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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 6 (März)
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Schölermann, Wilhelm: Die Wiener Plastik und Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0325

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Wilhelm Schölermann: Die Wiener Plastik und Malerei.

R. JETTMAR—WIEN.

»Abend«. Radirung.

Einen Georg Raphael Donner und einen
Neumarktsbrunnen hat es freilich nur einmal
aufzuweisen. Der frühverstorbene Viktor
Tilgner, der Liebling aller Wiener, ist be-
denklich überschätzt worden, obwohl er als
Porträtbildhauer sehr Gutes geleistet. Für
die Monumentalplastik fehlte ihm der Sinn
für das Grosse und Zwingende, während
eine liebenswürdige Freude am Runden und
Fleischigen, namentlich beim Kinderkörper,
ihn auszeichnete. Sein weitaus bestes grösseres
Werk ist das dem Gewehrfabrikanten Josef
Werndl in Steyr zu Ehren errichtete Denkmal,
wo dem Künstler eine von konventionellen
Rücksichten freie, kraftvolle Aufgabe, eine
Art »Apotheose der Arbeit« zu schaffen, in
wirklich schöner und aus dem Empfinden
der Gegenwart geborenen Weise gelungen
ist. Sein Mozart-Denkmal im Rücken der
Wiener Hofoper ist ein schwächliches Werk,
dessen Enthüllung Tilgner nicht mehr erleben
sollte. Es ist die Frage, ob er über dieses
Werk hätte hinauswachsen können, ; auf-
geworfen worden. Das scheint indessen
wenig wahrscheinlich und so ist es schwer zu
bestimmen, ob er vom künstlerischen Stand-

punkte aus zu früh starb, oder nicht. Dem
Geist des heiteren aber auch tragischen
Genius, der im Namen Mozart über dem
Alltäglichen in klaren Höhen schwebt, ist
er nur theilweise gerecht geworden, seinen
Kern uns schuldig geblieben. Die Bedeutung
Viktor Tilgners wird die Kunstgeschichte
in späteren Zeiten auf ihr richtiges Werth-
maass zurückzuführen haben.

Auf dem Gebiet der farbigen und »ma-
lerischen« Plastik bleibt seit Jahren der
genial veranlagte ArtJiur Strasser in erster
Stelle. Seine zahlreichen Thiergruppen und
Studien, Neger und Fellahs, beturbante
Araber und buntdrapirte Schlangenbeschwörer
sind zu gut bekannt, um des Näheren auf
sie einzugehen. In neuerer Zeit hat er zwei
Gruppen entworfen und modellirt, die wahr-
scheinlicherweise zur Ausführung in Bronze
und zur Aufstellung an einen öffentlichen
Platz gelangen dürften: eine an Fettsucht
leidende lybische Amazonenkönigin mit einem
Tigergespann, und der im Triumpf einher-
fahrende, zur schwammigen Masse auf-
geschwollene Markus Antonius, der in einer
Löwen-Troika sitzt und eine Löwin am
 
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