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Otto Schulze—Köln: Max Seliger.
MAX SELIGER—BERLIN.
Fliegender Raubvogel. Aquarell-Studie.
seine Mappen neben Aufnahmen von Orna-
menten, Fresken, Galleriewerken und Innen-
Dekorationen alter Meister. Wo Seliger
kopirt, hat er die Kraft Koch's, wo er
komponirt, die Weichheit und Innigkeit
Doepler's. —
Demgemäss ist unseres Künstlers Ar-
beitsgebiet ein bestimmt begrenztes. Das
blos Bildmässige befriedigt ihn heute weniger,
wenn es auch gegentheilig, wie ich glauben
möchte, Traum und Wunsch seiner Jugend
gewesen ist. Nach seiner künstlerischen Aus-
reifung fasst Seliger jede Kunstleistung auch
als Zweckleistung auf; am liebsten vertieft
er sich in Techniken der Flächendekoration:
Wandmalerei, Mosaik, Glasmalerei, Intarsia,
Sgraffito und sein Hauptgebiet Stickerei.
Selbstverständlich steht er auch dem Plakat
sehr nahe. Man kann sich der Bewunderung
nicht verschliessen bei Betrachtung seiner
Entwürfe und Kartons, in denen er mit der
Gründlichkeit des verantwortlichen Fach-
mannes für die Ausführbarkeit eintritt. Und
doch habe ich selten einen unzufriedeneren
Menschen kennen gelernt; keine seiner
Leistungen befriedigt ihn ganz, und intimen
Freunden gegenüber nimmt er oftmals An-
lauf, ihnen vermeintliche Fehler in der eigenen
Arbeit aufzudecken. Dabei ist er empfäng-
lich für Schönheit, Grosses und Hohes -
mehr wie einmal habe ich ihn überrascht in
der Anbetung der Werke grosser Meister.
Die Italiener des 15. und 16. Jahrhunderts
sind ihm Alles, dann kommen die Deutschen;
für französische Grazie und Koketterie hat
er nichts übrig. Niemals würde Seliger der
modernen Strömung zuliebe, obgleich er der-
selben sehr sympathisch gegenübersteht, auch
nur etwas von dem opfern, was er sich in
dem Idealismus seines Ringens und stetigen
Weiterlernens aus Pietät und Liebe, aus
Dankbarkeit gegen die Vergangenheit zu
eigen gemacht hat. — Mir ist es durchaus
verständlich, dass Seliger oft mehr gibt als
er zu geben braucht, dass er des Guten oft-
mals zu viel thut, dass er am Detail und an
dem was rein technicher Natur ist zu sehr
hängt. Aber das sollten wir gerade dankbar
mit in den Kauf nehmen; einem Lehrer kann
das Nächste gar nicht nahe genug liegen.
Otto Schulze—Köln: Max Seliger.
MAX SELIGER—BERLIN.
Fliegender Raubvogel. Aquarell-Studie.
seine Mappen neben Aufnahmen von Orna-
menten, Fresken, Galleriewerken und Innen-
Dekorationen alter Meister. Wo Seliger
kopirt, hat er die Kraft Koch's, wo er
komponirt, die Weichheit und Innigkeit
Doepler's. —
Demgemäss ist unseres Künstlers Ar-
beitsgebiet ein bestimmt begrenztes. Das
blos Bildmässige befriedigt ihn heute weniger,
wenn es auch gegentheilig, wie ich glauben
möchte, Traum und Wunsch seiner Jugend
gewesen ist. Nach seiner künstlerischen Aus-
reifung fasst Seliger jede Kunstleistung auch
als Zweckleistung auf; am liebsten vertieft
er sich in Techniken der Flächendekoration:
Wandmalerei, Mosaik, Glasmalerei, Intarsia,
Sgraffito und sein Hauptgebiet Stickerei.
Selbstverständlich steht er auch dem Plakat
sehr nahe. Man kann sich der Bewunderung
nicht verschliessen bei Betrachtung seiner
Entwürfe und Kartons, in denen er mit der
Gründlichkeit des verantwortlichen Fach-
mannes für die Ausführbarkeit eintritt. Und
doch habe ich selten einen unzufriedeneren
Menschen kennen gelernt; keine seiner
Leistungen befriedigt ihn ganz, und intimen
Freunden gegenüber nimmt er oftmals An-
lauf, ihnen vermeintliche Fehler in der eigenen
Arbeit aufzudecken. Dabei ist er empfäng-
lich für Schönheit, Grosses und Hohes -
mehr wie einmal habe ich ihn überrascht in
der Anbetung der Werke grosser Meister.
Die Italiener des 15. und 16. Jahrhunderts
sind ihm Alles, dann kommen die Deutschen;
für französische Grazie und Koketterie hat
er nichts übrig. Niemals würde Seliger der
modernen Strömung zuliebe, obgleich er der-
selben sehr sympathisch gegenübersteht, auch
nur etwas von dem opfern, was er sich in
dem Idealismus seines Ringens und stetigen
Weiterlernens aus Pietät und Liebe, aus
Dankbarkeit gegen die Vergangenheit zu
eigen gemacht hat. — Mir ist es durchaus
verständlich, dass Seliger oft mehr gibt als
er zu geben braucht, dass er des Guten oft-
mals zu viel thut, dass er am Detail und an
dem was rein technicher Natur ist zu sehr
hängt. Aber das sollten wir gerade dankbar
mit in den Kauf nehmen; einem Lehrer kann
das Nächste gar nicht nahe genug liegen.