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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 17.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.13553#0361

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bei der Dichtung die „tragische Maske" mit Tuba und Schwert, bei
der Wissenschaft endlich das Brustbild der „Pallas-Athene". Als
Eckfiguren finden sich Darstellungen der vier Lebensalter: das im
Schooße der Mutter spielende Kind, der Jüngling in Hirtentracht,
der reife Mann mit dem Hammer in der Hand, das Schurzfell
umgürtet, der Greis voll Nachdenken in einem Buche lesend. Mög-
lich, daß die Ansicht nicht irrig ist, welche annimmt, daß Schilling
diese letztgenannten Allegorien wählte, um dem Gedanken Ausdruck
zu verleihen, wie jedes Lebensalter an Schillert Dichtungen Genuß
und Freude findet.

Mit nicht geringem Interesse bemerkten wir auch in Schillings
Atelier die Modelle der für das hiesige neue Hoftheater bestimmten
Quadriga und des Denkmals des unglücklichen Kaisers Maximilian,
welches für die Stadt Triest bestimmt ist und etwa binnen Jahres-
frist vollendet sein soll. Wir werden auf diese Werke bei späterer
Gelegenheit zurückkommen.

F. München, 23. November. (R. Kuppelmayr.) Ein
Besuch in Rudolph Kuppelmayr's Atelier verschaffte uns, bei
der gänzlichen Zurückgezogenheit des hochbegabten Künstlers, eine
wahrhafte Ueberraschung, hervorgerufen durch die eben vollendeten
Portraits eines Herrn und einer Dame, Kniestücke in Lebensgröße.
Die in Deutschland und Italien gemachten Studien des Künstlers,
die wir vor einiger Zeit mit Vergnügen betrachteten, flößten uns
schon das lebhafteste Interesse ein und ließen uns Bedeutendes er-
warten. Jedoch die beiden, jetzt im Atelier vollendet aufgestellten
Bilder übersteigen auch unsere höchsten Erwartungen. Kuppelmayr
ist im eigentlichen Sinne des Wortes sein eigener Lehrer und ver-
dankt seine künstlerische Ausbildung dem Studium der alten Meister,
wie van Dyck, Rembrandt rc., dem er in den verschiedensten Gallerten
Deutschlands und Italiens oblag, wo er sich noch besonders den
Tizian und seine Schule zum Muster nahm. Die Früchte dieser
Studien treten in beiden Bildern, ohne daß man den Künstler im
Geringsten der Nachahmung bezüchtigen könnte, aufs Herrlichste zu
Tage; sie reihen sich den besten Schöpfungen der alten und neuen
Schule würdig an. Kuppelmayr ist ein tüchtiger Zeichner und ein
geborner Kolorist; doch würde er immer noch nicht ein Künstler
von so hervorragender Bedeutung sein, wenn sich nicht auch in seinen
Kunstwerken eine edle Vergeistigung und die feinste Jndividualisirung
aussprächen. Wir hoffen, daß es unseren Bemühungen gelingen
wird, den so höchst bescheidenen Künstler zu bewegen, seine Bilder
der Oeffentlichkeit zu übergeben, und sind im Voraus sicher, daß
das kunstverständige Publikum gleich uns von den Werken des
Künstlers auf's Angenehmste überrascht sein wird. — Ein für die
wiener Weltausstellung in Arbeit befindliches Genrebild mit lebens-
großen Figuren, berechtigt zu großen Erwartungen.

