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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 5 (Februar)
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Gurlitt, Cornelius: Deutsche Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0257

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Cornelius Gurlitt:

HANS CHRISTIANSEN. Vestiaire-Fenster.

In einem Schloss in der Charente.

Witz, dass eine Markthalle nicht wie ein
Stillleben im Grossen, nicht malerisch und
nicht romantisch aussehen soll, sondern wie
eine Markthalle — und nichts darüber und
darunter!

Ein besonderer Trick der Amerikaner
ist die freie Behandlung der Rustika. Ich
wüsste nicht, dass einer sie geistreicher

durchgebildet hätte, als Licht am Grassi-
Museum in Leipzig. Es ist wieder in Re-
naissanceformen gehalten. Es kann ja sein,
dass wir einer Zeit entgegengehen, welche
sich völlig von den historischen Gebilden
frei sagt. Ich glaube aber nicht, dass da-
durch das Wesen der Kunsterneuerung ge-
troffen wird. Die selbständige Verwendung
der Form ist der entscheidende, die Fähig-
keit, den Zweck des Baues zur Erscheinung
zu bringen: Nicht durch das Ornament,
durch Embleme: Ob da Krautköpfe als
Kapitale und Rüben als Zahnschnitte, Markt-
weiber als Karyathiden verwendet werden,
ist sehr gleichgültig. Es handelt sich darum,
dem Bau in seinen Maassen eine Form zu
geben, die den Zweck bekundet und dabei
die Form über die gemeine Nützlichkeit
hinaus künstlerisch zu beleben und zu ge-
stalten. Nicht des Baumeisters Handschrift,
sondern der Zweck soll dem Bau die Eigen-
art geben.

Es würde nicht eben schwer fallen, die
Fassade des Grassi-Museums ins Romanische
umzustimmen, ohne wesentliche Aenderungen
in den Maassen einzuführen. Man könnte
auch die Säulenknaufe mit naturalistischem
Blätterwerk belegen — warum nicht? —
aber ich meine, dass damit der Bau nicht
eigenartiger würde oder wenigstens nicht
viel. Modern aber ist, wie Licht die Innen-
räume wieder mit jener Sachlichkeit aus-
stattete, die ihnen angemessen ist: Nüchtern,
wo sie Niederlagsräume sind, wenn auch
solche für Kunstgewerbe; so nüchtern, dass
selbst die Dümmsten in Versuchung kommen,
die ausgestellten Gegenstände anzusehen,
statt um sich zu starren. Denn wenn jetzt
das Stichwort ausgegeben wird, man solle
die Kunstwerke in Museen so hängen und
aufstellen, dass die Umgebung mit auf den
Beschauer wirke, also »stilvoll«, so meine
ich, dass das nur ein historischer Zopf mehr
ist, der den Kunstwerken und den Museen
angehängt wird. Man soll in den Tagen
des Rufes nach Wahrheit sich nicht scheuen,
auch in den Museen wahr zu bleiben: Ein
Museum ist ein Speicher und alle Deko-
rationskunst wird ihn nur für die Schwer-
sichtigen zu etwas Anderem machen.
 
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