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Angewandte Kunst in der Münchener Sezession.
b. pankok—münchen. Zierschränkchen.
München, Sezessions-Ausstellung 1899.
Ausstellungs-Lebens, des Kunsthandels usw.
geworden ist. Wir wollen dabei noch gar
nicht einmal heranziehen, dass auch die
Gewerbe -Welt, insoweit sie künstlerischer
Entwürfe bedarf, abhängig ist von der Ent-
wickelung dieser Kunst: sie wird verküm-
mern, wo den neuen Ideen der Zugang er-
schwert ist, sie wird blühen, wo die neuen,
fruchtbaren Gedanken und die neuen Männer
zu freiem Schaffen Ermunterung und För-
derung finden. In München scheint man an
den angedeuteten Stellen eher zum Gegen-
theil zu neigen, und das muss sich rächen.
Vielleicht bringt die für das Jahr 1901 in
Aussicht genommene Deutsch - nationale
Kunstgewerbe-Atisstellung eine Wandlung
der Anschauungen. Wir wollen es hoffen!
Wie sehr sich jetzt die Verhältnisse in
München einer Krisis nähern, mag eines
Theiles daraus erhellen, dass eine führende
Persönlichkeit nach der andern die Kunst-
stadt an der Isar verlässt, um an anderen
Orten: Berlin, Dresden, Darmstadt, Karls-
ruhe unter günstigeren Verhältnissen zu
schaffen und andererseits auch aus einem
Briefe, den kürzlich ein unbestritten als ein
Führer der neuen Bewegung in Deutsch-
land geltender, hochangesehener Münchener
Künstler an uns richtete. Da hiess es unter
Anderem: »Ich glaubte, unsere jungen Be-
strebungen hätten stärker Wurzel geschlagen.
Aber was soll man mit opfermiiden Hand-
werkern anfangen, wenn der Staat, der doch
ein vitales Interesse zu schützen und zu
heben hätte, kaum Notiz nimmt von einer
Bewegung, die fundamentale Aenderungen
in sich trägt! Wenn hier die Künstler auf-
hören, opferfreudig zu sein, dann kann man
die Bude schliessen. An massgebender Stelle
kräht kein Hahn darnach.« — Wenn in
München in dieser Hinsicht nicht bald eine
Wandlung eintritt, so wird man sich dort
nicht wundern dürfen, wenn die Entwickelung
plötzlich über die bisher dominirende Kunst-
Stadt hinweg gehn und an anderen Orten
des grossen deutschen Reiches ihre stärksten
Wurzeln in den Boden des thätigen Lebens
senken wird! Videant consules!
Allein sogar unter den Künstlern selbst,
bei den »reinen« Malern, macht sich ein
gewisses Widerstreben gegen die Gewerbe-
Künste auf den Ausstellungen bemerkbar.
Ob man diese wegen ihres raschen Empor-
blühens beneidet, oder ob man sie immer
noch nicht ganz für »voll« hält, oder ob
man Nachtheile befürchtet, welche der Bilder-
Malerei im Kunst-Handel aus der steigenden
Vorliebe für Kunst-Gegenstände erwachsen
könnten, wie dem auch sei: es sind klein-
liche Bedenken, die wohl nur bei den »diis
minorum gentium« ernstgenommen werden.
Schliesslich wird doch bei fortschreitender
Verfeinerung der Kultur mit den entsetz-
lichen Gold-Rahmen-Magazinen gebrochen
werden müssen und die Ausstellung als
einheitliches Ergebniss des Zusammenwirkens
von sogen, »hoher« und -»angewandter
Kunst« erstehen.
Je mehr sich heute bereits eine Aus-
stellung diesem Ideale nähert, um so werth-
voller und erfolgreicher wird sie sein. Auch
hier liegt ein Grund, warum Dresden dies-
Angewandte Kunst in der Münchener Sezession.
b. pankok—münchen. Zierschränkchen.
München, Sezessions-Ausstellung 1899.
Ausstellungs-Lebens, des Kunsthandels usw.
geworden ist. Wir wollen dabei noch gar
nicht einmal heranziehen, dass auch die
Gewerbe -Welt, insoweit sie künstlerischer
Entwürfe bedarf, abhängig ist von der Ent-
wickelung dieser Kunst: sie wird verküm-
mern, wo den neuen Ideen der Zugang er-
schwert ist, sie wird blühen, wo die neuen,
fruchtbaren Gedanken und die neuen Männer
zu freiem Schaffen Ermunterung und För-
derung finden. In München scheint man an
den angedeuteten Stellen eher zum Gegen-
theil zu neigen, und das muss sich rächen.
Vielleicht bringt die für das Jahr 1901 in
Aussicht genommene Deutsch - nationale
Kunstgewerbe-Atisstellung eine Wandlung
der Anschauungen. Wir wollen es hoffen!
Wie sehr sich jetzt die Verhältnisse in
München einer Krisis nähern, mag eines
Theiles daraus erhellen, dass eine führende
Persönlichkeit nach der andern die Kunst-
stadt an der Isar verlässt, um an anderen
Orten: Berlin, Dresden, Darmstadt, Karls-
ruhe unter günstigeren Verhältnissen zu
schaffen und andererseits auch aus einem
Briefe, den kürzlich ein unbestritten als ein
Führer der neuen Bewegung in Deutsch-
land geltender, hochangesehener Münchener
Künstler an uns richtete. Da hiess es unter
Anderem: »Ich glaubte, unsere jungen Be-
strebungen hätten stärker Wurzel geschlagen.
Aber was soll man mit opfermiiden Hand-
werkern anfangen, wenn der Staat, der doch
ein vitales Interesse zu schützen und zu
heben hätte, kaum Notiz nimmt von einer
Bewegung, die fundamentale Aenderungen
in sich trägt! Wenn hier die Künstler auf-
hören, opferfreudig zu sein, dann kann man
die Bude schliessen. An massgebender Stelle
kräht kein Hahn darnach.« — Wenn in
München in dieser Hinsicht nicht bald eine
Wandlung eintritt, so wird man sich dort
nicht wundern dürfen, wenn die Entwickelung
plötzlich über die bisher dominirende Kunst-
Stadt hinweg gehn und an anderen Orten
des grossen deutschen Reiches ihre stärksten
Wurzeln in den Boden des thätigen Lebens
senken wird! Videant consules!
Allein sogar unter den Künstlern selbst,
bei den »reinen« Malern, macht sich ein
gewisses Widerstreben gegen die Gewerbe-
Künste auf den Ausstellungen bemerkbar.
Ob man diese wegen ihres raschen Empor-
blühens beneidet, oder ob man sie immer
noch nicht ganz für »voll« hält, oder ob
man Nachtheile befürchtet, welche der Bilder-
Malerei im Kunst-Handel aus der steigenden
Vorliebe für Kunst-Gegenstände erwachsen
könnten, wie dem auch sei: es sind klein-
liche Bedenken, die wohl nur bei den »diis
minorum gentium« ernstgenommen werden.
Schliesslich wird doch bei fortschreitender
Verfeinerung der Kultur mit den entsetz-
lichen Gold-Rahmen-Magazinen gebrochen
werden müssen und die Ausstellung als
einheitliches Ergebniss des Zusammenwirkens
von sogen, »hoher« und -»angewandter
Kunst« erstehen.
Je mehr sich heute bereits eine Aus-
stellung diesem Ideale nähert, um so werth-
voller und erfolgreicher wird sie sein. Auch
hier liegt ein Grund, warum Dresden dies-