FARBGESTALTUNG UND FARBTHEORIE
IN DER MALEREI DES 19. JAHRHUNDERTS
Der grundlegende Vorgang innerhalb der Farbgestaltung der Malerei
des 19. Jahrhunderts 1 ist die Verwandlung des Helldunkels. In unter-
schiedlichen Phasen und je wechselnden Erscheinungsformen tritt nun
an die Stelle einer „luminaristischen“, im Spannungsbogen zwischen un-
farbigem Dunkel und unfarbigem Licht sich entfaltende Farbe eine
solche, die als Farbe Helldunkel- und, zunehmend, rein koloristische
Wirkungen zur Geltung bringt. Eine „helldunkel- getragene Farbigkeit“
wird abgelöst von einem „farbgetragenen Helldunkel“. In den Werken
von Delacroix, Courbet, Leibl, Hans von Marées und anderen finden
sich unterschiedliche Ausprägungen des Verwandlungsvorganges.
Diese Verwandlung des Helldunkels ist Folge einer neuen kiinstleri-
schen Vision von Wirklichkeit. An die Stelle des den Naturgegeben-
heiten enthobenen Helldunkellichts tritt nun das Freilicht und die mehr
als im Helldunkel-Kosmos als Ausschnitt erfahrene Natur. (1817 er-
scheint in London ein Buch von Henry J. Richter mit dem bezeich-
nenden Titel: >Daylight. A recent Discovery in the Art of Painting .. .< 2)
Jedoch sind Begriffe wie „Realismus“ und „Naturalismus“ wenig ge-
eignet, die Ergebnisse dieser neuen kimstlerischen Vision angemessen
zu bezeichnen. Sonnenlicht kann nicht „wiedergegeben“ werden, der
Künstler kann nur versuchen, es zu „repräsentieren“, wie Cézanne es
formuliert: „Die Natur habe ich kopieren wollen, es gelang mir nicht.
Aber ich war zufrieden, als ich entdeckt hatte, daß die Sonne z. B. sich
nicht darstellen ließ, sondern daß man sie repräsentieren mußte durch
etwas anderes, ... durch die Farbe.“ 3 Solche „Repräsentation“, solche
Umsetzung in Farbe, von der Cézanne hier spricht, muß auf seine Weise
jeder Künstler vollziehen, muß auf je neue Art eine „Entsprechung“
1 Vgl. Verf., Prinzipien der Farbgestaltung in der Malerei des 19.Jahrhun-
derts im Hinblick auf die künstlerischenTechniken. In: Heinz Althöfer (Hrsg.),
Das 19. Jahrhundert und die Restaurierung, München 1987, 76-87.
2 Vgl. dazu: Johannes Dobai, Die Kunstliteratur des Klassizismus und der
Romantik in England, Bern 1974-1977, Bd. III, 1790-1840,1143.
3 Zitiert nach Paul Cézanne, Über die Kunst, Gespräche mit Gasquet und
Briefe, hrsg. von Walter Hess, Hamburg 1957, 75. (Vgl.: Conversations avec
Cézanne, Edition critique présentée par P. M. Doran, Paris 1978, Collection
Macula, 93.)
IN DER MALEREI DES 19. JAHRHUNDERTS
Der grundlegende Vorgang innerhalb der Farbgestaltung der Malerei
des 19. Jahrhunderts 1 ist die Verwandlung des Helldunkels. In unter-
schiedlichen Phasen und je wechselnden Erscheinungsformen tritt nun
an die Stelle einer „luminaristischen“, im Spannungsbogen zwischen un-
farbigem Dunkel und unfarbigem Licht sich entfaltende Farbe eine
solche, die als Farbe Helldunkel- und, zunehmend, rein koloristische
Wirkungen zur Geltung bringt. Eine „helldunkel- getragene Farbigkeit“
wird abgelöst von einem „farbgetragenen Helldunkel“. In den Werken
von Delacroix, Courbet, Leibl, Hans von Marées und anderen finden
sich unterschiedliche Ausprägungen des Verwandlungsvorganges.
Diese Verwandlung des Helldunkels ist Folge einer neuen kiinstleri-
schen Vision von Wirklichkeit. An die Stelle des den Naturgegeben-
heiten enthobenen Helldunkellichts tritt nun das Freilicht und die mehr
als im Helldunkel-Kosmos als Ausschnitt erfahrene Natur. (1817 er-
scheint in London ein Buch von Henry J. Richter mit dem bezeich-
nenden Titel: >Daylight. A recent Discovery in the Art of Painting .. .< 2)
Jedoch sind Begriffe wie „Realismus“ und „Naturalismus“ wenig ge-
eignet, die Ergebnisse dieser neuen kimstlerischen Vision angemessen
zu bezeichnen. Sonnenlicht kann nicht „wiedergegeben“ werden, der
Künstler kann nur versuchen, es zu „repräsentieren“, wie Cézanne es
formuliert: „Die Natur habe ich kopieren wollen, es gelang mir nicht.
Aber ich war zufrieden, als ich entdeckt hatte, daß die Sonne z. B. sich
nicht darstellen ließ, sondern daß man sie repräsentieren mußte durch
etwas anderes, ... durch die Farbe.“ 3 Solche „Repräsentation“, solche
Umsetzung in Farbe, von der Cézanne hier spricht, muß auf seine Weise
jeder Künstler vollziehen, muß auf je neue Art eine „Entsprechung“
1 Vgl. Verf., Prinzipien der Farbgestaltung in der Malerei des 19.Jahrhun-
derts im Hinblick auf die künstlerischenTechniken. In: Heinz Althöfer (Hrsg.),
Das 19. Jahrhundert und die Restaurierung, München 1987, 76-87.
2 Vgl. dazu: Johannes Dobai, Die Kunstliteratur des Klassizismus und der
Romantik in England, Bern 1974-1977, Bd. III, 1790-1840,1143.
3 Zitiert nach Paul Cézanne, Über die Kunst, Gespräche mit Gasquet und
Briefe, hrsg. von Walter Hess, Hamburg 1957, 75. (Vgl.: Conversations avec
Cézanne, Edition critique présentée par P. M. Doran, Paris 1978, Collection
Macula, 93.)