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Dr. Max Osborn:
WALTER LEISTIKOW—BERLIN.
wollen, und dort nach Vorbildern gefahndet,
die ihn angeregt hätten. Man hat jedoch
keine entdeckt; denn man war auf ganz
falscher Fährte. Wohl hat der Künstler oft
und lange da droben, zumal in Kopenhagen,
geweilt, er hat dort Freundschaft und Fiebe
gefunden, und aus der dänischen Hauptstadt
seine hochgewachsene schöne Gattin, die
verständnissvolle Gefährtin seines Strebens,
mit nach Berlin gebracht. Aber für seine
Stil - Fandschaften waren keine nordischen
Muster massgebend. Weder in Dänemark und
Norwegen noch in Schweden hatten die jungen
Künstler diese Wege eingeschlagen. Ganz
andere Einflüsse sind es, die hier ent-
scheidend mitgesprochen haben.
Vor allem war es die Macht eines neuen
Reiches, das gerade zur guten Stunde dem
Suchenden seine Pforten öffnete: Die Kunst-
welt der Japaner, seit Jahrzehnten in ihrer
Herrlichkeit schon von Franzosen und Eng-
ländern verehrt, ward durch kundige Ver-
mittler nun endlich auch bei uns in ihrem
Werthe erkannt. Mit Entzücken sah Feistikow,
Oelgemälde: » Wald-Inneres«-.
wie wundervoll die Maler von Nippon mit
den geringsten Mitteln die Natur ihres Fandes
auf der Seide und dem kostbaren Papier der
Kakemonos wiedererstehen Hessen. Mit einer
Sicherheit, die in Europa unbekannt war,
verstanden es diese Künstler, das Wesent-
liche aus der Fülle der natürlichen Er-
scheinungen instinktiv herauszulesen und
in wenigen Strichen hinzuzaubern. Ein
paar Flecke, ein paar Striche, — und
weite Fandschaften dehnten sich aus, Reis-
feldern tauchten auf, von blühenden Bäumen
umrahmt, lang hingestreckte Seen erschienen,
von schmalen Fandzungen durchbrochen und
von Hügelketten eingeschlossen, breite Flüsse
zogen dahin, von zierlichen Holzbrücken über-
deckt, auf den Wellen trieben Flösse, und
weisse Segel blinkten in der Ferne. Mit
Begeisterung versenkte sich Feistikow in das
Studium dieser Technik. Er lernte von den
Japanern die Kunst, das Nebensächliche aus-
zuscheiden und nur das Wichtige festzuhalten,
mit sparsamen Mitteln doch niemals arm zu
erscheinen, mit raschem Auge den richtigen
Dr. Max Osborn:
WALTER LEISTIKOW—BERLIN.
wollen, und dort nach Vorbildern gefahndet,
die ihn angeregt hätten. Man hat jedoch
keine entdeckt; denn man war auf ganz
falscher Fährte. Wohl hat der Künstler oft
und lange da droben, zumal in Kopenhagen,
geweilt, er hat dort Freundschaft und Fiebe
gefunden, und aus der dänischen Hauptstadt
seine hochgewachsene schöne Gattin, die
verständnissvolle Gefährtin seines Strebens,
mit nach Berlin gebracht. Aber für seine
Stil - Fandschaften waren keine nordischen
Muster massgebend. Weder in Dänemark und
Norwegen noch in Schweden hatten die jungen
Künstler diese Wege eingeschlagen. Ganz
andere Einflüsse sind es, die hier ent-
scheidend mitgesprochen haben.
Vor allem war es die Macht eines neuen
Reiches, das gerade zur guten Stunde dem
Suchenden seine Pforten öffnete: Die Kunst-
welt der Japaner, seit Jahrzehnten in ihrer
Herrlichkeit schon von Franzosen und Eng-
ländern verehrt, ward durch kundige Ver-
mittler nun endlich auch bei uns in ihrem
Werthe erkannt. Mit Entzücken sah Feistikow,
Oelgemälde: » Wald-Inneres«-.
wie wundervoll die Maler von Nippon mit
den geringsten Mitteln die Natur ihres Fandes
auf der Seide und dem kostbaren Papier der
Kakemonos wiedererstehen Hessen. Mit einer
Sicherheit, die in Europa unbekannt war,
verstanden es diese Künstler, das Wesent-
liche aus der Fülle der natürlichen Er-
scheinungen instinktiv herauszulesen und
in wenigen Strichen hinzuzaubern. Ein
paar Flecke, ein paar Striche, — und
weite Fandschaften dehnten sich aus, Reis-
feldern tauchten auf, von blühenden Bäumen
umrahmt, lang hingestreckte Seen erschienen,
von schmalen Fandzungen durchbrochen und
von Hügelketten eingeschlossen, breite Flüsse
zogen dahin, von zierlichen Holzbrücken über-
deckt, auf den Wellen trieben Flösse, und
weisse Segel blinkten in der Ferne. Mit
Begeisterung versenkte sich Feistikow in das
Studium dieser Technik. Er lernte von den
Japanern die Kunst, das Nebensächliche aus-
zuscheiden und nur das Wichtige festzuhalten,
mit sparsamen Mitteln doch niemals arm zu
erscheinen, mit raschem Auge den richtigen