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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0345

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und geistvolle Pointirung des Holbein'schen Pinsels. — Jene
einfache Realistik, welche Cranach charakterisirt, spricht sich am
glücklichsten in seinen Portraits aus, deren es eine große Zahl,
namentlich von den berühmten Männern seiner Zeit giebt. Die
Gemäldegallerie des königl. Museums zu Berlin besitzt mehrere
derselben: „Portrait des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg
in Kardinalstracht" (Katal. Nr. 559) und derselbe als „heiliger
Hieronymus in der Wüste" (Katal. Nr. 589), ferner außer
dem schon erwähnten „Portrait der Katharina von Bora"
(Nr. 637), das „Portrait Johann Friedrich des Großmüthigen"
(Nr. 590), das „Portrait Luther's als Junker Georg" (Nr. 618)
und „Melanchthon's" (Nr. 619, letzteres nur aus seiner Werk-
statt); ferner das „Bildniß des Herzogs Georg von Sachsen"
(Nr. 635) und ans seiner Werkstatt: „Portrait Friedrichs des
Weisen von Sachsen." Von andern Gemälden besitzt die ge-
nannte Gallerie: „Apollo und Diana" (Nr. 564), „Adam und
Eva" (Nr. 566 und 567), „Maria Magdalena, Christo die
Füße trocknend" (Nr. 568), „Herkules am Spinnrocken"
(Nr. 576), „Christus wäscht dem Petrus die Füße" (Nr. 579),
„Christus am Oelberge" (Nr. 580), „Grablegung Christi"
(Nr. 581), „Brunnen der Jugend" (Nr. 593) und „Amor
und Venns" (Nr. 594).

Unter den in andern Sammlungen sich findenden Gemälden
sind als hervorragend zu nennen: eine „Ehebrecherin vor Christus"
und „Tod der Lucretia" (in der Münchener Pinakothek), der „Sün-
denfall" (in der ständischen Gallerie in Prag), „Maria mit dem
Christnskinde" (in der Pfarrkirche zu Innsbruck) u. s. f. Als
sein Hauptwerk gilt das große Altargemälde in der Kirche
zu Weimar, welchem wir hier am Schluß noch eine kurze Be-
schreibung widmen wollen. Die Mitte der Komposition nimmt
Christus am Kreuze ein, an dessen Fuß das Lamm mit der
Siegesfahne lehnt. Auf der linken Seite Christus als Ueber-

winder von Tod und Teufel, ans der rechten Johannes, der,
Luther und Cranach zu seinen Seiten, auf den sterbenden Er-
löser hinweist. Im Mittelgründe wird die sündige Menschheit
von Tod und Teufel in die Höllenflammen gejagt, rechts davon
Moses, David und die drei obersten Propheten; im Hintergründe
die Erhöhung der ehernen Schlange durch Moses und die Ver-
kündigung der Hirten. Die Hauptpersonen auf dem Bilde sind,
kompositionell betrachtet, Luther und Cranach. Während Letzterer
mit gefaltenen Händen dasteht und von dem aus der Seite des
Erlösers ans sein Haupt herabströmenden Blutstrahl getroffen
wird, zeigt Luther mit der rechten Hand auf eine Stelle der in
seinem linken Arm ruhenden aufgeschlagenen Bibel, auf deren
Inhalt die Komposition sich in den einzelnen Theilen bezieht.
Sie lautet: „Das Blut Jesu Christi reinigt uns von allen
Sünden. Darumb so laßt uns hinzutreten mit Freudigkeit zu
dem Gnadenstnhle, auf daß wir Barmherzigkeit empfahen innen
und Gnade finden aus die Zeit, wann uns Hülff noth sein wird.
Gleich wie Moses in der Wüsten eine Schlang erhöht hat, also
muß auch des Menschen Sohn erhöhet werden, aus daß Alle,
die an ihn glauben, seelig werden und das ewige Leben erwerben."
Ans der inneren Seite der Flügel, welche sich au das Mittel-
bild anschließen, sind links der Kurfürst Johann Friedrich mit
Gemahlin, rechts die drei Prinzen Johann Friedrich der Mittlere,
Johann Wilhelm und Johann Friedrich der Jüngere in sym-
metrischer Anordnung abgebildet. Ob die Flügel noch von Cra-
nach dem Aelteren gemalt sind, ist zweifelhaft, das Mittelbild
rührt jedoch sicher von ihm her; mit Ausnahme jedoch der Hinter-
grnndscenen, die von späterer und geringerer Hand ausgeführt
sind. Die Außenseiten der Flügel sind ebenfalls von dem jünge-
ren Cranach gemalt. — Schuchart, der bedeutendste Biograph
Cranach's nennt dies Gemälde, welches von ihm als 78jährigen
Greis gemalt wurde, seinen „Schwanengesang als Künstler".

