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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 1(Oktober)
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Angewandte Kunst in der Secession zu München 1899
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0035

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Angewandte Kunst in der Münchener Sezession.

hängen, ist vielleicht noch nie von einem
Einzelmenschen entfaltet worden, und es
liegt auf der Hand, dass bei dieser Art des
Schaffens eine Einheitlichkeit in der indi-
viduellen Durchbildung eines Raumes er-
möglicht wird, die nicht zu überbieten ist.
Wir sehen hier die Grenze, wo die Einheit-
lichkeit bereits beginnt, unangenehm zu
werden, weil sie etwas Erstarrtes in sich
hat, und dies Gefühl wird verstärkt durch
die Eigenthümlichkeit von Van de Velde's
künstlerischem Wesen. Zu seinem ästhe-
tischen Glaubensbekenntniss gehört es, dass
man neue Kunstformen finden muss rein
aus der konstruktiven Linie heraus, ohne
Hilfe ornamentaler Bildungen. Die Schönheit
der konstruktiven Form, die Van de Velde
damit kultivirt, appellirt an dasselbe ästhe-
tische Empfinden, das sich äussert, wenn
wir einen elegant gebauten englischen Wagen,
eine flotte Segelyacht oder ein gutes Bicycle
»schön« finden. Es ist das ein ästhetischer
Begriff, den unsere Zeit aus dem instinktiven
Gefühl für elegante Zweckmässigkeit gezeugt

hat, der aber aus dem Rahmen seiner Be-
deutung herausgeschoben wird, wenn er
Alleinherrschaft ausüben soll, wenn man
glaubt, deiss neben ihm das ästhetische Schöne
verschwinden müsse, das der Künstler aus
dem reinen Spiel der Phantasie ohne Rück-
sicht auf Zweckmässigkeit, aber auch nicht
im Gegensatz dazu, schafft. — Van de Velde
weiss seinem System viel künstlerischen
Reiz abzugewinnen, allerdings erinnern seine
Innenräume meistens leise an das Innere
eines Schiffes oder eines eleganten Eisen-
bahnwagens, aber man fühlt, dass ein rein
empfindender Künstler hier gewaltet hat.
Die Theorie von der Schönheit des reinen,
abstrakten Linienzuges, auf die jenes kon-
struktive Prinzip herausläuft, wendet Van de
Velde nun auch ganz konsequent da an,
wo er — vor allem im Muster — Ornament
zulässt. Die Linie an sich, in ihren nichts
bedeutenden, an kein vegetabilisches oder
animalisches Motiv erinnernden Verschling-
ungen und Zuckungen sucht er zum künst-
lerischen Ausdrucksmittel zu stempeln. Er

H. VAN DE VELDE—BERLIN U. BRÜSSEL.

Bücherei und Herren-Schreibtisch.
 
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