DIE ALTNIEDERLÄNDISCHE MALEREl
Das bestimmende Gestaltungsmittel der altniederländischen Malerei
ist im spezifischen Helldunkel des transalpinen Tafelbildes des 14. Jahr-
hunderts vorgebildet. Dieser Zusammenhang ist festzuhalten, auch
wenn die Wurzeln der Kunst der van Eycks, als der Begmnder dieser
Epoche, in Ermangelung vermittelnder Denkmäler der Tafelmalerei
wohl nie völlig aufzudecken sind.
Andererseits wurde sehr zu Recht betont, daß zwischen den Gestal-
tungsprinzipien der französischen und francoflämischen Miniaturma-
lerei des späten 14. und friihen 15. Jahrhunderts als wahrscheinlichster
Quelle der Eyckschen Kunst und denen der Eycks ein unüberbrück-
barer Gegensatz herrsche und daß diese älteren Gestaltungsprinzipien
bei den Eycks „von Anbeginn an überwunden“ seien.
Karl von Tolnai, der dies feststellte, führte gleich zu Anfang seines
Aufsatzes >Zur Herkunft des Stiles der van EyckG aus, wie tief sich das
Kolorit der Eycks von der traditionellen, miniaturhaft dekorativen, mit
starken Lokalfarben, mit Enzianblau und Karminrot, Gold und Silber
arbeitenden, höfisch-„märchenhaft“ wirkenden Farbgebung der franzö-
sischen Buchmalerei um 1400 unterscheide. Zu den Eyckschen Farben
bemerkte er, sie wären „in ein zartes sfumato getaucht“ und in der Land-
schaft herrschten „nur tonige Farben“. Alle Bildteile, so heißt es weiter,
wären bei ihnen „grundsätzlich als Wirkungsfaktoren eines der Intention
nach ,natürlichen‘ lichterfüllten räumlichen Ganzen aufgefaßt“.
Abschließend aber formulierte Tolnai, die Bildwelt Jan van Eycks
strahle „in allen ihrenTeilen die göttliche Substanz aus. Alles Lebendige
ist dinghaft geworden und alle Dinge weisen auf den göttlichen Werk-
meister hin: die Welt als Gottesschöpfung. In diesem Weltbild ist die mit-
telalterliche Spannung zwischen Diesseits und Jenseits aufgehoben,
indem Gott selbst sich in der Welt spiegelt.“ 1 2 Diese Formulierung Tol-
nais, die das Wesen der Eyckschen Malerei als solches zu erfassen
suchte, ist gültig auch für dessen Farbgestaltung.
Die diaphane Farbe des Glasfensters, die an der Grenze zwischen in-
nerem Dunkel und äußerem Licht sich entzündet, versinnlicht wie kein
1 In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, N.F. Bd. IX, 1932, 320
bis 338.
2 Tolnai, 1. c., 332.
Das bestimmende Gestaltungsmittel der altniederländischen Malerei
ist im spezifischen Helldunkel des transalpinen Tafelbildes des 14. Jahr-
hunderts vorgebildet. Dieser Zusammenhang ist festzuhalten, auch
wenn die Wurzeln der Kunst der van Eycks, als der Begmnder dieser
Epoche, in Ermangelung vermittelnder Denkmäler der Tafelmalerei
wohl nie völlig aufzudecken sind.
Andererseits wurde sehr zu Recht betont, daß zwischen den Gestal-
tungsprinzipien der französischen und francoflämischen Miniaturma-
lerei des späten 14. und friihen 15. Jahrhunderts als wahrscheinlichster
Quelle der Eyckschen Kunst und denen der Eycks ein unüberbrück-
barer Gegensatz herrsche und daß diese älteren Gestaltungsprinzipien
bei den Eycks „von Anbeginn an überwunden“ seien.
Karl von Tolnai, der dies feststellte, führte gleich zu Anfang seines
Aufsatzes >Zur Herkunft des Stiles der van EyckG aus, wie tief sich das
Kolorit der Eycks von der traditionellen, miniaturhaft dekorativen, mit
starken Lokalfarben, mit Enzianblau und Karminrot, Gold und Silber
arbeitenden, höfisch-„märchenhaft“ wirkenden Farbgebung der franzö-
sischen Buchmalerei um 1400 unterscheide. Zu den Eyckschen Farben
bemerkte er, sie wären „in ein zartes sfumato getaucht“ und in der Land-
schaft herrschten „nur tonige Farben“. Alle Bildteile, so heißt es weiter,
wären bei ihnen „grundsätzlich als Wirkungsfaktoren eines der Intention
nach ,natürlichen‘ lichterfüllten räumlichen Ganzen aufgefaßt“.
Abschließend aber formulierte Tolnai, die Bildwelt Jan van Eycks
strahle „in allen ihrenTeilen die göttliche Substanz aus. Alles Lebendige
ist dinghaft geworden und alle Dinge weisen auf den göttlichen Werk-
meister hin: die Welt als Gottesschöpfung. In diesem Weltbild ist die mit-
telalterliche Spannung zwischen Diesseits und Jenseits aufgehoben,
indem Gott selbst sich in der Welt spiegelt.“ 1 2 Diese Formulierung Tol-
nais, die das Wesen der Eyckschen Malerei als solches zu erfassen
suchte, ist gültig auch für dessen Farbgestaltung.
Die diaphane Farbe des Glasfensters, die an der Grenze zwischen in-
nerem Dunkel und äußerem Licht sich entzündet, versinnlicht wie kein
1 In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, N.F. Bd. IX, 1932, 320
bis 338.
2 Tolnai, 1. c., 332.