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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 2 (November)
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Schulze, Otto: Max Seliger
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0108

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Max Seliger—Berlin.

«3

Schüler von Max Koch ist. Schaller's Grösse
leuchtet übermächtig in Koch aus, über-
strahlend — nicht auf Seliger, den einzigen
der Schüler Koch's, der dem Meister wohl
das Können, aber nicht das Empfinden
dankt. — Max Seliger steht ganz allein in
seiner Kunstäusserung, die mehr nach innen
drängt, als nach aussen strebt. Ich wenigstens
wüsste ihm keine verwandte Kraft, keinen
Gleichfühlenden an die Seite zu stellen aus
dem Kreise seiner Kollegen. Und doch
steht er nicht einsam in seinem Gestaltungs-
verlangen aus dem Innenleben heraus —
seine beiden Schwestern, Frau Emma Dern-
burg-Seliger und Fräulein Ida Seliger, die
letztere die Nachfolgerin der ersteren in der
Leitung der Fachklasse für Kunststickerei
am Königlichen Kunstgewerbe-Museum zu
Berlin, stehen ihm künstlerisch und in ihrem
Empfindungsleben sehr nahe. Namentlich
ist Schwester Emma von grösstem Einfluss
auf seine künstlerische Ausbildung, Schwester
Ida dagegen psychisch beeinflussend gewesen.
Wem es je vergönnt war, einige Stunden
Gast in diesem durch die Harmonie der
Gegensätze verketteten Geschwisterkreise ge-
wesen zu sein — ich kannte drei Schwestern
und drei Brüder Seliger, dazu später die
prächtigen Alten — der wird mich verstehen.

Doch das Werden Seliger's, wie wir
ihn heute kennen, ist damit nicht erschöpft;
es muss noch eine tieferdringende Persön-
lichkeit dabei betheiligt gewesen sein, eine
weniger robuste Kraft vom Schlage Koch's,
eine, der es genügt — sich auf einem
Quadratmeter Fläche ausleben zu können.
Die Kunst Emil Doepler d. J. wurde ihrer
Innerlichkeit nach wegführend für Seliger,
dem es seiner Zeit Lebensaufgabe und Pflicht
schien, seinen kunststickenden Schwestern
ausführbare Entwürfe zu schaffen. Dieser
Kern, dieser erste Trieb der Dankbarkeit
gegen die ihn tragende und ihm forthelfende
Schwesternliebe, hat späterhin so wenig eine
Uebertünchung wie eine Vergoldung ange-
nommen. Professor Doepler d. J. hat daran
den lebhaftesten Antheil, und wäre Seliger
zehn Jahre ein Schüler Koch's gewesen,
dieser hätte jenem die Seele nicht mehr zu
wandeln vermocht. Unstreitig hat Seliger

von beiden fast zu gleichen Theilen gelernt:
Farbe, Mache, Technik und Figur von Koch,
Linie, Komposition, Ornament und Poesie
von Doepler. Dass Seliger's hinterpommer'-
sche Persönlichkeit nicht dem einen oder
anderen unterlag, das verhüteten seine
Schwestern Emma und Ida. — Leider gibt
das in diesem Hefte von Seliger vereinigte
Studien- und Entwurfs - Material nicht im
entferntesten einen leidlichen Ueberblick
seines eigenthümlichen Talentes, seines ganzen

MAX SELIGER. Studie
zu dem Vorhang des Theaters »Unter den Linden«.
 
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