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Wilhelm Schölermann: Die Wiener Plastik und Malerei.
lichem Sinne Frau Tina Blau-Lang ein, deren
Werke z. Th. im ersten Mai-Heft reproduzirt
wurden. In ihr ist das Heimathgefühl am
einfachsten und natürlichsten ausgeprägt.
Nachdem sie jahrelang in München gear-
beitet, kehrte sie nach Wien zurück, wo ihr
die weichere, feuchtere Atmosphäre mehr
zusagte, als die schärfere und härtere Luft-
perspektive der bayerischen Hochebene.
Ihre grossen Praterbilder haben einen eigenen
und dauernden Werth, weil sie aus einem
persönlichen Verhältniss zur Natur geboren
sind. Auch als Lehrerin hat sie neuerdings
in kunstgewerblicher Richtung eine erspriess-
liche und anregende Thätigkeit entfaltet, in
einer kürzlich ins Leben gerufenen Kunst-
schule für Frauen und Mädchen.
Fassen wir also nur das Dargebotene
noch einmal in seinen Hauptzügen zusammen.
Für die Anregung und Verbreitung
künstlerischer Interessen und des besseren
Geschmacks hat zweifellos die Vereinigung
bildender Künstler Oesterreichs sowie das
Oesterreichische Museum dankenswerthes
geleistet. Für die Arbeitskraft der jüngeren
Generation sind ihre Ausstellungen im neuen
Sezessionsgebäude ein glänzendes Zeugniss.
Sie hat zum ersten Mal nach langer Pause
Kunstwerke ersten Ranges aus dem Aus-
lande nach Wien gebracht und in der Aus-
schmückung ihrer Ausstellungsräume Selb-
ständiges und Eigenartiges geleistet. Als
besonderes Erkennungszeichen, gewisser-
massen als »Leitmotiv«, ist der starkentwickelte
dekorative Zug überall bemerkbar, sei es im
rein malerischen oder plastischen Schmuck,
sei es im Kunstgewerblichen, als Vorlagen
zu Kissen und Bodenbelegen, zu Wand-
verkleidungen oder Gebrauchsgegenständen
der Wohnungseinrichtung. Es geht ein
heiterer Klang durchs Ganze.
Was die Künstlerschaft selbst betrifft,
so darf man, will man sie richtig beurtheilen,
nicht vergessen, dass Oesterreich keinen
einheitlichen Volkskarakter trägt, sondern
ein buntes Gemisch von germanischen,
Wilhelm Schölermann: Die Wiener Plastik und Malerei.
lichem Sinne Frau Tina Blau-Lang ein, deren
Werke z. Th. im ersten Mai-Heft reproduzirt
wurden. In ihr ist das Heimathgefühl am
einfachsten und natürlichsten ausgeprägt.
Nachdem sie jahrelang in München gear-
beitet, kehrte sie nach Wien zurück, wo ihr
die weichere, feuchtere Atmosphäre mehr
zusagte, als die schärfere und härtere Luft-
perspektive der bayerischen Hochebene.
Ihre grossen Praterbilder haben einen eigenen
und dauernden Werth, weil sie aus einem
persönlichen Verhältniss zur Natur geboren
sind. Auch als Lehrerin hat sie neuerdings
in kunstgewerblicher Richtung eine erspriess-
liche und anregende Thätigkeit entfaltet, in
einer kürzlich ins Leben gerufenen Kunst-
schule für Frauen und Mädchen.
Fassen wir also nur das Dargebotene
noch einmal in seinen Hauptzügen zusammen.
Für die Anregung und Verbreitung
künstlerischer Interessen und des besseren
Geschmacks hat zweifellos die Vereinigung
bildender Künstler Oesterreichs sowie das
Oesterreichische Museum dankenswerthes
geleistet. Für die Arbeitskraft der jüngeren
Generation sind ihre Ausstellungen im neuen
Sezessionsgebäude ein glänzendes Zeugniss.
Sie hat zum ersten Mal nach langer Pause
Kunstwerke ersten Ranges aus dem Aus-
lande nach Wien gebracht und in der Aus-
schmückung ihrer Ausstellungsräume Selb-
ständiges und Eigenartiges geleistet. Als
besonderes Erkennungszeichen, gewisser-
massen als »Leitmotiv«, ist der starkentwickelte
dekorative Zug überall bemerkbar, sei es im
rein malerischen oder plastischen Schmuck,
sei es im Kunstgewerblichen, als Vorlagen
zu Kissen und Bodenbelegen, zu Wand-
verkleidungen oder Gebrauchsgegenständen
der Wohnungseinrichtung. Es geht ein
heiterer Klang durchs Ganze.
Was die Künstlerschaft selbst betrifft,
so darf man, will man sie richtig beurtheilen,
nicht vergessen, dass Oesterreich keinen
einheitlichen Volkskarakter trägt, sondern
ein buntes Gemisch von germanischen,