Angewandte Kunst in der Münchener Sezession.
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durch individuelle Gründe hierzu veranlasst
wären, Weil sie die extremsten sind,
scheinen sie von manchen für die »einzig-
vichtigen« gehalten zu werden, ein Irrthum,
der namentlich in den neuesten Erzeugnissen
der »Vereinigten Werkstätten« zum Aus-
drucke kommt. Wenn wir die Preise der
Einrichtungen von Pankok und Bruno Paul
in Erwägung ziehen, so müssen wir folgern,
dass die »puritanische« Sparsamkeit und
Nüchternheit nicht der Absicht entspringt,
Möbel und Gebrauchs - Gegenstände von
schöner, eigenartiger Form zu schaffen, die,
weil sie auch dem weniger Bemittelten er-
schwinglich sein sollen, nur geringe Schmuck-
Mittel aufweisen dürfen, sondern einem
Prinzipe. Diese Einrichtungen sind nicht
billig, und doch machen sie den Eindruck
der Sparsamkeit ja der Kargheit — doch
wohl nur, weil man das bei »modernen«
Erzeugnissen für absolut unerlässlich hält.
Es ist, als ob man sich fürchte aus dem
Vollen zu schöpfen, der Phantasie und der
freudigen Gestaltungskraft ihre Rechte zu
gewähren, nur weil dann etwa das »Kon-
struktive« weniger durchsichtig erscheinen
und von den blutdürstigsten modernen
Kritikastern vermisst werden könne. Wir
sehen jetzt auf allen Ausstellungen »Arme-
Leute-Einrichtungen« für reiche Leute! Darin
bekundet sich ein geradezu bizarres Miss-
verstehen der neuzeitlichen Ideen. Auch
wir haben stets ganz entschieden die For-
derung betont, einfache, echt bürgerliche
Einrichtungen zu schaffen, in denen eine
schöne Wirkung lediglich durch geschmack-
volle Anordnung des Nothwendigen erreicht
wird. Diese Forderung hat aber nur dann
Sinn, wenn auch die Preise »einfach und
bürgerlich« gestellt sind, denn die Rücksicht
auf die soziale Lage der Mittelstände ist der
Grund jener Forderung. Wo dieser Grund
wegfällt, fällt auch die Forderung. Es ist
doch das Natürlichste, dass man mit den
gegebenen Mitteln eine möglichst grosse
Fülle schöner Eindrücke erreichen will, nicht
aber das Gegentheil, selbstverständlich ohne
dabei zu vergessen, dass Gegenstände, die
uns alltäglich lange Jahre hindurch umgeben,
stets diskret und ruhig wirken müssen, um
nicht Ueberdruss zu erregen, und dass sie trotz
reicher Formen den Zweck nicht verleugnen.
Am stärksten haben diese falschen
Theorien auf Pankok gewirkt und man kann
nicht ohne Bedauern an seinem »Vorräume«
den Rückschritt wahrnehmen, den dieser
Künstler unter dem Banne solch bösartiger
Verallgemeinerungen gemacht hat. Bezeich-
nender Weise hat er gerade auf konstruk-
tivem Gebiete am meisten eingebüsst, wie
der wunderliche Zierschrank, Tische, Stühle
und Bank zeigen. Das alles ist in einem
Knochen- und Gerippe-Stil mit einer Ge-
suchtheit angelegt, die nur zu deutlich er-
kennen lässt, dass der Künstler sich selber
entfremdet wurde. Pankok hat Phantasie,
wie sein weitaus besseres Dresdener »Schlaf-
zimmer« beweist! Möge er sie wieder un-
beirrt in seinem Schaffen zur Geltung bringen!
Bruno Paul hat seinem Wohn- und
Speise-Zimmer einen Karakter gegeben, in
dem sich biedere Behaglichkeit und nahezu
prezieuser Geschmack merkwürdig mischen.
An Einzelheiten wie an den »Hörnern« der
Möbel, zeigt sich zwar, dass der Künstler
mit dem Ausdrucke ringt. Er wird dann,
wie in den grossen Schränken, etwas
plump. Das Sopha ist unbequem. Allein
H. VAN DE VELDE.
Schreib-Stuhl.
