatte schlagen lassen und Luther sich die-
selbe zum Ansehen wünschte, schickte er ihm durch Cranach ein
Exemplar derselben. In nicht minder freundlichem Verkehr
stand Cranach auch mit Melanchthon und anderen gelehrten
Männern in Wittenberg.

Am innigsten aber war sein Verhältniß zu Kurfürst Johann
Friedrich dem Großmüthigen, dessen treuer Begleiter er in der
Zeit seiner Gefangenschaft war. Magister Gunderam, der
Lehrer des jüngeren Cranach, theilt unter anderem auch das Zu-
sammentreffen Cranach's mit Kaiser Kark V. bei der Belagerung
von Wittenberg mit. Der Kaiser ließ Cranach in das Lager
berufen und redete ihn folgendermaßen an: „Dein Fürst, welchen
ich neulich in der Schlacht gefangen genommen, hat mir zu Speyer,
beim Reichstag, eine trefflich gemalte Tafel geschenkt, die Einige
von Deiner Hand hielten. Dies ist der Grund, warum ich
Dich herzubescheiden befahl." Ferner erinnerte sich der Kaiser
an das kleine Portrait, das Cranach von ihm in Mecheln ge-
malt und versicherte ihn seiner Gnade. Aber Lucas dachte vor
Allem an das Unglück seines Herrn und erbat für sich nichts,
sondern fiel auf die Knie und bat für seinen gefangenen Herrn,
 
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