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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 3 (Dezember)
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Osborn, Max: Walter Leistikow
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0152

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Dr. Max Osboru: Walter Leistikow.

walter leistikow—berlin. Stihürte Wald-Landschaft.

kein topographisches Touristen - Interesse er-
weckt und kein absonderlicher Beleucht-
ungseffekt als Reizmittel verwandt. Alles
beruht auf dem liebevollen, andächtigen Ver-
senken in das Wesen der einfachsten Szenerie.
Weite Reisen sind nicht von Nöthen, hier in der
Heimath ist Schönheit genug, wenn man sie
nur zu finden und zu deuten weiss. Mit
unermüdlichem Eifer geht Leistikow den
intimen Reizen der Luft- und Lichtstimmung
nach, die ihm jeder Tag, jeder Stunde von
neuem bietet, und mag er sich im zeichne-
rischen Motiv noch so sehr wiederholen, der
malerische Reichthum, den es birgt, ist so
gross und mannigfaltig, dass er die so
vielen Andern drohende Gefahr unfruchtbarer
Wiederholung nicht zu fürchten braucht.

Doch mit der technischen Bravour
ist es nicht geschehen. Denn nicht die sach-
liche Mittheilung des natürlichen Vorbildes
ist für Leistikow der letzte Zweck des Bildes.
Auch den Gefühlsinhalt, die individuelle
Stimmung der Landschaft will er zum
Beschauer hinüberretten, ihre immanente
Poesie soll er mitempfinden. Das wird
in Leistikow's Arbeiten jetzt mehr und

mehr zu dem Hauptfaktor, dem alles andere
sich unterzuordnen hat. Die naturalistische
Art der Wiedergabe beginnt ihm lästig zu
werden, sie zieht seine Aufmerksamkeit zu
sehr auf's Detail. Es wächst in dem Künst-
ler die Sehnsucht, ein malerisches Prinzip
zu finden, das ihm die Möglichkeit einer
strafferen Konzentrirung eröffnet. Es erscheint
ihm kleinlich und für seine höchsten Zwecke
nicht ausreichend, der Natur mit peinlicher
Sorgfalt nachzugehen und jede Einzelheit,
wenn auch nur innerhalb der malerischen
Gesammterscheinung, zu notiren. Von dem
Gesichtspunkt ausgehend, dass der Betrachter
nur mit grossen Schwierigkeiten oder über-
haupt nicht zu dem beabsichtigten Eindruck
gelangen wird, wenn er sich erst mit einer
Menge nebensächlicher Dinge auseinander-
setzen muss, will er ihm die Auswahl des
Wichtigen und Wesentlichen dadurch er-
leichtern, dass er selbst schon das Un-
wesentliche fortlässt. Er beginnt die Land-
schaft zu stilisiren!

Man hat diese Wandlung in Leistikows
Malerei mit seinen Reisen nach dem skandi-
navischen Norden in Zusammenhang bringen
 
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