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durch individuelle Gründe hierzu veranlasst
wären, Weil sie die extremsten sind,
scheinen sie von manchen für die »einzig-
vichtigen« gehalten zu werden, ein Irrthum,
der namentlich in den neuesten Erzeugnissen
der »Vereinigten Werkstätten« zum Aus-
drucke kommt. Wenn wir die Preise der
Einrichtungen von Pankok und Bruno Paul
in Erwägung ziehen, so müssen wir folgern,
dass die »puritanische« Sparsamkeit und
Nüchternheit nicht der Absicht entspringt,
Möbel und Gebrauchs - Gegenstände von
schöner, eigenartiger Form zu schaffen, die,
weil sie auch dem weniger Bemittelten er-
schwinglich sein sollen, nur geringe Schmuck-
Mittel aufweisen dürfen, sondern einem
Prinzipe. Diese Einrichtungen sind nicht
billig, und doch machen sie den Eindruck
der Sparsamkeit ja der Kargheit — doch
wohl nur, weil man das bei »modernen«
Erzeugnissen für absolut unerlässlich hält.
Es ist, als ob man sich fürchte aus dem
Vollen zu schöpfen, der Phantasie und der
freudigen Gestaltungskraft ihre Rechte zu
gewähren, nur weil dann etwa das »Kon-
struktive« weniger durchsichtig erscheinen
und von den blutdürstigsten modernen
Kritikastern vermisst werden könne. Wir
sehen jetzt auf allen Ausstellungen »Arme-
Leute-Einrichtungen« für reiche Leute! Darin
bekundet sich ein geradezu bizarres Miss-
verstehen der neuzeitlichen Ideen. Auch
wir haben stets ganz entschieden die For-
derung betont, einfache, echt bürgerliche
Einrichtungen zu schaffen, in denen eine
schöne Wirkung lediglich durch geschmack-
volle Anordnung des Nothwendigen erreicht
wird. Diese Forderung hat aber nur dann
Sinn, wenn auch die Preise »einfach und
bürgerlich« gestellt sind, denn die Rücksicht
auf die soziale Lage der Mittelstände ist der
Grund jener Forderung. Wo dieser Grund
wegfällt, fällt auch die Forderung. Es ist
doch das Natürlichste, dass man mit den
gegebenen Mitteln eine möglichst grosse
Fülle schöner Eindrücke erreichen will, nicht
aber das Gegentheil, selbstverständlich ohne
dabei zu vergessen, dass Gegenstände, die
uns alltäglich lange Jahre hindurch umgeben,
stets diskret und ruhig wirken müssen, um
nicht Ueberdruss zu erregen, und dass sie trotz
reicher Formen den Zweck nicht verleugnen.
Am stärksten haben diese falschen
Theorien auf Pankok gewirkt und man kann
nicht ohne Bedauern an seinem »Vorräume«
den Rückschritt wahrnehmen, den dieser
Künstler unter dem Banne solch bösartiger
Verallgemeinerungen gemacht hat. Bezeich-
nender Weise hat er gerade auf konstruk-
tivem Gebiete am meisten eingebüsst, wie
der wunderliche Zierschrank, Tische, Stühle
und Bank zeigen. Das alles ist in einem
Knochen- und Gerippe-Stil mit einer Ge-
suchtheit angelegt, die nur zu deutlich er-
kennen lässt, dass der Künstler sich selber
entfremdet wurde. Pankok hat Phantasie,
wie sein weitaus besseres Dresdener »Schlaf-
zimmer« beweist! Möge er sie wieder un-
beirrt in seinem Schaffen zur Geltung bringen!
Bruno Paul hat seinem Wohn- und
Speise-Zimmer einen Karakter gegeben, in
dem sich biedere Behaglichkeit und nahezu
prezieuser Geschmack merkwürdig mischen.
An Einzelheiten wie an den »Hörnern« der
Möbel, zeigt sich zwar, dass der Künstler
mit dem Ausdrucke ringt. Er wird dann,
wie in den grossen Schränken, etwas
plump. Das Sopha ist unbequem. Allein
H. VAN DE VELDE.
Schreib-Stuhl.