Deutsche Malerei
325
C. ZUR DEUTSCHEN MaLEREI DES 19. JaHRHUNDERTS
Um 1800 erscheinen in Deutschland grundlegende Abhandlungen zur
Farbtheorie. 155 Goethes Farbenlehre 156 reicht weit über die künstleri-
sche Verwendung der Farbe hinaus, diese aber war für Goethe der
Anlaß, sich theoretisch mit der Farbe zu befassen. Allerorten begegnete
ihm Unsicherheit in Fragen der Farbgebung. „Mehrere Gemälde waren
in meiner Gegenwart erfunden, komponiert, dieTeile, der Stellung und
Form nach, sorgfältig durchstudiert worden, und über all dieses konnten
mir die Künstler, konnte ich mir und ihnen Rechenschaft, ja sogar
manchmal Rat erteilen. Kam es aber an die Färbung, so schien alles dem
Zufall überlassen zu sein, dem Zufall, der durch einen gewissen Ge-
schmack, einem Geschmack, der durch Gewohnheit, eine Gewohnheit,
die durch Vorurteil, ein Vorurteil, das durch Eigenheiten des Künstlers,
des Kenners, des Liebhabers bestimmt wurde“, heißt es am Schluß des
historischen Teils der >Materialien zur Geschichte der Farbenlehre< im
Hauptwerk >Zur Farbenlehre< von 1810, betitelt >Konfession des Verfas-
sers<, und weiter: „Bei den Lebendigen war keinTrost, ebensowenig bei
den Abgeschiedenen, keiner in den Lehrbüchern, keiner in den Kunst-
werken.“ „... ich konnte nur bemerken, daß die lebenden Künstlerbloß
aus schwankenden Überlieferungen und einem gewissen Impuls han-
delten, daß Helldunkel, Kolorit, Harmonie der Farben immer in einem
wunderlichen Kreise sich durcheinander drehten. Keins entwickelte sich
aus dem andern, keins griff notwendig ein in das andere ...“ Es ist der
höhere systematische Anspruch, den Goethe in den Farbauffassungen
seiner Gegenwart und Vergangenheit - die er sehr genau kannte, hatte
er doch als erster eine Geschichte der Farbenlehre entworfen - nicht be-
friedigt fand. So wird er zu einer prinzipiellen Untersuchung der Farben-
welt geführt: „Ich hatte nämlich zuletzt eingesehen, daß man den
Farben, als physischen Erscheinungen, erst von der Seite der Natur
beikommen mußte, wenn man in Absicht auf Kunst etwas über sie
gewinnen wolle.“ 157
155 Yg[ Birgjt Rehfus-Dechêne, Farbengebung und Farbenlehre in der deut-
schen Malerei um 1800, München 1982.
156 Vgl. dazu: Lersch, Farbenlehre, Sp. 233-240. - J.Heinrich Schmidt, Zur
Farbenlehre Goethes. In: Zeitschrift f. Kunstgeschichte, I, 1932, 109-124. -
Rike Frey, Die ästhetische Funktion der Farbe in Goethes Farbenlehre, Diss.
Marburg 1943. - Goethes Farbenlehre, ausgewählt und erläutert von Rupprecht
Matthaei, Ravensburg 1971.
157 Zitate nach: Goethe, Farbenlehre, Vollständige Ausgabe der theoreti-
schen Schriften, Tübingen 1953, 501/502, 503.
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C. ZUR DEUTSCHEN MaLEREI DES 19. JaHRHUNDERTS
Um 1800 erscheinen in Deutschland grundlegende Abhandlungen zur
Farbtheorie. 155 Goethes Farbenlehre 156 reicht weit über die künstleri-
sche Verwendung der Farbe hinaus, diese aber war für Goethe der
Anlaß, sich theoretisch mit der Farbe zu befassen. Allerorten begegnete
ihm Unsicherheit in Fragen der Farbgebung. „Mehrere Gemälde waren
in meiner Gegenwart erfunden, komponiert, dieTeile, der Stellung und
Form nach, sorgfältig durchstudiert worden, und über all dieses konnten
mir die Künstler, konnte ich mir und ihnen Rechenschaft, ja sogar
manchmal Rat erteilen. Kam es aber an die Färbung, so schien alles dem
Zufall überlassen zu sein, dem Zufall, der durch einen gewissen Ge-
schmack, einem Geschmack, der durch Gewohnheit, eine Gewohnheit,
die durch Vorurteil, ein Vorurteil, das durch Eigenheiten des Künstlers,
des Kenners, des Liebhabers bestimmt wurde“, heißt es am Schluß des
historischen Teils der >Materialien zur Geschichte der Farbenlehre< im
Hauptwerk >Zur Farbenlehre< von 1810, betitelt >Konfession des Verfas-
sers<, und weiter: „Bei den Lebendigen war keinTrost, ebensowenig bei
den Abgeschiedenen, keiner in den Lehrbüchern, keiner in den Kunst-
werken.“ „... ich konnte nur bemerken, daß die lebenden Künstlerbloß
aus schwankenden Überlieferungen und einem gewissen Impuls han-
delten, daß Helldunkel, Kolorit, Harmonie der Farben immer in einem
wunderlichen Kreise sich durcheinander drehten. Keins entwickelte sich
aus dem andern, keins griff notwendig ein in das andere ...“ Es ist der
höhere systematische Anspruch, den Goethe in den Farbauffassungen
seiner Gegenwart und Vergangenheit - die er sehr genau kannte, hatte
er doch als erster eine Geschichte der Farbenlehre entworfen - nicht be-
friedigt fand. So wird er zu einer prinzipiellen Untersuchung der Farben-
welt geführt: „Ich hatte nämlich zuletzt eingesehen, daß man den
Farben, als physischen Erscheinungen, erst von der Seite der Natur
beikommen mußte, wenn man in Absicht auf Kunst etwas über sie
gewinnen wolle.“ 157
155 Yg[ Birgjt Rehfus-Dechêne, Farbengebung und Farbenlehre in der deut-
schen Malerei um 1800, München 1982.
156 Vgl. dazu: Lersch, Farbenlehre, Sp. 233-240. - J.Heinrich Schmidt, Zur
Farbenlehre Goethes. In: Zeitschrift f. Kunstgeschichte, I, 1932, 109-124. -
Rike Frey, Die ästhetische Funktion der Farbe in Goethes Farbenlehre, Diss.
Marburg 1943. - Goethes Farbenlehre, ausgewählt und erläutert von Rupprecht
Matthaei, Ravensburg 1971.
157 Zitate nach: Goethe, Farbenlehre, Vollständige Ausgabe der theoreti-
schen Schriften, Tübingen 1953, 501/502, 503.