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Dittmann, Lorenz <Prof. Dr.>
Farbgestaltung und Farbtheorie in der abendländischen Malerei: eine Einführung — Darmstadt, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.29814#0015
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GRUNDZÜGE DER FARB- UND LICHTGESTALTUNG
IN DER MITTELALTERLICHEN MALEREI

In drei epochemachenden Leistungen verwirklicht die europäische
Malerei zwischen dem Ausgang der Antike und dem Aufkommen der
Tafelmalerei als einer führenden Kunstgattung eine je neue Einheit von
Farbe und Licht: in der Ausbildung des frühchristlichen Wand- und Dek-
kenmosaiks seit etwa der Mitte des 5.Jahrhunderts, der annähernd
gleichzeitigen Einführung des Golclgrunds und schließlich der Schöp-
fung des Glasfensters mit dem Beginn der Gotik. 1 2

Jede dieser Errungenschaften hat der Farbe Wirkungsmöglichkeiten
eröffnet, die ihr in aller vorangegangenen Malerei noch gänzlich ver-
schlossen sein mußten und die ihr auch späterhin nicht mehr gegeben
sind.

Der gemeinsame Grund für die Besonderheit der Farbwirkung in den
drei Fällen liegt darin, daß die unmittelbare Einbeziehung des realen,
physischen Lichts 2 zur Grundbedingung des Erscheinens von Farbe ge-
macht wird. Damit entfällt ein Hauptproblem aller nachmittelalter-
lichen Malerei, nämlich die Wiedergabe von Licht durch die Farben. Das
Licht selbst ist real anwesend und läßt die Farben entstehen oder unter-
stützt zumindest durch seine GegenwartTendenzen in der Farbe und den
Farbzuordnungen, die zum Licht führen.

Daß das reale Licht Grundbedingung des Erscheinens von Farbe
wird, ist Folge einer neuen metaphysischen Qualifikation des Lichts:
„Die Lichtspekulation des Mittelalters bedient sich des Lichtbegriffes

1 FA: André Grabar, Carl Nordenfalk, Das frühe Mittelalter vom vierten bis
zum elften Jahrhundert, Genf (Skira), 1957. - Dies., Die romanische Malerei
vom elften bis dreizehnten Jahrhundert, Genf (Skira), 1958. - Jacques Dupont,
Cesare Gnudi, Gotische Malerei, Genf (Skira), 1954. - Joseph Wilpert, Walter
N. Schumacher, Die römischen Mosaiken der kirchlichen Bauten vom IV.-XIII.
Jahrhundert, Freiburg i. Br., Basel, Wien 1916/1976.

2 Vgl. dazu auch: Dagobert Frey, Der Realitätscharakter des Kunstwerks. In:
Frey, Kunstwissenschaftliche Grundfragen, Prolegomena zu einer Kunstphiloso-
phie, Wien 1946, 107-149, insbes. 111 ff. - Hans Peter L’Orange, Lux Aeterna:
LAdorazione della luce nefi’arte tardo-antica ed alto-medioevale. In: Atti della
Pontificia Accademia Romana di Archeologia, Ser. III, Vol. XLVI, Anno 1973-74,
Vaticano 1975, 191-202. - Patrik Reuterswärd, Windows of Divine Light. In:
KonsthistoriskTidskrift, LI, 1982, 95-102.
 
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