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Dittmann, Lorenz <Prof. Dr.>
Farbgestaltung und Farbtheorie in der abendländischen Malerei: eine Einführung — Darmstadt, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.29814#0153
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Italienische Malerei des 16. Jahrhunderts

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an, die hinter ihnen zum Vorschein kommen; dann wirst du sämtliche
Farben der Dinge hinter den Gläsern mit den Farben besagter Gläser in
Mischung sehen und wirst gewahr werden, welche Farbe sich durch
solche Mischung verbessert, welche verdirbt.“ So gewinnen z.B. Gelb
und Grün hinter gelbem Glas, während Blau, Schwarz und Weiß die
Gelb-Mischung nicht vertragen (254). Fiir die Zusammenstellung har-
monischer Farbkombinationen rät Leonardo: „Willst du bewirken, daß
die Nachbarschaft einer Farbe der anderen anstoßenden Farbe Anmut
verleiht, so bediene dich der Regel, die man die Sonnenstrahlen bei der
Fiigung des Bogens am Himmel... bilden sieht“ (190). „Farben, die gut
zusammenstimmen“, sind: „Griin zu Rot oder zu Purpur oder Blaßvio-
lett, und Gelb zu Blau“ (253). Die Veränderungen der Farben sind fiir
Leonardo ein wichtiges Feld von Beobachtungen. Da sich die Farbe mit
wachsender Entfernung verändert und sich im Luftmedium schließlich
ganz verliert (136, auch 193-195,198-200, 226, 228 u. ö.), rät er, nur die
Gegenstände des Vordergrundes in ihrer Eigenfarbe (suo colore) zu be-
lassen, die iibrigen jedoch mit zunehmender Entfernung immer blauer
wiederzugeben (262, auch 243).

Andere Beobachtungen beziehen sich auf Reflexfarben. „Wenn du
eine weißgekleidete Frau siehst, inmitten einer offenen Gegend, so wird
an ihrer von der Sonne gesehenen Seite ihre Farbe so hell sein, daß die-
selbe zum Teil dem Anblick lästig fällt, wie die Sonne. Und die Seite von
der Frau, die von der Luft gesehen wird, welche durch die in sie verwo-
benen und eingedrungenen Sonnenstrahlen leuchtend ward, wird ins
Blaue fallen, da die Luft an sich blau ist, und die Seite von dieser Luft ge-
sehen wird. Ist auf der nahen Erdfläche Wiesengrund, und die Frau
befindet sich zwischen dieser sonnenbeschienenen Wiese und der Sonne
selbst, so wirst du die Faltenstellen, die von der Wiese gesehen werden
können, sich durch Reflexstrahlen in die Farbe der Wiese umfärben
sehen. Und so unterzieht sich dies Weiß der Umwandlung in alle Farben
der leuchtenden und nicht leuchtenden nahe gegeniiber befindlichen
Gegenstände“ (785). Hier kann man geradezu an ein Bild Claude Mo-
nets denken!

„Eine Malerei wird für die Beschauer nur dadurch wunderbar, daß sie
das, was nichts ist, wie erhaben und von der Wand losgelöst aussehen
läßt; die Farben bringen aber einzig den Meistern Ehre, die sie berei-
teten; denn durch sie wird keine andere Bewunderung hervorgebracht
als die ihrer Schönheit, und diese ist nicht Verdienst des Malers, sondern
dessen, der dieFarbengemacht hat“ (123). Dem „rilievo“ dient dasHell-
dunkel vor allem. So ist ,,das Helldunkel im Verein mit den Verkiir-
zungen ... die höchste Ehre der Wissenschaft der Malerei“ (671).

Für die besondere Formulierung des Helldunkels bei Leonardo ist
 
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