Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

DOI Heft:
Heft 3 (Dezember)
DOI Artikel:
Osborn, Max: Walter Leistikow
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0159

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
13°

Dr. Max Osborn:

WALTER LEISTIKOW—BERLIN.

Oelgemälde: -»Wäsche am Strandet. (18

streben, scheinen sie ein Mittelding zu sein
zwischen Schiffen und seltsamen Seeunge-
tümen. Der zauberhafte Reiz der Unheim-
lichkeit geht von ihnen aus und wird erhöht,
da wir keine Menschen-Hand gewahren, die
sie steuert und lenkt.

Die Menschen verbannt Leistikow nun
für alle Zukunft von seinen Gemälden.
Auch dann, wenn er aus der unberührten
Natur sich in Gegenden wagt, denen die
Kultur ihren Stempel aufgedrückt hat. Wohl
lugt einmal zwischen dunklen Waldungen
ein einsames Haus wie aus einem Versteck
hervor, aber es scheint unbewohnt, und
das Schweigen der Landschaft wird nur
noch eindrucksvoller. Mit besonderer Liebe
beobachtete der Künstler in den letzten
Jahren die reizvollen Bilder der kleinen
Häfen an der See. Aber auch hier wird
man Schiffer und Fischer, Träger und
Arbeiter vergebens suchen. Die Gestalten
wären viel zu kraus und klein, um den
Eindruck zu stützen, den der Künstler sucht.
Er hält sich nur an die grossen Flächen,
an den Himmel und das Wasser, an die
Schiffsbäuche und ihre Schatten; die auf-
steigenden Masten und das Gewirr des
Takelwerks sorgen schon dafür, dass keine
Eintönigkeit in die Einfachheit kommt. Mit
wenigen Farben schon erreicht er in diesen
Bildern unvergleichliche Effekte. Schwefel-
gelb leuchtet der Abendhimmel, das kaum

bewegte Wasser des Hafens wirft den Schein
zurück, und dazwischen schieben sich die
schwarzen Leiber der Boote und die grünen
Schatten, die sie in der gelben Fluth bilden
— eine kühne Steigerung des natürlichen
Vorbildes, aber dennoch nicht unnatürlich
und darum von stärkster dekorativer Wirkung.

Die grössten Erfolge hat Leistikow er-
zielt, als er mit Hülfe dieser eigenthümlichen
Stilisirung nun wieder die Wälder und Seen
der Mark Brandenburg zu malen begann.
Wie niemand vor ihm hat er die Schlicht-
heit und den Ernst dieser Landschaft er-
kannt und ihre Schönheit gefeiert. Nichts
wird von aussen hereingetragen, nirgends
ist etwas arrangirt, auf äusseren Effekt
hin gearbeitet; auch hier läuft alles auf ein
Eindringen in den individuellen Karakter
des Naturbildes und auf ein Ausschöpfen
ihres intimsten Stimmungsgehaltes heraus.
Oft hat er zumal den Schlachtensee und
den Grunewaldsee gemalt, fast immer in
genau demselben Ausschnitt, ja von der-
selben Stelle aus rechts im Vorder-
grunde ruht das Wasser regungslos, links
steigt das sandige Ufer an, und den Hinter-
grund bildet der Wald —, aber jede Jahres-
zeit, jede Beleuchtung, jede Stunde verändert
das Bild und immer neue Stimmungsnuancen
kommen zum Ausdruck. Interessant ist es,
wie hier oft die Stilisirung für den Bild-
zweck bis zur äussersten Möglichkeit ge-
 
Annotationen