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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

DOI Heft:
Heft 1(Oktober)
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Angewandte Kunst in der Secession zu München 1899
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0037

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i6

Angewandte Kunst in der Münchener Sezession.

geht darin ganz ähnliche Bahnen, wie sie
vor ihm in der Dichtkunst die belgischen
Symbolisten eingeschlagen haben, die ein
Lied dichteten, nicht nach dem poetischen
Inhalt seiner Sätze, sondern rein nach dem
abstrakten, phonetischen Klang seiner Worte;
sie glauben damit an eine weit verfeinerte
Seite des ästhetischen Gefühles zu rühren,
und so glaubt auch die Schule Van de Velde's
erst durch diese abstrakt-symbolische Sprache
der Linie, die mit einer Art musikalischer
Empfindung aufgefasst sein will, einem
wirklich veredelten, ästhetischen Bedürfniss
zu genügen. In Wahrheit sehen wir hier
nur eine eigenwillige Beschränkung der
Ausdrucksmittel, die zum Prinzip erhoben
wird, die aber sowohl im einseitigen Betonen
der konstruktiven Form, als auch in dieser
abstrakten Liniensprache unausbleiblich zum
fleischlosen Schematisiren führen muss. Van
de Velde sagt selbst einmal: »Allerdings
deuten diese Kunstgrundsätze auch eine

Grenze an, indem sie die Forderung zulassen,
dass es für jeden Gegenstand nur einen
richtigen Umriss, nur einen richtigen Auf-
bau gibt und zwar den, der am meisten der
Vernunft gemäss ist. Ich muss also zugeben,
dass wenn ich fortfahre, verschiedene Stühle,
Tische, Schränke zu entwerfen, ich das nur
thue, weil ich bisher noch keinen dieser
Gegenstände vollendet gebildet habe.« (Pan,
3. Jahrg. 4. Heft.) Wir sehen also in diesem
Meister eine merkwürdige Mischung zweier
Extreme: eine ungewöhnliche individuelle
Energie und zugleich ein Hinneigen zu einer
schematischen Theorie, ein Gegensatz, der
dadurch eine gewisse Beleuchtung erhält,
dass Van de Velde, wie eigentlich alle mo-
dern schaffenden belgischen Künstler, ein
leidenschaftlicher Anhänger der sozialdemo-
kratischen Ideen ist. Er ist deshalb mit
seiner ganzen Schule bestrebt, sein Schaffen,
das eigentlich dem raffinirtesten Luxus der
obersten Zehntausend gilt, theoretisch mit

H. VAN DE VELDE—BERLIN U. BRÜSSEL.

Bücherschrank des Herrenzimmers.
 
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