Deutsche Baukunst.
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hans christiansen. Kunst - Verglasungen.
festgestellt, jetzt will man entschlossen dieser
zuwider handeln, indem man auf das Bedürf-
niss als Meister der Form zurückgeht: also
auf die Zeiten vor dieser Feststellung der
Gesetze. Und eine solche ist die in Süd-
frankreich besonders blühende romanische;
eine solche ist aber in gewisser Form auch
die Spätgothik und das Barock. Man hat
seit ein paar Jahren nicht unmittelbarer em-
pfinden gelernt, das 20. Jahrhundert wird
uns nicht an jener kindlichen Schauens- und
Bildnerkraft übertreffen, die man Naivi-
tät nennt. Wir sind nur noch viel nervöser
geworden, und die Amerikaner sind es noch
mehr als wir, sodass wir das Einerlei einer
festgestellten Form nicht ertragen und am
Vielerlei einer formalistisch tastenden Zeit
unsere Freude haben können.
Beileibe möchte ich nicht den Anschein
erwecken, als halte ich dies für einen Fehler.
Immer vorwärts in der künstlerischen Frei-
heit! Sie allein führt zur eigenen Form.
Der Amerikanismus kann gut auf unsere
Entwickelung wirken, zwar sicher nicht,
wenn wir ihn nachahmen; vielleicht aber da-
durch, dass er Dinge, Regeln und Begriffe
entwerthet, an denen wir jetzt noch hangen.
Aber — wenn wir uns in der deutschen
Bauwelt umsehen — wir hangen gar nicht
mehr so fest an veralteten Gesetzen, wie
die Meisten zu glauben scheinen, oder wie
die Verkünder des neuen Stiles uns glauben
machen wollen. Der Stil ist schon da,
in der Architektur da ohne literarisches
Accouchement. Vergleiche ich amerikanische
und deutsche Bau - Zeitungen, so erscheint
wahrlich nicht als feststehend, dass jene
die unseren an Frische übertreffen. Ich
bin in den letzten Jahren viel in Frankreich
und England herumgereist und habe dort
Mancherlei gesehen: Allen Respekt vor Eng-
land! Aber jenseits der Ardennen wird
stark mit Wasser gekocht, gibt's einige geist-
reiche Architekten, viele Macher und noch
mehr Nachläufer. Nur baut Frankreich in
Paris und weiss Frankreich, von wem und
was in der Hauptstadt Paris gebaut wird.
hans christiansen. Erker-Fenster.
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hans christiansen. Kunst - Verglasungen.
festgestellt, jetzt will man entschlossen dieser
zuwider handeln, indem man auf das Bedürf-
niss als Meister der Form zurückgeht: also
auf die Zeiten vor dieser Feststellung der
Gesetze. Und eine solche ist die in Süd-
frankreich besonders blühende romanische;
eine solche ist aber in gewisser Form auch
die Spätgothik und das Barock. Man hat
seit ein paar Jahren nicht unmittelbarer em-
pfinden gelernt, das 20. Jahrhundert wird
uns nicht an jener kindlichen Schauens- und
Bildnerkraft übertreffen, die man Naivi-
tät nennt. Wir sind nur noch viel nervöser
geworden, und die Amerikaner sind es noch
mehr als wir, sodass wir das Einerlei einer
festgestellten Form nicht ertragen und am
Vielerlei einer formalistisch tastenden Zeit
unsere Freude haben können.
Beileibe möchte ich nicht den Anschein
erwecken, als halte ich dies für einen Fehler.
Immer vorwärts in der künstlerischen Frei-
heit! Sie allein führt zur eigenen Form.
Der Amerikanismus kann gut auf unsere
Entwickelung wirken, zwar sicher nicht,
wenn wir ihn nachahmen; vielleicht aber da-
durch, dass er Dinge, Regeln und Begriffe
entwerthet, an denen wir jetzt noch hangen.
Aber — wenn wir uns in der deutschen
Bauwelt umsehen — wir hangen gar nicht
mehr so fest an veralteten Gesetzen, wie
die Meisten zu glauben scheinen, oder wie
die Verkünder des neuen Stiles uns glauben
machen wollen. Der Stil ist schon da,
in der Architektur da ohne literarisches
Accouchement. Vergleiche ich amerikanische
und deutsche Bau - Zeitungen, so erscheint
wahrlich nicht als feststehend, dass jene
die unseren an Frische übertreffen. Ich
bin in den letzten Jahren viel in Frankreich
und England herumgereist und habe dort
Mancherlei gesehen: Allen Respekt vor Eng-
land! Aber jenseits der Ardennen wird
stark mit Wasser gekocht, gibt's einige geist-
reiche Architekten, viele Macher und noch
mehr Nachläufer. Nur baut Frankreich in
Paris und weiss Frankreich, von wem und
was in der Hauptstadt Paris gebaut wird.
hans christiansen. Erker-Fenster.