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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 1(Oktober)
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Angewandte Kunst in der Secession zu München 1899
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0031

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Angetvandte Kunst in der Münchener Sezession.

bleibt er eine ästhetische Merkwürdigkeit,
ein hochbedeutendes Phänomen, das unser
regstes Interesse herausfordert, dem wir mit
Bewunderung in die Einzelheiten seiner
überreichen Produktion folgen, das uns
jedoch stets fremd bleibt, nicht anders wie
etwa ein grosser russischer, japanischer oder
altassyrischer Meister. Man wird fragen;
ist es denn denkbar, dass innerhalb eines
und desselben Landes die Empfindungen in
Nord und Süd hinsichtlich eines und des-
selben von beiden objektiv anerkannten
Künstlers so diametral auseinander gehen
können? Allerdings ist das denkbar; auf
anderen künstlerischen Gebieten ist der
Gegensatz sogar oft noch viel schroffer und
nur deshalb nicht so scharf bemerkbar, weil
die alles in der Oeffentlichkeit niveliirende
Umschalte-Station »Berlin« das Bild in dem
allgemein zugänglichen Literatur - Nieder-
schlage fälscht. Andererseits muss noch ab-
gewartet werden, in wie weit die in Van
de Velde so mächtig auftretende nordwest-
germanische Kunst sich gen Osten vor-
schieben wird, ob sie in Berlin dauernden
Fuss fassen oder Mode bleiben wird wie
dort schon gar so viel]Mode war: meist

Schlechtes und Schlechtestes, hie und da
auch zufällig einmal Gutes, also warum
nicht auch Van de Velde?

Was uns im Süden und Südwesten den
Möbeln und Gefässen Van de Velde's am
meisten entfremdet, was uns an ihnen sogar
ärgert und herausfordert, das ist ihre unge-
heuere Vernünftigkeit, ihre überwältigende
Logik. Dem Norddeutschen wird das gerade
imponiren. Der Süddeutsche mag es absolut
nicht. Er empfindet es als aufdringlich, als
ernüchternd und unhöflich, wenn bei den
Dingen stets von ihrem Zweck, von ihrer
vernunftgemässen Brauchbarkeit und Nütz-
lichkeit gar so vernehmlich die Rede ist.
Das sagt nicht, dass er die Zweckmässigkeit
und Nützlichkeit an sich nicht wolle, im
Gegentheil; allein er hasst es, wenn man
sie scharf hervorkehrt, er liebt ein gefälliges,
diskretes Verstecken der Pointen ohne dabei
die von der Zweckmässigkeit geforderte
Logik der Grundformen verlassen zu wollen.
Sein Schmuck-Bedürfniss wird daher immer
ein unvergleichlich grösseres sein, als das
des Norddeutschen oder Engländers: er be-
darf reicher, voller Formen, lebhafter Farben,
fröhlicher Eindrücke. Etwas Leichtes und

KARL BERTSCH — MÜNCHEN.

Ausstellung der Sezession München 1899.

Sofa in vorstehendem Zimmer.
Kunstgewerbliche Abtheilung.
 
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