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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 3 (Dezember)
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Osborn, Max: Walter Leistikow
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0150

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Dr. Max Osborn

WALTER LEISTIKOW.

Oelgemälde: vAlte Weidend fi8gyj.

trennt, immer höchst unbehaglich gefühlt, so
hatte er jetzt den festen Rückhalt gefunden,
den sein Talent noch brauchte, um sich
weiter auszubilden. Das Publikum und die
zünftige Kritik öffneten freilich das ganze
Arsenal ihres Witzes und überschütteten die
neuen Stürmer und Dränger mit Hohnworten.
Aber in Gemeinschaft mit Klinger und
hiebermann konnte man sich schon ganz
ruhig verhöhnen lassen. Ueberdies aber
wurde Leistikow noch verhältnissmässig
glimpflich behandelt und das liebevolle Ber-
liner Kosewort »Verrückt!«, das den anderen
»Eilfern« gegenüber so gern gebraucht
wurde, ertönte für's erste vor seinen Ar-
beiten noch nicht.

In der That war auch Leistikow für
den Laien noch am ehesten zu verstehen.
Ohne dass er dem landläufigen Geschmack
Konzessionen machte, kam seine Kunst dem
Beschauer doch ein wenig entgegen. Es
liess sich zu ihm immerhin eine Brücke
schlagen von dem, was man bisher gewohnt
war. Leistikow trat weder mit Klinger's
eigenwilligem Tiefsinn noch mit Lieber-

mann's herausfordernder Pinselführung her-
vor, noch verblüffte er wie Ludwig von
Llofmann durch ungewohnte Farbensym-
phonien und seltsame Gestalten. Seine ge-
haltene Art, die vom furor juvenilis frei war,
kam ihm sehr zu statten. Bei aller Beweg-
lichkeit war er doch zu solide, um an blos
geistreichem Spiel Genüge zu finden, und er
war zu viel Dichter, um ganz im Technischen
aufzugehen.

Immer bedeutsamer arbeitet sich vielmehr
in Leistikows Landschaften jetzt die Stim-
mung heraus, die er durch eine ruhige und
geschlossene Bildwirkung zu erreichen strebt.
Den alten Motiven bleibt er treu. Aber neue
Länder erobert er sich dazu, auf Sylt, auf
Helgoland, auf den Inseln Dänemarks findet
er zahllose Anregungen. Und aus der un-
endlichen Weite der freien Ebene und des
Meeres, die den Blick schier verschlingen will,
flüchtet er sich nun gern in die enge Welt des
Waldes, deren eigenthümliche Schönheit sich
ihm mit einem Male offenbart. Vor den Thoren
Berlins wandert er entzückt durch die Buchen
des Thiergartens und die Kiefernstämme des
 
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