Korrespondenzen.

ünchen, Ende Oktober. (Ausstellung des Kunst-
vereins. Forts) Ph. Tanneur schildert in seinem
„Seestnrm" eine wilde Mondnacht, in der die Wellen
hoch aufschäumen und uns den großartigen Kampf der
Elemente empfinden lassen. Es spricht sich in dem
Bilde ein entschiedener Schwung und eine lebhafte
Phantasie aus, die ahnen lassen, wie begeistert der Künstler arbeitete.
— Ein reizendes kleines Genrebildchen von klarer Farbe und harmo-
nischer Gesammtwirkung stellte Ad. Echtler aus, „Kinder, die von
einer Gans geführt über eine Landstraße ziehen". — Corrodi in
Rom malte sehr fleißig ausgeführte interessante Architekturen. Das
eine Bild stellt eine „Partie bei Neapel" dar, das andere eine „Ansicht
der Lagunenstadt" mit Fischerbooten. Wir würden letzterem Bilde
den Vorzug geben, weil es poetischer und weniger portraitartig als
jenes spricht. Es ist Tagesbeleuchtuug, die im Hintergründe besind-
liche Architektur schwimmt in violettem Dufte, Markusthurm und
Dogenpalast mit den übrigen Fanden spiegeln sich im Kanal. Es
ist nicht jene drückende Hitze, in der die Dogenstadt mit Vorliebe
von den Künstlern geschildert wird, Corrodi malte vielmehr eine
kühle Vormittagsstimmung und verstand grade durch diese sehr an-
ziehend zu wirken. — Harburger, der Illustrator der „Fliegen-
den Blätter", läßt einen professionirten Biertrinker tief in sein

„Maaß" sehen und behandelte diesen Biedermann mit aller Liebe
und Sorgfalt. — M. Web er's „Mußestunde" ist ein fein zu-
sanimengestimmtes Farbengedicht, aber ohne Inhalt. — E. M.
Stracker's „Morgenlied", ein römischer Knabe, der Flöte bläs't,
ist ein ebenfalls kräftig und schön kolorirtes Bildchen.

Von den ausgestellten Aquarellen erwähnen wir die „Abend-
stimmung" von Eugen Cienri in Paris, ein außerordentlich fein
und sicher gemaltes Bild, dann eine Landschaft von W. Bild er s
in Amsterdam, welcher auch eine Gebirgslandschaft ausstellte, endlich
die Arbeiten von B ouvy und Sch euren.

Ergänzend zu unserem vorigen Berichte haben wir noch eine in
der Licht- und Schattenwirkung schön vorgetragene „Italienische
Architektur", einen Schloßhof darstellend, von Glisenti und einen
mit ganz außerordentlicher Virtuosität bis auf das kleinste Fältchen
ausgeführten Carton von unserem Ed. Grützner nachzutragen, der
eine Scene aus der „Bezähmten Widerspenstigen" zeichnete, die auch
kompositionell von schönem Arrangement ist.

Die letztwöchentliche Oktober-Ausstellung wurde ebenso zahlreich
beschickt, wie die vorhergehende, und auch qualitativ zeigte sie sich
von Interesse; namentlich steigerte sich dasselbe, als in den letzten
Tagen ein von der Fleischmann'schen Hofkunsthandlung hier ausge-
stelltes Oelgemälde von Oswald Achenbach zur Besichtigung
 
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