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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 2 (November)
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Schmid, Max: Houben's Wettbewerb für moderne Gasöfen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0100

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Houben's Wettbewerb für moderne Gasöfen.

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Stengel mit undefinirbaren Ge-
schwulsten u. seltsamen Knor-
ren als Endigung aufweist?

Mussten wir darum die
»neue Kunst« predigen und
gegen die »Alten« zu Felde
ziehen, damit unsere Jungen
ebenso gedankenträge die
neuen Formen wie die alten
abklatschen?

Ein wohlhabender Fabri-
kant schrieb mir kürzlich
allen Ernstes: »Mein Bau-
meister hat ein sehr hübsches
Projekt für die Fassade mei-
nes Neubaues geliefert, im
Stile deutscher Renaissance,
nur das Hauptportal gefällt
mir nicht. Könnten Sie mir
wohl ein geeignetes Vorlagen-
werk empfehlen, aus dem ich
eine hübsche Thür mir aus-
wählen kann?« Damit hatte
dieser Fabrikant ganz naiv
das ausgesprochen, was an
der Kunst der verflossenen
Epoche der »Stilechtheit« uns
ärgerte, einerlei, ob der echte
antike Stil oder der deutsche
Renaissance-Stil kopirt wurde.
Er hatte mit der Unbefangen-
heit des natürlichen Menschen
erkannt, dass, je grösser die
Stilechtheit, um so wahr-
scheinlicher ein Plagiat vorlag. — Und nun
verlangten die Modernen, dass ein jedes
Werk aus seinem Wesen heraus gestaltet,
seinem Material gemäss geschmückt werden
sollte. Dass für diesen Schmuck statt der
historischen Ornamente freierfundenes Linien-
spiel und selbststilisirte Naturformen gewählt
wurden, kam als äusserlich sichtbares Merk-
mal des modernen Wesens hinzu.

Unser Wettbewerb zeigte aber, dass
viele dieses äusserlich Zufällige für das
Wesentliche halten, und glauben, wenn sie
nur ein modernes Vorlagen werk statt Ortwein's
deutscher Renaissance abpausen, sich als
moderne Künstler aufspielen zu können. In
den Zeitschriften, wo die moderne Kunst

O. M. WERNER —BERLIN.

Zier-Vase: »Nacht*. (Rückseite.)

zuerst gelehrt wurde, muss auch zuerst gegen
solchen Irrglauben gepredigt werden, darum
sei auch an dieser Stelle mit Nachdruck
»die Moral von der Geschieht« vorgetragen.
Die Preisrichter ertheilten bei der Houben'-
schen Konkurrenz deswegen auch keinen
ersten Preis, weil ein ganz originelles, einen
wirklich neuen künstlerischen Typus des
Gasofens schaffendes Projekt nicht vorlag,
dafür aber, dank der Liberalität der Firma
Houben, drei zweite Preise. Den einen
(Abb. S. 102) dem Freiherrn von Tettau, der
bereits in Houben's Plakat-Konkurrenz einer
der Sieger gewesen war, und jetzt, bei
anders zusammengesetztem Preisgerichte,
wieder einstimmig prämiirt wurde. Er hatte
 
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