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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 5.1899

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Heft 6 (März)
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Kunst- und "Sitten-Polizei"
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https://doi.org/10.11588/diglit.6697#0344

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Kunst und •»Sitten-Polizei'!-.

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werthe Anhaltepunkte bietet, so ist sie andererseits
nicht im Stande, die wunderbaren mannigfaltigen
Farbenspiele und Lichtspiegelungen, welche den
nackten Menschenkörper im Freien so reizvoll er-
scheinen lassen, wiederzugeben, aber wir hoffen zu-
versichtlich, dass sie alle Freunde dieser Blätter
anreizen möge, zum eignen selbständigen Studium
in freiem Licht!«

Und das soll »unsittlich« sein! Man möchte
lachen, wenn die Thatsache nicht so unendlich
traurig wäre, dass solche Akte der Barbarei uns
vor dem ganzen gebildeten Auslande lächerlich
machen müssen. Inzwischen ist die Angelegenheit
bereits im Reichstage zur Sprache gekommen. In
hervorragender Weise trugen namentlich die Ab-
geordneten Dr. Müller - Meiningen und Heine dazu
bei, das kultur- und kunstfeindliche Prinzip, das
unter den Anträgen zur »Lex Heinze« lauert, zu
entlarven. Zu welchen Konsequenzen diese führen,
davon gab der Abgeordnete Müller-Meiningen ein
niedliches Pröbchen, indem er sagte: »So kam es,
dass eine Reproduktion nach A. Böcklin, das -»Spiel
der Wellen«, von einem Schutzmann, der in den
Laden hinein trat, aus dem Auslege - Fenster weg-
geräumt wurde. Der Schutzmann, der ja natürlich
der deutsche Kunst-Censor ist, soll sogar gesagt
haben, als man ihm auseinandersetzte, dass es sich
um ein grosses Kunstwerk handle, das selbst Seine
Majestät in der Schack-Gallerte in München ausstelle:
So etwas gehört nicht in das Schaufenster hinein!«

Ferner brachte der Abgeordnete Heine den
Fall zur Sprache, dass ein »hochstehender Herr« —
es ist immer derselbe — der Kunst-Handlung von
Keller & Reiner eine Einladungs-Karte mit Protest
zurückgeschickt habe, weil auf derselben ein »nacktes
Weib«, abgebildet war. Diese Karte, zwar auch
nicht nach unserem Geschmack, war immerhin von
einem namhaften Künstler entworfen, und man
sieht daraus, dass man nicht nur der Schand-
Produktion an den Kragen gehn will, sondern auch
der Kunst 1 — Zum Glück zeigte Staats - Sekretär
Dr. Nieberding wenig Lust, sich und die von ihm
vertretene Regierung zum Henkers-Knecht im Solde
der dunkelsten aller Dunkelmänner herabzuwürdigen.
Dr. Nieberding hat sich durch dieses feste Verhalten
den Dank der Kunst in reichem Maasse verdient. —

£

"Dreis-ausschreiben auf buch-einbände. wir

fr. König. Buchschrmick. verweisen noch an dieser Stelle auf den interessanten Wett-

bewerb des Bibliographischen Instituts im Inseraten-Anhange. —
 
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