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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 3 (Dezember)
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Osborn, Max: Walter Leistikow
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0165

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Dr. Max Osborn: Walter Leistikow.

Variationen mitzutheilen. Er nimmt die
farbige Lithographie zur Hülfe, die gerade
für schmückende Flächenwirkung so sehr
geeignet ist, er hat vor drei Jahren als
energischer Autodidakt gelernt, seine kolo-
ristische Anschauung in die Schwarz-Weiss-
Sprache der Radirnadel zu übersetzen, und
dabei Blätter von grossem Reiz geschaffen.

Vor allem aber ist Leistikow sich wohl
bewusst, dass nur der ein Recht hat, die
Erscheinungen der Natur mit subjektiver
Willkür zu benutzen, der ihre wirkliche Ge-
stalt durchaus beherrscht. Als Lehrer hat
er diese Forderung immer auf's schärfste
betont. Er war einer der Ersten in Berlin, die
im Sommer mit Schülern und Schülerinnen
in's Freie zogen. Und auch er selbst ist
diesem Grundsatz niemals untreu geworden.
Noch in diesem Herbst hat er von einer
Reise nach Dänemark und Schweden ganze
Mappen voll prächtiger Aquarelle mitgebracht,
die von einem seltenen Fleiss Kunde geben
und zugleich jedem Zweifler beweisen, dass
bei jenen Versuchen, den poetischen Inhalt
der Landschaften stärker zum Ausdruck zu
bringen, des Künstlers Auge nicht verdorben
ist und sein Natursinn nicht gelitten hat.

Das ist es, was uns Walter Leistikow
gegenüber ein so sicheres Gefühl verleiht
und uns mit dem zuversichtlichen Bewusst-
sein erfüllt, dass der junge Künstler, der eben
erst das 34. Lebensjahr vollendete, der
Welt noch unendlich viel zu geben hat.
Seine Kunst ruht auf fester nnd solider
Grundlage! Das Ziel, das ihm stets vor-
schwebt, ist das Kunstwerk, in dem sich
das, was die Natur, und das, was er selbst

zu sagen hat, völlig deckt. Auf das
letztere kann und will er nicht verzichten.
Er ist ein sensibler und subjektiver Mensch,
und es ist kein Zufall, dass er sich mannig-
fach schriftstellerisch bethätigte, dass er nicht
wie manche Künstler zur Verbesserung seiner
Einkünfte, sondern aus innerem Drang Kunst-
plaudereien schrieb, kleine novellistische
Skizzen entwarf und sogar einen Roman*)
verfasste, nur um sich hie und da von alle-
dem, was ihm auf der Seele lastete, wenig-
stens theilweise zu befreien. Er ist auch
sonst ein heimlicher Dichter, dessen poetische
Sehnsucht in dem rein persönlichen, lyrisch-
musikalischen Gehalt seiner besten Gemälde
zum Ausdruck kommt. Doch wie er hier
oftmals ein Motiv Jahre hindurch immer
wiederholt, um seine letzten Absichten dar-
zulegen, so bleibt er zugleich im Dienste
der Natur und übt sich darin, um niemals
den Boden unter den Füssen zu verlieren.
So strebt er unablässig darnach, in sich
die Doppeleigenschaft des schaffenden Ge-
stalters zu vereinen, die der alte Goethe
einmal so formulirte: »Der Künstler hat
zur Natur ein zweifaches Verhältniss:
er ist ihr Herr und ihr Sklave zugleich.
Er ist ihr Sklave, insofern er mit irdischen
Mitteln wirken muss, um verstanden zu
werden; ihr Herr aber, sofern er diese ir-
dischen Mittel seinen höheren Intentionen
unterwirft und ihnen dienstbar macht. Der
Künstler will zur Welt durch ein Ganzes
sprechen; dieses Ganze aber findet er nicht
in der Natur, sondern es ist die Frucht seines
eignen Geistes.« Dr. Max osborn.

*) »Auf der Schwelle«. Berlin, Schuster & Löffler. 1896.

WALTE K LEISTIKOW

— BERtlN.

TAI'ETEN-E RIES. HER AU SGL G EBEN VON' A. BURCHARDT.
 
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