8. Wien, Ende November. (Ausstellungen.) Wenn es
sich um eine gedrängte Uebersicht des bemerkenswerthesten Ausgestell-
ten handelt, so können nur zwei Gesichtspunkte maaßgebend sein:
entweder der Name des Künstlers lenkt auf das Bild, oder das
Bild ist geeignet, besondere Aufmerksamkeit auf den Künstler zu
lenken. Leistungen letzterer Art, gestehen wir, sind durchaus weder

im Künstlerhause noch im Kunstverein vorhanden. Das Gute
übersteigt nicht das Maaß gewöhnlicher Leistung und gehört zudem
Namen an, welche uns an dies Maaß bereits gewöhnt haben. Auf
eine Sammlung von Werken des verstorbenen Victor Müller
hier einzugehen, kann um so weniger Aufgabe sein, da lediglich die
Spekulation sie heute durch Deutschland führt, sie vielorts aufge-
taucht sind und besprochen wurden. Neben großen Vorzügen gehen
große Mängel, aber das Allergrößte daran bleiben die Preise. —
Matejko's neueste Leistung im „Batfory-Bilde" haben wir bereits
besprochen, und so drängt sich der nächstbedeutende Name, Mackart,
von selbst auf. Im Künstlerhause hängen zwei große und ein kleines
Bild neuesten Datums von ihm. Eine schwebende weibliche Gestalt
mit stark eingezogenem Knie, welche als jede beliebige Göttin oder
Halbgöttin ausgegeben werden kann, im achteckigen blauen Felde für
ein Deckenbild präparirt — ferner ein Faun und mit ihm eine....
ja was denn? . . . eine weibliche Gestalt ohne bestimmtes Alter und
Herkommen — drittens ein kleineres Bild, eine Scene aus Shake-
speares „Richard" vorstellend. — Es drängt sich fast unwillkürlich
die Idee auf, als habe Mackart die Farbenreste auf seiner Palette
noch schließlich verwerthen wollen, ehe er an Anderes ging. Alt-
gewohnte Figuren, immer wiederkehrende Farben, stets Lackroth,
schmutzige Hautfarbe und bräumlich Schwarz oder Gold in Kon-
trasten. Wenn derlei episodisch auftritt, kann es Wirkung machen;
aber als Hauptsächliches läßt es uns die Fehler der Zeichnung um
so drastischer sehen, und diese sind in den ausgestellten Bildern er-
schreckend groß. Man muß entschieden den stetigen Rückschritt Mackart's
fürchten, man bangt, daß ein durch stetes Lob zur Selbstüberhebung
und Leichtfertigkeit verführter Künstler ganz auf diesem Abwege zu
Grunde geht. Je größer die Unnatur, die durchgängige Man-
gelhaftigkeit aller Einzelheiten in diesen Bildern sind, um so mehr
müssen wir wünschen und hoffen, daß die nächsten Schöpfungen (sie
sollen sehr viel Leinwand beanspruchen) Mackart's, seine früher er-
rungene Höhe und seinen Fortschritt bekunden. — Aus Allem als
inhaltreichst und anstrebend muß Ru st i ge's „Rubens führt seine
Gattin in's Atelier seiner Schüler" hervorgehoben werden. Es zeigt
von eingehenden Specialstudien und feinem, sorglichem Pinsel. —
Jäger's „Gallerie deutscher Tondichter", deren einzelne Köpfe durch
die Photographie vervielfacht und stark als Ladenwaare bekannt sind,
hängt nun im Originale hier. Wir sehen vollends die geschickte
Hand eines Malers, welcher die deutschen Tonheroen „prächtig her-
ausgewichst" hat, um uns eines populären Ausdrucks zu bedienen.
Mozart als „schöner Mann" thut seine Ladendienste für eindrucks-
fähige und -bedürftige Herzen jugendlicher Musikerinnen; aber die
Bilder nach dem Leben sind uns zu gut bekannt, um sie mit diesen
verwechseln zu können. Meist sind Jäger's Bilder historisch im
Kostüm, aber sagenhaft bezüglich der Physiognomien. Es ist Schade,
daß nicht auch ein Orpheus, Arion oder der unbekannte Compositeur
mancher Volkslieder genau „nach dem Leben" dazu gemalt ist —
man vermöchte dann den idealen Standpunkt von vornherein einzu-
sehen. — Im Uebrigen ist der Markt voll der Waare von Kunst-
händlern, welche vor Weihnachten das Geschäft flott betreiben wollen.
Im Künstlerhause werden große Auctionen präparirt. Viel Gutes
ist alt, viel Neues ist aber nicht gut.
 
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